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Buddies. Charlie (Victoria Schulz) und Gerry (Daniel Zillmann).

© UCM.ONE

Coming-of-Age-Drama „Rückenwind von vorn“: Jung und verwirrt in Berlin

Zwischen Unbeschwertheit und Pflichten: Philipp Eichholtz’ herzliches Coming-of-Age-Drama „Rückenwind von vorn“ über zwei junge Großstädter.

Eingestiegen ist sie. Aber wird sie sitzenbleiben? Charlie mustert Gerry mit einem hinreißend unsicheren Blick. „Ich mag das alles hier“, sagt sie und meint ihr Berliner Leben. Ein verstehendes Lächeln und die zwei Wörter „Ich weiß“ – mehr braucht es bei ihm nicht zur Absolution. Wird er wohl eine andere Reisebegleitung für seine Balkan-Tour im Wohnmobil finden müssen. Na und? Gerry ist ganz bestimmt keiner, der die Menschen zu ihrem Glück zwingt. Und Charlie hat in den vergangenen 80 Filmminuten gelernt, dass die Wünsche der anderen nicht unbedingt ihre eigenen sind – selbst wenn man das als liebenswerte Frau mit Mitte zwanzig allzu leicht selber glaubt.

Ja, das Lebensgefühl der jungen Großstädter in Philipp Eichholtz’ herzlichem Coming-of-Age-Drama „Rückenwind von vorn“ ist stimmig, auch wenn nicht jedes erzählerische Detail hinhaut. Nicht von ungefähr hat der Berlin-Film auf der jüngsten Berlinale die Sektion Perspektive Deutsches Kino eröffnet.

Der 1982 geborene Eichholtz zeichnet – wie das bei der von Regisseuren wie Axel Ranisch, Jakob Lass, Aron Lehmann und eben Eichholtz geprägten No-Budget-Bewegung „Berlin Mumblecore“ so üblich ist – für Geschichte und Regie verantwortlich. Die Dialoge hat er dagegen der Improvisationskraft seiner Darsteller überlassen, was nicht immer ganz so gut funktioniert wie zwischen der Junglehrerin Charlie und ihrem besten Freund und Kollegen Gerry. Letzteren spielt der einst von Frank Castorf an die Volksbühne geholte Daniel Zillmann mit lakonischem Mutterwitz. Und Victoria Schulz wird als Charlie samt zerknirschtem Blick, rosigen Wangen und den von aller Gefühlsverwirrung immer einen Hauch zu trockenen Lippen schlicht von der Kamera geliebt. Auch dass es nicht um irgendwelche supertollen Kreativen, sondern um ganz normale Schuldienstler geht, trägt zur Authentizität der Alltagsszenen bei.

Berlin als Hauptstadt der Alles-ist-möglich-Generation

Worum sich Charlies Verwirrung dreht? Ihre beste Freundin geht auf Asienreise, obwohl sie eigentlich auch von einem Südkorea-Trip träumt. Ihr Freund Marco, mit dem es nach fünf Jahren Beziehung nicht mehr so doll läuft, will Kinder, sie eher nicht. Und dann ist auch noch ihre geliebte Oma (Angelika Waller), die Elternersatz für sie ist, schwer erkrankt. Kurz: Die unbeschwerte Partyzeit der Referendarin hat sich schleichend in ein langweiliges Erwachsenenleben voller Pflichten, Verantwortungen und Entscheidungen verwandelt. Das schmerzt, wo sich in der Alles-ist-möglich-Generation, deren Hauptstadt Berlin ist, doch jede und jeder alles notorisch offenhalten will.

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Wie seine zwei Filme zuvor, hat das bekennende Oma-Kind Philipp Eichholtz auch „Rückenwind von vorn“ mit seiner Firma „Von Oma gefördert“ produziert. Und zwar nach Axel Ranischs Sehr-gute- Filme-Manifest, das besagt, dass gute Filme nicht mit Geld, sondern mit Herz und Vision gemacht werden. Oma-Kind Ranisch hat das 2011 mit „Dicke Mädchen“ vorgemacht. Die zarte Schwulenromanze entstand in der Wohnung seiner Großmutter, die auch mitspielte. Derselbe, von Oma-Liebe erwärmte Geist, trägt auch „Rückenwind von vorn“. Nur sehen Kamera und Schnitt hier um einiges besser aus.

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