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Auf der Flucht: Eine Szene aus „Yellowstone“.

© Zwerchfell

Postapokalyptisches Comic-Abenteuer: Disketten-Jagd durch die zerstörte Zone

Im Science-Fiction-Thriller „Yellowstone“ präsentiert ein deutsches Comic-Duo ein intelligentes Verschwörungsszenario. Das Buch hat jedoch auch seine Schwächen.

Washington D.C. im Jahr 2042. Vor „DogTales“, seiner Lieblingsimbissbude, findet Noah Simmons eine Diskette, die ein vor der Polizei flüchtender Mann fallen ließ. Seine beste Freundin Lenny vermutet zu Recht, dass ihm da ein heißes Objekt mit brenzligen Informationen in die Hände gefallen ist, auf das die korrupte Regierung ebenso wie auch der „Widerstand“ erpicht sein könnte. Kurz darauf sind Agenten auch schon auf der Spur des ehemaligen Nationalgardisten Noah und machen Jagd auf ihn...

Bis zu diesem Punkt klingt die Inhaltsangabe der Graphic Novel „Yellowstone“ (Zwerchfell, 144 S., 18 €) nach einem temporeichen Actionthriller von der Stange. Doch die Handlung spielt sich in naher Zukunft ab, im Jahr 2042. Zu Anfang des Bandes wird der Leser – wie in Science-Fiction-Storys üblich – über die jüngere Historie aufgeklärt: Zehn Jahre sind seit einer Teil-Explosion des Yellowstone-Supervulkans vergangen.

Die ersten freien Wahlen nach der Katastrophe

Während die Bürger der betroffenen Gebiete des Mittleren Westens evakuiert und in die Küstenstaaten umgesiedelt wurden, wird die zerstörte sogenannte „Zone“ von der Regierung an Konzerne verpachtet, um dort Rohstoffe abbauen zu können. Einige Bürger weigerten sich jedoch, ihr Land zu verlassen und leben weiterhin dort. 2042 nun stehen erstmals nach der Katastrophe freie Wahlen in den USA an.

So weit, so komplex. Was hat die - in einer zukünftigen Epoche mehr als altertümlich erscheinende - Diskette mit dem Ereignis vor zehn Jahren zu tun? Enthält sie Geheiminformationen, die die vermeintliche Naturkatastrophe und die Rolle der US-Regierung in einem neuem Licht erscheinen lassen?

Alfred Hitchcocks aus vielen Thrillern (wie „39 Stufen“ oder „Der unsichtbare Dritte“) bekannter Erzählkniff „MacGuffin“ lässt grüßen: Ein nur grob umrissenes Geheimnis um ein beliebiges Objekt lässt mehrere Parteien die ganze Story hindurch danach jagen.

Überlebenskampf: Eine Szene aus „Yellowstone“.
Überlebenskampf: Eine Szene aus „Yellowstone“.

© Zwerchfell

Der Hamburger Autor Philipp Spreckels – Historiker und Autor verschiedener Radiostücke, Fantasy- und Computerspiele - hat für „Yellowstone“ ein ambitioniertes Zukunftsszenario erdacht, in dem eine Naturkatastrophe für politische und kommerzielle Interessen ausgebeutet wird. Dabei verflechtet er herkömmliche Sci-Fi-Thriller-Elemente mit der realen Bedrohung, der alle Menschen im Gebiet des Yellowstone-Nationalparks tatsächlich ausgesetzt sind, wenn auch der Zeitpunkt einer solchen möglichen Supervulkanausbruchs wissenschaftlich nicht vorherzusagen ist.

Die USA als korrupter Polizeistaat

In Spreckels Szenario liegt diese Katastrophe bereits in der Vergangenheit, die Menschen haben sich damit arrangiert. Der Fokus liegt auf den Figuren, insbesondere dem bärtigen, gutmütig wirkenden Noah, der in der Diskette eine reale Chance sieht, seine prekäre Existenz durch eine angemessene Belohnung dafür etwas aufzupäppeln. Es entwickelt sich eine Hatz, die ihn mit den „Aussteigern“ aus der Zone zusammenbringt und auch auf alte (Kampf-) Gefährten von der Nationalgarde treffen lässt.

Dieser Mix aus Sci-Fi, krachenden Actionszenen und ruhigen, humorigen Momenten dazwischen erinnert vage an populäre US-Filme und Comics des Genres, vor allem der 90er Jahre.

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Leider sind manche Charaktere etwas schematisch geraten, wie auch die Dialoge oft etwas hölzern klingen. Den Zeichnungen des 1982 geborenen, ebenfalls in Hamburg lebenden Dave Scheffel-Runte (auch HerrScheffel genannt) sieht man die Ambition an, etwas Besonderes aus dem Stoff erschaffen zu wollen, denn rund vier Jahre Arbeit steckte das Team in „Yellowstone“. Die Figuren sind pointiert, in klarem Stil gezeichnet und werden oft mit monochromen, leuchtenden Farben hervorgehoben, während der Hintergrund realistisch gezeichnet und in dunkleren, ebenfalls monochromen Farbtönen gehalten ist.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Zwerchfell

Das wirkt auf Dauer allerdings zu künstlich und ist vielleicht auf die - vermutlich - vorwiegend am Tablet ausgeführte Zeichenarbeit zurückzuführen. Auch das relativ kleine Format trägt dazu bei, dass manche zeichnerische Feinheit im Dunkel der Hintergründe verloren geht. Das in mehreren giftigen Neonfarben gestaltete Coverbild einer Gebirgslandschaft ist wiederum visuell faszinierend und erscheint überzeugender als das für Lese-Augen anstrengende Farbkonzept im Inneren des Buches.

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So wird der Lesefluss durch grafische Sperenzien ein wenig abgebremst. Die angestrebte visuell düstere Zukunftswelt einer USA als korrupter Polizeistaat ist erkennbar, kommt aber im kleinteiligen Seitenlayout nicht voll zur Geltung. Einzelne Action-Ballerszenen wirken in ihrer aufgesetzten Dynamik eher wie grafischer Aktionismus und erhöhen nicht immer die Spannung. Der Showdown am Ende bietet dennoch einige Überraschungen.

Trotz mancher Schwächen liest sich die Geschichte flott und verdient als Erstlingswerk Beachtung, allein schon dafür, ein intelligentes dystopisches Verschwörungsszenario auf glaubwürdige Weise durchgespielt zu haben.

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