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Doppelspitze. Cellist Konstantin Heidrich (l.) und Pianist Markus Groh leiten das "Crescendo". Sie unterrichten beide an der Universität der Künste Berlin.

© Johannes Bock

"Crescendo"-Festival an der UdK: Auf der Suche nach der Reprise

Das UdK-Festival „Crescendo 2018“ setzt in diesem Jahr vor allem auf unvollendete Werke – von Schubert, aber auch von Bach.

War es „ständiger Zeitdruck“ oder ein „chaotisches Privatleben“? Die beiden Festivalleiter Konstantin Heidrich und Markus Groh wissen auch nicht ganz genau, warum gerade Franz Schubert so viele Werke unvollendet gelassen hat. Aber „ein Künstler ist nie vollendet, sondern bleibt immer auf der Suche“, erklärt Cellist Heidrich. Sein Kollege Groh, Pianist und hervorragender Schubert-Interpret, schwärmt von „fantastischen Werken, denen manchmal nur die Reprise im letzten Satz fehlt“. Beim UdK-Festival „Crescendo 2018“ wird er drei Konzerte mit unvollendeten Klaviersonaten von Schubert gemeinsam mit Kompositionsstudenten aufführen. Manches wird abrupt enden, andere Fragmente haben die angehenden Komponisten in verschiedenen Variationen weitergeführt.

Während Schubert ein bekannter „Unvollender“ war, überrascht das Festival auch mit Fragmenten von Johann Sebastian Bach. Sein Tod im Jahr 1750 hat ihn daran gehindert, die „Kunst der Fuge“ zu vollenden. Im Autograf der Schlussfuge hatte sein Sohn Carl Philipp Emmanuel deshalb handschriftlich vermerkt: „über dieser Fuge, wo der Name B A C H im Contrasubject angebracht wurde, ist der Verfasser gestorben“. Neben Bach und Schubert sind weitere Festivaltage den unvollendet gebliebenen Komponisten Michael Hirsch, Erwin Schulhoff und Gideon Klein gewidmet.

„Vielfalt und Exzellenz“, diese beiden Säulen der Ausbildung, sollen beim Festival sichtbar werden. Konstantin Heidrich empfiehlt aber auch die Werkstattkonzerte: Bei den dort behandelten Themen wie „Komposition“ oder „Dirigieren“ könnten Besucher miterleben, was es bedeutet, auf dem Weg zu sein und auch mal die Richtung zu ändern – unverzichtbar für die individuelle künstlerische Entwicklung, wie beide Professoren betonen. Mit ihrem Motto des „Unvollenendetseins“ haben sie auch in ihrem zweiten Jahr als Festivalleiter eine ergiebige Formel für ein abwechslungsreiches Programm entwickelt.

Berlin als Celloparadies

Interdisziplinär und experimentell, wie es sich für eine Hochschule gehört, wird auch der Komplex „Kunst und Technik“ thematisiert. In der Reihe „Crescendo immersiv“ steuert live gespielte Kammermusik die Software eines „Architekturgenerators“. Mit ausgeklügelten Projektionen verwandelt die akustisch- sensible Maschine den Saal in Abhängigkeit von Ton und Klang. Der aufwendige Dialog zwischen Musik und Computer brauche besondere Räume und findet deshalb im Medienhaus der UdK in Schöneberg statt – beide Festivalleiter wollen sich diesen Abend „auf keinen Fall“ entgehen lassen.

Ein weiterer Höhepunkt im Programm ist der Cellotag am 2. Juni. Dort wird das Instrument des Jahres 2018 im Mittelpunkt stehen, einschließlich einer Masterclass mit David Geringas. Der weltberühmte Cellist hat als früherer Lehrer verschiedener UdK-Professoren großen Anteil daran, dass die Hochschule in den letzten Jahren einen besonderen Ruf als Talentschmiede für Cellisten entwickeln konnte. Viele hervorragende Studierende würden das Fach Cello wählen, Berlin habe sich in den letzten Jahren geradezu in ein „Celloparadies“ verwandelt. Eine Einschätzung, die interessanterweise Pianist Markus Groh vorträgt. Kollege Heidrich, als Cello-Professor mitverantwortlich für diese Entwicklung, ergänzt, dass bei allem Wettbewerb der kollegiale Umgang miteinander wichtig sei, um eine Hochschule als Identifikationsort zu schaffen.

Quirlige und kreative Atmosphäre

Tatsächlich herrscht an der Bundesallee schon an normalen Werk- und Studientagen eine quirlige und kreative Atmosphäre, auf die man sich in den Festivalwochen dann ganz besonders freuen darf. Solch eine gute Stimmung, meint Konstantin Heidrich, komme bei guten Festivals von ganz allein, würde sich durch das Gebäude mit dem „wunderschönen“ Joseph-Joachim-Saal aber natürlich noch verstärken.

Dort oben, im zweiten Stock der Hochschule, wird zum Abschluss des Festivals das Symphonieorchester der UdK mit dem Staats- und Domchor und der Sing-Akademie Händels Oratorium „The Triumph of Time and Truth“ präsentieren. Hinzugefügt hat Chordirektor Kai- Uwe Jirka das „Lob der Torheit“, eine burleske Kantate von Bernd Alois Zimmermann. Dessen 100. Geburtstag darf bei diesem überbordenden Festival natürlich nicht fehlen. Zum Abschlusskonzert kommt all das zusammen, was die Ausbildung an einer modernen und aufgeschlossenen Musikhochschule prägt: Alte und Neue Musik, vielversprechende junge und jüngste Interpreten, engagierte Programmplaner und Professoren.

Und mit der Frage „Wahrheit oder Dummheit – wer gewinnt?“ wird ganz nebenbei auch noch die gesellschaftspolitische Relevanz von Kunst konstatiert – und eine große Feier des Unvollendetseins feierlich vollendet.

Das Festival läuft vom 25. Mai bis 9. Juni. Weitere Infos: www.udk-berlin.de

Hans Ackermann

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