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Fast immer überwältigend. Corinna Harfouch.

© dpa

Corinna Harfouch erhält Berliner Theaterpreis: "Ich hatte viel Glück, das stimmt"

Auf sie passt sogar das großtönende Wort "Wahrhaftigkeit": Die so schonungslos wie schöne Schauspielerin Corinna Harfouch hat den Berliner Theaterpreis bekommen.

Lobhudeleien, Liebeserklärungen, Laudationen. Freunde und Weggefährten haben sie mit Gedichten, Pflanzen und den blumigsten Bildern beschenkt, haben sanft gespöttelt und noch öfter bestürmende Worte gefunden, warum sie, Harfouch, die großartigste Künstlerin ist, mit der man zusammenarbeiten kann. Das muss hart gewesen sein für eine Schauspielerin, der doch Gefühlsduselei fremd ist und die – auf der Bühne wie im Leben wie bei der Preisverleihung – am liebsten Fenster aufreißt und den ganzen Weihrauch und das Getöse mit unwirscher Handbewegung wegscheucht, um sich dem Wesentlichen widmen zu können. „Ich spüre Liebe, muss immer heulen“, sagt sie. So geht das nicht. Weswegen Harfouch das Manuskript, das sie als Dankesrede vorbereitet hat, bloß noch mit Blablabla-Kopfschütteln überfliegt, sich einzelne Sätze herausgreift („Ich hatte sehr viel Glück im Leben – das stimmt auf jeden Fall“), ihren 91-jährigen Vater im Publikum willkommen heißt und eine kurze Geschichte über die Uhr ihrer verstorbenen Mutter erzählt. Und schließlich noch einen kurzen Text der Kollegin Kathleen Morgeneyer mit sanft-kritischen Anmerkungen zum Theaterbetrieb verliest, soviel Zeit muss sein. Sollten an dieser Stelle noch irgendwelche Restzweifel bestanden haben, dass hier eine würdige Preisträgerin steht, sind sie letztgültig verflogen.

Corinna Harfouch wird mit dem Theaterpreis Berlin 2015 geehrt, den die Stiftung Preußische Seehandlung jährlich zum Theatertreffen vergibt. Sie folgt damit auf Kolleginnen und Kollegen wie Dimiter Gotscheff und seine Künstler-Familie, Sophie Rois, Jürgen Holtz, und Johan Simons. Wer Zahlen und Fakten mag, für den hat Walter Rasch, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, ein Infopaket geschnürt: 1988 war George Tabori der erste Preisträger. Nur neun Künstlerinnen sind unter den 35 bislang ausgezeichneten Menschen, fünf davon Schauspielerinnen. Und, auch nicht unwichtig: die Ehrung ist mit einem Preisgeld in Höhe von 20 000 Euro verbunden. „Schauspielerei war für sie von Anbeginn ein Würdeberuf“, hat die Jury – bestehend aus Intendant Thomas Oberender, Theaterkritikerin Barbara Burckhardt, dem Potsdamer Intendanten Tobias Wellemeyer und Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer – in ihrer Begründung geschrieben. Das lässt stutzen, weil Würde missverstanden werden könnte, als parfümierte Pose, aber natürlich ist genau das Gegenteil der Fall: Harfouch bleibt das Salbungsvolle fremd. Sie fordert unbedingte Hingabe. Von sich und anderen. Und deswegen trifft der „Würdeberuf“ absolut.

Ganz preußisch bodenständig

Je mehr Schauspieler investierten, hat der verstorbene, in jeder Hinsicht prägende Regisseur Jürgen Gosch in einem „Theater heute“-Porträt von Christine Wahlüber die Harfouch gesagt, desto mehr bekämen sie aus der Arbeit heraus. „Corinna ist ziemlich schonungslos, was die Investitionsmenge angeht. Dadurch ist ihre Auszahlung am Ende sehr hoch.“ Sie sei stets bereit, „sich auszuliefern“, sagt Alexander Khuon – der in Goschs grandioser „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“-Inszenierung mit ihr auf der Bühne stand – im Haus der Berliner Festspiele. Und schwärmt zugleich von ihrer Wärme und Zugewandtheit. Ja, Harfouch kann gegenüber Journalisten eine berüchtigte Kratzbürste sein. Aber Kollegen beschreiben das nie. Höchstens, dass es manchmal schwer ist, mit ihrer Verausgabungsbereitschaft und Findungslust Schritt zu halten. „Sich zu erinnern an das, was auf der letzten Probe stattgefunden hat, interessiert sie nicht“, lächelt Khuon.

Es ist eine schöne, nur gelegentlich ins Pathos kippende Veranstaltung. Fritzi Haberlandt überreicht eine nach Harfouch benannte Rose (Eigenschaften: buschiger Wuchs und „kein Duft – hat sie nicht nötig“). Der große Jürgen Holtz trägt zur Erinnerung an eine gemeinsame Lesung Gottfried-Benn-Gedichte vor. Meike Droste singt zum Akkordeon ein bezauberndes Totenlied aus Goschs „Idomeneus“-Inszenierung. Und ein gut zusammengestellter Film zappt durch Harfouchs prägende Rollen und Regiebegegnungen: "Des Teufels General" und "Die Frau vom Meer" bei Frank Castorf. Lady Macbeth bei Heiner Müller. "Szenen aus Urfaust" mit Horst Sagert. Und natürlich die Arkadina in Goschs "Möwe". „Einstimmig werden Aufführungen mit dir als unvergesslich, eigenständig und magisch beschrieben“, stellt die Autorin Gisela Stelly Augstein in ihrer Laudatio dazu so treffend fest. Es fällt darin auch oft das großtönende, hier aber passende Wort „Wahrhaftigkeit“. Harfouch selbst würde das vermutlich nie in den Mund nehmen. Sie ruft am Ende lieber zum Buffet mit Weißwein und Brot. Ganz preußisch bodenständig, wie sie es mag.

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