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Nicht von dieser Welt: Die Beziehung der Hauptfigur zu Lois Lane spielt in dieser Geschichte eine besondere Rolle.

© Illustration: Panini

Superheldencomic: Unter der kryptonischen Käseglocke

Im kürzlich als Sammelband veröffentlichten „All Star Superman“ versuchen Grant Morrison und Frank Quitely, den Mann aus Stahl aus allen Verstrickungen der Kontinuitäten zu lösen. Luftdicht verpackt bekommt der Vater aller Superhelden aber nur wenig Raum, um sich neu zu entfalten.

In prächtigem Glanz erstrahlt die Stadt Kandor. Die Hauptstadt von Supermans Heimatplaneten beherbergt noch immer die größten Denker Kryptons. Vor dem Untergang des Planeten schrumpfte und stahl der Bösewicht Brainiac die Stadt. Obwohl es Superman im silbernen Zeitalter der Comics gelang den kleinen Teil seiner Heimat zurückzuerobern, verweilen die Miniaturenmenschen von Kandor noch bis heute unter einer Käseglocke.

Unterstützung bei seinen Versuchen an einstige Größe anzuknüpfen, bekommt Superman nun durch den Comic-Autor Grant Morrison. Nach seiner Wiederbelebung von „Animal Men“ und „Doom Patrol“, gewährten die beiden großen amerikanischen Comicverlage, Marvel und DC, dem Schotten den Zutritt zu den ihren prestigträchtigsten Aushängeschildern. Mit der Miniserie „All Star Superman“, die kürzlich als Sammelband auf Deutsch erschien,  wird das Versprechen gegeben, den Vater aller Superhelden endlich aus den „Fesseln der Kontinuität“ zu befreien.

Heldentage im Countdown

Die Handlung beginnt wie versprochen als Frischzellenkur. Während einer Mission ins Innere der Sonne rettet Superman zwar die gesamte Crew, bekommt aber selbst eine Überdosis Sonnenstrahlung ab. In Wirklichkeit ist der Zwischenfall eine Falle von Lex Luthor, seinem Erzfeind, denn selbst Superman kann die ansonsten kraftspendende Strahlung nicht kompensieren. Sein Tod ist absehbar. Da die Heldentage nun runtergezählt werden, gibt Morrison dem Superhelden zwölf Episoden Zeit, um letzte Vorkehrungen für sein vorzeitiges Ableben zu treffen. Gemeinsam mit Morrison besucht Superman noch einmal alle Stationen seines Lebens.

Tödliche Energie. Bei einem Rettungseinsatz bekommt Superman eine Überdosis Sonnenstrahlung ab.
Tödliche Energie. Bei einem Rettungseinsatz bekommt Superman eine Überdosis Sonnenstrahlung ab.

© Illustration: Panini

Doch anstatt sich aber wirklich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen und sich mit Lois Lane auszusprechen, kämpft Superman lieber gegen Atlas und Samson, gegen Doomsday, gegen Wesen aus der Zukunft, gegen eine ganze Welt voller Bizzaros, gegen andere Kryptonier, gegen Luthor und letztendlich gegen eine kleine Sonne. Diese nicht endenwollende Reminiszenz beschränkt sich aber nicht auf die Superscharmützel, sondern setzt sich in den Panels fort: Auf den Regalen der Wohnungen sammeln sich nostalgische Reliquien aus der guten alten Zeit, dem Silver Age. Selbst die gigantische Festung der Einsamkeit wirkt wie ein riesiges Museum voller Erinnerungen, das nur wenig Freiraum für Neues lässt.

Morrisons Stärken als Autor zeigen sich erst im Zwischenmenschlichen. Nicht wenn Superhelden aufeinandertreffen, sondern wenn die Charaktere im Dialog aufeinanderprallen, wird der Comic unterhaltsam. Die wohl beste Geschichte in „All Star Superman“ ist deshalb auch „Luthor und wie er die Welt sah“. Ein absichtlich unbeholfener Clark Kent interviewt seine ewige Nemesis Lex Luthor, während dieser auf der Gefängnisinsel Stryker Island auf den elektrischen Stuhl wartet.

Städte, Kontinente, Welten zerbröckeln

Interessant ist die Episode, weil Luthor dabei nicht zum bösen Gegenstück von Superman wird, sondern vielmehr zu missverstanden Alter Ego von Batman mutiert. Luthor, der intelligenteste Mann der Welt, kann es einfach nicht ertragen, dass es einen Mann aus Stahl gibt. Sein Vorwurf: Superman habe ihn zu dem gemacht, was er heute ist. Wenn Morrison seinen anderen Episoden nur ein bisschen von dem Wortwitz und den philosophischen Debatten verliehen hätte, dann wäre „All Star Superman“ auch für den Leser mehr Herausforderung.

In guten Händen: Diese Illustration ziert das Cover des Sammelbandes.
In guten Händen: Diese Illustration ziert das Cover des Sammelbandes.

© Panini

Frank Quitelys Zeichenstil eignet sich perfekt für die Zersetzung des Genres und das Ende von Superman. Wie kein anderer fokussiert er jeden noch so kleinen Partikel. Mit Genuss sieht man seinen Häusern, Städten, Kontinenten – ja sogar Welten und Sonnen – beim Zerbröckeln zu. Allein die Muskelkraft Supermans lässt hoffen der unaufhaltsamen Katastrophe zu entgehen. Neben dem Bizeps des Mannes aus Stahl füllt Quitely auch die Gesichtsmuskeln der Charaktere mit Leben: Die Güte der Kents, der blanke Hass in Luthors Augen – wenn dieser über Superman spricht – und die verwirrte Einsamkeit von Zibarro. Alles ist genau dort, wo es hin soll.

Wenn uns die Comics der Achtziger Jahre, wie Alan Moores „Watchmen“ oder Frank Millers „Batman: The Dark Knight Returns“, eins gelehrt haben, dann ist es die Tatsache, dass es sich bei Comics um eine ernstzunehmende Erzählform handelt, die keine Realitätsflucht betreiben muss, sondern die Welt da draußen zu einem Teil ihrer Narration werden lässt. Mit „All Star Superman“ lotet Grant Morrison zwar die Historie von Superman en detail aus und stellt wichtige Fragen bezüglich des Superheldencomics, doch gleichzeitig stülpt er Supermans die Käseglocke über.

Grant Morrison und Frank Quitely: All Star Superman, Panini, 296 Seiten, 24,95 Euro.

Zum Blog unseres Autors Daniel Wüllner geht es hier

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