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Klassiker: Eine Szene aus dem Gaston-Band „Letzte Katastrophen“.

© Carlsen

Vor 25 Jahren starb Comiczeichner André Franquin: Der Vater von Spirou, dem Marsupilami und Gaston

Den Comic-Zeichner André Franquin kennt man vor allem wegen seiner komischen Figuren. Doch er hatte auch eine dunkle Seite.

„Belgisch“ ist - neben Französisch und Amerikanisch - eine der Weltsprachen der Comic-Kunst. Einer, der stilbildend für Generationen europäischer Comics wurde, ist vor 25 Jahren gestorben, am 5. Januar 1997: André Franquin, der Schöpfer von unvergesslichen Figuren wie Spirou und Fantasio, dem Marsupilami oder dem chaotischen Redaktionsboten Gaston Lagaffe. All diese Weltbürger sind eigentlich gebürtige Belgier.

André Franquin auf einem Archivbild von 1989.
André Franquin auf einem Archivbild von 1989.

© Pierre Bessard/AFP

Franquins geistige Heimat war das „Journal de Spirou“, das der Verleger Jean Dupuis seit 1938 in Marcinelle bei Charleroi herausgab. Dupuis war ein engagierter Katholik, dem die Verbreitung christlicher Werte am Herzen lag. In den damals noch verpönten Comics entdeckte er sein Medium dafür.

So erschienen in „Spirou“ - abgeleitet vom wallonischen Wort für „Eichhörnchen“ oder „Lausejunge“ - auch explizit christliche Comics, die das Leben von Heiligen nachzeichneten. Auch Johann und Pfiffikus, die Schlümpfe, Lucky Luke, Bill et Boule (Schnief und Schnuff) - sie alle stammen aus Marcinelle.

Die Verbreitung der populären US-amerikanischen Comics war von der NS-Besatzungsmacht untersagt. „Spirou“ versuchte mit einer Fülle von Talenten die wachsende Nachfrage nach Comics zu decken. Nach schweren Anfangsjahren, unter anderem durch die Rekrutierung von Zeichnern als Soldaten, begann ab 1946 im Verlagshaus Dupuis ein „goldenes Zeitalter“.

Es entwickelte sich neben dem französischen „Tintin“ (Tim und Struppi) rasch zum führenden Comic-Magazin in Europa; ja, mit „Spirou“ avancierte der Comic von der verpönten „Volksverdummung“ zur Kunstform.

Hubahuba!

Franquin, Jahrgang 1924, betreute seit Ende der 40er Jahre die Titelhelden Spirou und Fantasio mit ihrem Eichhörnchen Pip. In den 50ern bereicherte er deren bald weltweite Abenteuer um zahlreiche Nebenfiguren, etwa den verschrobenen Wissenschaftler Graf von Rummelsdorf (im Original: Champignac) - und ab 1952 den Publikumsliebling: das südamerikanische Fabelwesen Marsupilami aus dem Urwald Palumbiens mit seinem Multifunktionsschwanz und dem prägnanten Ausruf „Hubahuba!“.

Diese Figuren machten André Franquin weltberühmt.
Diese Figuren machten André Franquin weltberühmt.

© Olivier Matthys/AFP

Franquins aufwändiger Zeichenstil spiegelte Wohnkultur und Futurismus der 50er Jahre, thematisierte die zunehmende Technokratie und die Diktaturen Lateinamerikas.

Als Spielwiese für seine anarchische Ader schuf sich Franquin 1957 als neuen Helden auch den chaotischen Redaktionsboten Gaston Lagaffe, der schon bald zum Publikumsliebling avancierte und Antiheld einer selbstständigen Serie wurde.

Allerdings überarbeitete sich Franquin, erlitt im Dezember 1961 - trotz der Hilfe von Assistenten - einen Zusammenbruch. Nach schweren Depressionen und Gelbsucht konnte er erst 1963 wieder einsteigen. Für seine Arbeit an Gaston gab er 1968 schließlich das Flaggschiff „Spirou und Fantasio“ an den Bretonen Jean-Claude Fournier ab.

Sinn und Unsinn des Lebens

Im Verlagshaus Dupuis gab es ein gemeinsames Ziel: die Verbesserung der Gesellschaft. In den wilden 70er Jahren hatten dann auch die Zeichner von „Spirou“ ein gesteigertes Bedürfnis, sich gedanklich auszutoben. Eine Frucht davon waren etwa Franquins „Schwarze Gedanken“, erschienen von 1977 bis 1982 in der „Spirou“-Beilage „Le Trombone Illustre“.

Ein Strip aus „Schwarze Gedanken“.
Ein Strip aus „Schwarze Gedanken“.

© Carlsen

Franquin verarbeitete darin künstlerisch seine makabren Gedanken über Sinn und Unsinn des Lebens, die so gar nicht zu den munteren Szenarios von Spirou, Gaston und dem Marsupilami passen wollen. Die bitterbösen „Schwarzen Gedanken“ trugen wesentlich zur Entwicklung der modernen Erwachsenen-Comics bei.

Zwischen 1982 und 1985 konnte Franquin wegen schwerer Depressionen nicht mehr arbeiten. Danach entstanden letzte Gaston-Geschichten, allerdings ohne die Dynamik und Laune alter Zeiten. André Franquin starb, zwei Tage nach seinem 73. Geburtstag, in der Nacht zum 5. Januar 1997 in Nizza an Herzversagen. Er hinterließ seine Frau Liliane, mit der er seit 1950 verheiratet war, und eine Tochter. (KNA)

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