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Wie das Storyboard eines nie gedrehten Russ-Meyer-Films: Eine Seite aus "X-Men – Frauen auf der Flucht".

© Panini

Superhelden-Comics: Alte Kämpfer in neuem Gewand

Kürzlich erschienen eine ganze Reihe von Neuauflagen von Superhelden-Klassikern auf Deutsch, in denen berühmte Autoren mit berühmten Zeichnern kollaborierten. Die interessantesten haben wir uns angeschaut.

X-Men – Frauen auf der Flucht
Den Anfang machte vor einigen Wochen die als 13. Band der Milo-Manara-Werkausgabe erschienene Geschichte „X-Men – Frauen auf der Flucht“. Geschrieben wurde sie  vom langjährigen Mutanten-Saga-Autor Chris Claremont, der Klassiker wie „God loves, Man kills“ oder auch die „Dark-Phoenix-Saga“ schrieb.

Der Plot, den Claremont Manara auf den Leib schneiderte, hat damit jedoch wenig zu tun. Hier versuchen die Mutantinnen Psylocke, Rogue, Shadowcat und Storm abseits aller Serien-Kontinuität und vor wechselnden exotischen Kulissen, ihre Mitstreiterinnen Emma Frost und Marvel Girl aus den Fängen von Terroristen zu befreien. Der erste Anlauf scheitert jedoch gehörig, und nicht nur das: Das Rettungskommando wird fürs erste seiner Superkräfte beraubt.

Was folgt sind Strandurlaube in knappen Bikinis, Schlägereien mit Dschungel-Piraten, Schießereien und Glamour-Parties, was aber weniger dem Erzählen einer Geschichte dient, als Manara einen Vorwand dafür zu liefern, das tun, wofür er zu Recht Ruhm erlangte: Frauenkörper in erotischen Posen zu zeichnen. Wer keine Literatur erwartet, sondern eher das Storyboard eines nie gedrehten Russ-Meyer-Films, kann hier 30 Minuten prima das Gehirn ausschalten.

Wer sich darüber hinaus für den handwerklichen Aspekt des Comicmachens interessiert, findet im Anhang neben einigen von Manara geschaffenen Marvel-Covern die kompletten unkolorierten Tuschezeichnungen der „Frauen auf der Flucht.“

Durch Zeit und Raum: Eine Seite aus "Silver-Surfer - Parabel".
Durch Zeit und Raum: Eine Seite aus "Silver-Surfer - Parabel".

© Panini

Silver-Surfer - Parabel
Vom handwerklichen Standpunkt aus betrachtet ebenfalls erhellend ist der lange Anhang der Neuauflage von „Parabel“, in dem Jean Giraud alias Moebius seine Arbeitsweise und diverse künstlerische Entscheidungen kommentiert, die seine Zusammenarbeit mit dem Stan Lee betreffen.

1988 trafen sich der amerikanische Superhelden-Erfinder und der jüngst verstorbene französische Comic-Künstler auf einer Buchmesse in Kalifornien. Ein Agent fädelte eine Kollaboration zwischen den beiden ein, und noch im selben Jahr erschien ihre zweiteilige „Silver-Surfer“-Geschichte.

Erzählt wird darin von der Rückkehr des außerirdischen Überwesens Galactus, das die Menschheit von sich selbst befreien will. Aufgestachelt von einem Fernsehprediger ergeht sich die Erdbevölkerung bald in Anarchie und Chaos, bis der Silver Surfer, der Anfangs noch getarnt als Obdachloser umherzieht, die Menschen wieder auf die Spur der brüderlichen Liebe schickt. Das ist oft lustig und gleichzeitig erstaunlich melancholisch. Besonders die Bekehrung des Bösewichts und das versöhnliche Ende allerdings sind Lee – der, wie er im Vorwort schreibt, nicht weniger als ein Räsonieren der Leser über „das Schicksal der Menschheit“ im Blick hatte – ein wenig arg naiv geraten.  

Bemerkenswert machen die Geschichte vor allem die Zeichnungen. Moebius entwirft zeitlose kristallklare, futuristische Großstadtpanoramen und heroische Posen des Götterboten auf dem Brett, die auch heute noch bestehen können.

Düsterer Ritter: Eine Seite aus "Batman – Legenden des Dunklen Ritters: Gothic".
Düsterer Ritter: Eine Seite aus "Batman – Legenden des Dunklen Ritters: Gothic".

