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Von Tim und Struppi inspiriert: Eine Seite aus "Zuckerschädel".

© Reprodukt

„Zuckerschädel“ von Charles Burns: Hinterm Totenkopf gleich rechts

Mit dem kunstvollen Horrorcomic „Black Hole“ wurde Charles Burns berühmt. Nun hat er mit dem bedrückend surrealen Album „Zuckerschädel“ seine aktuelle Trilogie vollendet.

Eine Ampel springt von Grün auf Rot. Ein Stoppzeichen? In diesem Fall nicht. Sondern der Startschuss für die letzte Etappe einer Reise; der Reise von Doug. Sein Schöpfer, der renommierte US-Comicautor Charles Burns („Black Hole“) hat die von Hergé („Tim und Struppi“) inspirierte Figur in den Alben „X“ und „Die Kolonie“ grauenhafte Albträume durchleiden lassen. Mit dem soeben beim Berliner Reprodukt-Verlag auf Deutsch veröffentlichten Album „Zuckerschädel“ endet nun die Trilogie um ihn. Doch die Albträume bleiben.

Vorbei an den Menschen-Monstern eines Sci-Fi-Rotlichtbezirkes begleitet der Leser zunächst Dougs Alter Ego „Johnny 23“ durch eine unterirdische Echsenkolonie, um endlich dessen hochschwangere Freundin wiederzusehen. Währenddessen muss Doug sich der Tatsache stellen, dass Alkohol und Drogen den psychischen Druck, der auf ihm lastet, nicht mehr lindern können. Also beginnt er, unterstützt von seiner Freundin Sally, sich seiner Verantwortung gegenüber seiner Ex-Freundin Sarah zu stellen. Seine Wahnvorstellungen, Delirien und Flashbacks verdeutlichen, wie schwer Doug diese Reise in die Vergangenheit fällt. Doch wenn es überhaupt so etwas wie eine Heilung für ihn geben kann, dann nur auf diese Weise.

Innere Dämonen, psychische Grenzerfahrungen

Wie Comic-Altmeister Burns, der am Wochenende 60 wird, die inneren Dämonen seines psychisch labilen Protagonisten illustriert und gleichsam für eine von Zeit- und Bewusstseinssprüngen geprägte Handlung nutzbar macht, dürfte seinen Fans hinreichend bekannt sein. Dass dieses Verfahren jedoch immer wieder aufs Neue überzeugt, ist verblüffend. Hinzu kommt, dass Burns es in „Zuckerschädel“ tatsächlich schafft, die Handlungsstränge der verschiedenen Erzählebenen so zu verbinden, dass sich trotz aller surrealen Ideen ein geschlossenes Gesamtbild und eine fast schon klassische Story ergeben.

Das verschafft „Zuckerschädel“ auch einen leichten Vorteil gegenüber den Vorgängerbänden, da er sich noch besser als Einzeltitel lesen und erschließen lässt. Doch keine Angst: Die bedrückend surreale Atmosphäre, die Burns-Leser schätzen, wird durchgehend aufrechterhalten. Der gewohnt klare, scharf konturierte Stil macht den Horror, den Doug und sein Alter Ego durchleben, sehr real und fast schon erfahrbar. Fans werden hier auf ihre Kosten kommen. Entdecken lässt sich der Meister mit diesem Band wohl vor allem von Freunden psychischer Grenzerfahrungstrips à la William Burroughs und Co.

Charles Burns: Zuckerschädel, Reprodukt, 64 Seiten, 20 Euro

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