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Moment der Verführung: Eine Szene aus „Comédie Française“.

© Reprodukt

Präsident Macron als Comicfigur: Mit dem Skizzenblock im Zentrum der Macht

Nach seinen Comic-Reportagen über François Hollande und Gérard Depardieu wollte Mathieu Sapin mehr über Staatschef Macron wissen. Ein schwieriges Unterfangen.

Der französische Zeichner und Autor Mathieu Sapin kennt sich gut hinter den Kulissen der Macht aus. Unter Ex-Präsident François Hollande ging er zwischen 2013 und 2014 im Elysée-Palast ein und aus. Daraus ist die Comic-Reportage „Le Château“ entstanden, „das Schloss“, wie der Amtssitz der französischen Staatschefs auch genannt wird.

Bei seiner nun auch auf Deutsch erschienenen Comic-Reportage über Frankreichs jetziges Staatsoberhaupt Emmanuel Macron biss sich der Cartoonist jedoch die Zähne aus.

Eigentlich wollte Sapin nach Hollande keine politischen Comics mehr machen. Doch als er erstmals Macron begegnete, war es um ihn gewissermaßen geschehen. Macron habe ihn einfach „verführt“, sagt er in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Paris. Nicht im sexuellen Sinn, lacht der 46-Jährige am Telefon. Macron habe einfach eine unwahrscheinliche Ausstrahlung.

In „Comédie Française - Reisen ins Vorzimmer der Macht“ (aus dem Französischen von Silv Bannenberg, Handlettering von Olav Korth, Reprodukt, 168 Seiten, 24 €) beschreibt Sapin in schnellen Strichen seine Begegnung mit dem Präsidenten. Alles begann am Abend des legendären TV-Duells der Präsidentschaftskandidaten am 3. Mai 2017 zwischen Macron und der Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Sapin befand sich an diesem Abend in den Studios des Fernsehsenders France 2, wo das entscheidende Tête-à-Tête der beiden stattfand. Als Macron beim Betreten der Lobby Sapin entdeckte, ging er zielstrebig auf ihn zu. Er lese gerade seinen Comic über Depardieu, meinte er und schüttelte ihm die Hand.

Nach dem Verlassen des Studios zwinkerte er ihm dann zu und sagte: „Na dann, Tschüss! Und bis bald, was?“. So wurde Sapin rückfällig.

Die Pressestelle blockierte, wo es nur ging

Damit begann eine wahre Odyssee. „Man hätte meinen können, dass nach dem ersten Kontakt, der erstaunlich unkompliziert war, alles wie am Schnürchen laufen würde“, erzählte Sapin. Weit gefehlt, wie er humorvoll in seiner Comic-Reportage illustriert.

Auf Racines Spuren: Eine weitere Seite aus„Comédie Française - Reisen ins Vorzimmer der Macht“.
Auf Racines Spuren: Eine weitere Seite aus„Comédie Française - Reisen ins Vorzimmer der Macht“.

© Reprodukt

Die Presse- und Kommunikationsstelle blockierte, wo es nur ging. Aus Frust begann Sapin Szenen in seine Graphic Novel einzubauen, in denen er Parallelen zwischen sich und Jean Baptiste Racine zog, einem der bedeutendsten Autoren der französischen Klassik.

Allerdings nicht, weil er meinte, er könnte dem Dramatiker (1639-1699) literarisch das Wasser reichen. Racine war von Ludwig XIV. und dessen Macht fasziniert und tat alles ihm Mögliche, um an den Hof von Frankreichs Sonnenkönig zu gelangen.

Ähnlich wie Sapin, der Monate lang versuchte, an Macron heranzukommen, der sich anfänglich mit Jupiter verglichen hatte, dem römischen König der Götter. Als Anspielung darauf gab er seinem Comic auch den Titel „Comédie Française - Reisen ins Vorzimmer der Macht“.

Das sei frustrierend gewesen, sagte Sapin. An Macrons Vorgänger heranzukommen, sei im Vergleich dazu kinderleicht gewesen. „Hollande mochte die Journalisten“, erzählt er. Für seine Reportage durfte er sich frei im Elysée bewegen. „Das war wie eine open bar“, so Sapin.

Buhrufe der „Gelbwesten-Anhänger“

Dank vieler Kontakte und auf nicht wenigen Umwegen gelang es Sapin schließlich, Zugang zum Serail zu finden. So begleitete er Macron auf einer siebentägigen Tour im November 2018 durch die Grenzregion Grand Est.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Reprodukt

Im Oktober 2019 durfte er an der Präsidentenreise in die französischen Überseegebiete Mayotte und La Réunion teilnehmen. Eine Reise, bei der „Gelbwesten-Anhänger“ Macron mit Buhrufen empfingen und sein Porträt verbrannten, wie Sapin bunt und schillernd wiedergibt.

Was hat Sapin über den Menschen Macron erfahren? Viel und wenig zugleich. So liest Frankreichs Präsident zur Entspannung gern Comics, ist ein großer Fan von Filmstar Gérard Depardieu, isst vor Großveranstaltungen bevorzugt Nudeln wie ein Hochleistungssportler, liebt lange Debatten und Diskussion, meine, er könne alles alleine machen, und arbeitet deshalb ständig.

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Wie Brigitte Macron Sapin unter vier Augen erzählte, ist ihr Mann ein Kunstnarr. Auch wenn er sehr müde sei, verpasse er keine Aufführung, keine Ausstellung, zitiert Sapin die 68-Jährige in seinem Comic. Und vor dem Schlafengehen stecke er seine Nase noch in Bände mit Gedichten und philosophischen Essays oder er spiele Klavier.

Vor dem Schlafengehen - das bedeutet bei Macron: nicht vor Mitternacht. Denn erst dann, wenn keine Telefonanrufe mehr störten, treffe sich Macron mit seinem Generalsekretär Alexis Kohler, gibt Sapin Frankreichs First Lady wieder.

Macron gibt dem Cartoonisten noch viele Rätsel auf. Der Präsident habe keine Ecken und Kanten, er sei „glatt“, so Sapin. Und wie hat Macron auf den Comic reagiert? Mit einer SMS, berichtet Sapin. Er habe gefragt, für wann Teil zwei geplant sei. (dpa)

Sabine Glaubitz

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