© Panini

Batman – Legenden des Dunklen Ritters: „Gothic“
Fortsetzung fand parallel die im Frühjahr 2014 gestartete Reprint-Reihe „Legenden des Dunklen Ritters“ mit Grant Morrisons „Gothic“. Die erstmals 1990 als Heft sechs bis zehn der Serie veröffentlichte Geschichte konfrontiert Batman mit einer Mordserie im Mafia-Milieu und dem Teufel höchstpersönlich.

Morrison reichert den Detektivplot, der eng mit Bruce Waynes Kindheit verwoben ist und dessen Anfänge im mittelalterlichen Österreich liegen, mit symbolgesättigten Albtraumsequenzen, vielen Rückblenden und Referenzen auf Shakespeare, John Keats sowie John Milton, auf „Faust“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ an. Auch Jahre später vermag das noch zu fesseln.

Gleiches gilt für Klaus Janson, der die düstere Geschichte mit einem harten, rauen und auf das wesentliche konzentrierten Strich aufs Papier bannt. Lediglich der Kolorierung sieht man ihr Alter heute deutlich an.

Wunder gibt es immer wieder: Eine Seite aus "Miracleman – Der Traum vom Fliegen".
Wunder gibt es immer wieder: Eine Seite aus "Miracleman – Der Traum vom Fliegen".

© Panini

Miracleman – Der Traum vom Fliegen
Ein wenig weiter Ausholen muss man zur Begutachtung von „Miracleman“. Jenem in den 1950ern erfundenen Superman-Klon, dem nach der Einstellung seiner Serie im Jahre 1962 ab 1982 ein neues Leben im englischen „Warrior“-Magazin geschenkt wurde. Bis heute genießt diese zweite Interpretation einen legendären Ruf.

Das mag vor allem daran liegen, dass hier Autoren wie Alan Moore und Neil Gaiman vor ihrem Durchbruch arbeiteten, aber auch daran, dass die Geschichten jahrelang nicht erhältlich waren. Das wiederum lag unter anderem an Rechtsstreitigkeiten mit Moore, der in der jetzt vorgelegten ersten Übersetzung der Reihe ins Deutsche auch nicht unter seinem Namen, sondern nur verklausuliert als „Der Originalautor“ firmiert.

Nach jahrelangem Hickhack liegen die Rechte an „Miracleman“ inzwischen ironischerweise beim amerikanischen Marvel-Verlag, der vor Jahren überhaupt erst eine Umbenennung der Figur von „Marvelman“ in „Miracleman“ juristisch erzwang. Seit Beginn des Jahres erscheinen dort neukolorierte Neuauflagen im Heftformat, deren erste vier Ausgaben der deutsche Sammelband „Der Traum vom Fliegen“ nun vereint. Darin wiederum finden sich eine Story aus dem Jahre 1956 und mehrere Geschichten aus den Jahren 1982-1989, die Moore verfasste, und die unter anderem Alan Davis und Steve Dillon zeichneten.

Erzählt wird die Geschichte des Journalisten Michael Moran, der nach einem Atomunfall vergessen hat, dass er ein Superheld ist, und erst Jahre später wieder sein Gedächtnis wiedererlangt. Deutlich erkennbar ist dabei Moores Ansatz, den Superhelden-Mythos zu hinterfragen und zu demontieren. Neben superkräftebefeuerten Schlägereien geht es hier um die Probleme eines Superhelden, der Ehefrau den Rollenwechsel zu erklären und die Frage, wer eigentlich der Vater eines Kindes ist, wenn Übermensch und Mensch sich einen Körper teilen.

Die deutsche Übersetzung ist ab und an etwas sperrig, wenn aus einem „angle of a story“ ein „Blickwinkel“ und nicht ein „Aufhänger“ oder „Ansatz“ gemacht wird, aber nicht zuletzt dank des üppigen Anhangs bekommt man hier eine interessante Geschichtsstunde über die Anfänge des Zeitalters der Comic-Götterdämmerung, das später in Alan Moores „Watchmen“ seinen Höhepunkt finden sollte.

Chris Claremont & Milo Manara: „X-Men – Frauen auf der Flucht“, Panini, 132 Seiten, 24,99 Euro
Stan Lee & Moebius: „Silver Surfer – Parabel“, Panini, 84 Seiten, 16,99 Euro
Grant Morrison & Klaus Janson: „Batman - Gothic“, Panini, 132 Seiten, 14,99 Euro
Alan Moore, Mick Anglo u.a.: „Miracleman - Der Traum vom Fliegen“, Panini, 148 Seiten, 29,99 Euro

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