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Pflichtlektüre für Fans: Das Cover des aktuellen Comic!-Jahrbuchs stammt von Jan Suski.

© Promo

Sekundärliteratur: Zombies, Gallier und DDR-Superhelden

Das Comic!-Jahrbuch 2012 erweist sich mit seiner aktuellen Ausgabe erneut als kompetenter Reiseführer durch die Welt der illustrierten Erzählung.

Wir sind ein Volk? Von wegen. Immer, wenn im Tagesspiegel Artikel über deutsche Comic-Klassiker aus früheren Jahrzehnten erscheinen, teilt sich die Leserschaft in zwei Gruppen. Bei Artikeln über „Mosaik“-Helden wie die Abrafaxe und die Digedags gibt es begeisterte Rückmeldungen vor allem der im Osten sozialisierten Leserschaft, gelegentlich verbunden mit dem Hinweis, dass man Artikel über westliche Klassiker eigentlich verzichtbar findet. Und wenn es um Fix und Foxi, Micky Maus oder Tim und Struppi geht, scheint das vor allem Leser mit westlicher Biografie anzusprechen, die hin und und wieder deutlich machen, dass sie mit dem Thema DDR-Comic nicht viel anfangen können.

Die bis heute unterschwellig fortwirkende Ost-West-Trennung der deutschen Comicszene ist das Schwerpunktthema des aktuellen Comic!-Jahrbuchs 2012, das der Interessenverband Comic (Icom) kürzlich herausgegeben hat. Wie auch in den Vorjahren erweist sich der seit dem Jahr 2000 erscheinende Sammelband erneut als umfassendes, vor allem für eingefleischte Fans sehr lesenswertes Sammelsurium. Berichte, Interviews, Analysen und Kurzporträts deutscher Comicschaffender geben in der Summe einen gelungenen Überblick über die aktuellen Entwicklungen des Mediums.

Ein DDR-Superheld, der sich teleportiert

Der Jahrbuch-Schwerpunkt über das auch im 22. Jahr der Wiedervereinigung fortlebende Erbe der DDR-Comics glänzt mit kenntnisreichen Analysen von Fachautoren wie Stefan Pannor und Klaus Schikowski. Sie arbeiten heraus, wie die Tradition vor allem in den östlichen Bundesländern einerseits gepflegt wird, wie zugleich aber nachwachsende Zeichnergenerationen die Kluft der unterschiedlichen historischen Bezüge zunehmend überwinden. Bemerkenswerterweise findet der Aufbruch vor allem in jenen beiden Sparten statt, die schon strukturell keine nennenswerten Bezüge zur deutschen Comicgeschichte aufweisen können, nämlich Manga und Online-Comics.

Ein Interview mit dem Leipziger Comic-, Cartoon- und Zeichentrickmultitalent Schwarwel beeindruckt durch eine reflektiert abwägenden Rückblick auf die DDR, indem rebellische Künstler wie er sich Freiheiten erarbeiten konnten, die manchen gelernten Westler überraschen dürften. Und es gibt einen Ausblick auf eine der wohl ungewöhnlichsten deutsch-deutschen Neuerscheinungen des neuen Jahres: Ulf S. Graupners und Sascha Wüstefelds „Upgrade“, eine Heftreihe über einen DDR-Superhelden, der als Jungpionier feststellt, dass er sich teleportieren kann.

Überraschungserfolg. Auch die deutsche Zombie-Serie „Die Toten“, wird im Jahrbuch gewürdigt, hier eine Szene daraus.
Überraschungserfolg. Auch die deutsche Zombie-Serie „Die Toten“, wird im Jahrbuch gewürdigt, hier eine Szene daraus.

© Zwerchfell

Zombies als Hoffnungsträger

Wie es dazu kam, dass Obelix in den deutschen Asterix-Heften nicht „Ui, die Römer sind doof“ sagt, sondern „Die spinnen, die Römer“, das ergründet Waldemar Kesler in einem kenntnisreichen Überblick über die Herausforderungen des Comic-Übersetzens.

Souveräne Analysen gibt es auch zur wachsenden Auswahl an deutscher Comic-Sekundärliteratur und dem Boom der Online-Comics. Profunde Darstellungen der nicht gerade rosigen Entwicklung der Comicmärkte in den USA, im frankobelgischen Raum und den Niederlanden runden das Angebot ab. Bemerkenswert ist hier, dass in Krisenzeiten, wie sie vor allem die US-Comicbranche derzeit erlebt, ausgerechnet eine Endzeit-Zombie-Serie wie „The Walking Dead“ einer der wenigen wirtschaftlichen Hoffnungsträger ist. Da kann man nur hoffen, dass der aktuelle Erfolg der ebenfalls im Jahrbuch ausführlich gewürdigten deutschen Zombie-Serie „Die Toten“ kein böses Omen für den heimischen Markt ist.

Burkhard Ihme (Herausgeber): Comic!-Jahrbuch 2012, Interessenverband Comic e.V., 240 Seiten, 15,25 Euro. Einen Einblick in das Buch gibt es auf der Icom-Website

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