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Seit 2017 ist #MeToo ein Synonym des Protests gegen sexuelle Übergriffe, hier ein Archivbild aus Los Angeles.

© Damian Dovarganes/AP/dpa

Update

Nötigung, Übergriffe, sexualisierte Gewalt: Weitere Missbrauchsfälle in der nordamerikanischen Comicszene

Mehrere Fälle von Übergriffen und anderem sexuell konnotiertem Fehlverhalten erschüttern die Comicszene. Verlage und Institutionen ziehen erste Konsequenzen.

Es werden immer mehr. Fast täglich werden derzeit neue Fälle bekannt, in denen prominente und  einflussreiche Vertreter der US-Comicszene ihre Position missbraucht haben, um Frauen zu sexuell zu nötigen, zu belästigen oder auf andere Weise übergriffig zu werden.

Der jüngste Fall ist der Comic-Redakteur Scott Allie, die mehr als 20 Jahre lang beim angesehenen Verlag Dark Horse gearbeitet hat. Er war dort für einige der wichtigsten Veröffentlichungen namhafter Autoren wie Mike Mignola („Hellboy“) und Gerard Way und Gabriel Bá („The Umbrella Academy“) zuständig.

Wie jetzt durch mehrere Postings seiner früheren Mitarbeiterin Shawna Gore auf Twitter bekannt wurde, hat Allie, der ihr übergeordnet war, sie im Laufe von 14 Jahren wiederholt körperlich angegriffen, sexuell belästigt, genötigt und unter Druck gesetzt, um eine Beziehung mit sich zu erzwingen.

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Ausführlich schildert sie eine sexuelle Nötigung auf dem Rücksitz eines Kleinbusses, mit dem sie und andere Kolleginnen und Kollegen nach einem Tag auf einem Comicfestival zu einem gemeinsamen Essen fuhren. Danach folgten zahlreiche weitere Situationen, in denen er sie bedrängte – wobei er immer in nüchternem Zustand war, wie sie mit Verweis auf Allies in seinem Umfeld bekanntes Alkoholproblem schreibt.

Da Shawna Gore sich im Lauf der Zeit zunehmend gegen seine übergriffige Verhaltensweise stellte, verlor sie wichtige Buchprojekte, die sie eigentlich betreuen sollte. Durch die Veröffentlichungen anderer Frauen in den vergangenen Tagen sah sich Gore ermutigt, ihre eigene Leidensgeschichte öffentlich zu machen. Daraufhin meldeten sich wiederum weitere ehemalige Kolleginnen, die von ähnlichen Erfahrungen mit Scott Allie berichteten.

„Ein schrecklicher Fehler meinerseits“

Das von Dark-Horse-Gründer Mike Richardson daraufhin veröffentlichte Statement zeigt, wie weit bei derartigen Fällen im Umfeld der Täter weggeschaut wird: „Ich wusste, dass er Alkoholprobleme hatte. Ich wusste auch, dass er äußerst rau mit seinen Mitarbeitern umging. Ich erlaubte, dass dies geschah. (…) Ein schrecklicher Fehler meinerseits, der Menschen Schaden zugefügt hat, der nicht wieder gutzumachen ist.“

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Der Verlagschef kündigte an, nicht mehr mit Allie zusammenzuarbeiten und ab sofort eine Null-Toleranz-Politik bezüglich Belästigung oder Missbrauch von Machtpositionen einzuführen. Es werde Schulungen für das Personal geben.

Die aktuell bekannt gewordenen Vorwürfe gegen Scott Allie sind allerdings nur das jüngste Beispiel für sein Verhalten. Bereits in zwei früheren Fällen haben andere Betroffene Übergriffen und Nötigungen durch ihn publik gemacht. Das berichten unter anderem die Website Hollywoodreporter.com und Comicbook.com.

[Mehr zum Thema sexuelle Belästigung von FrauenSexuelle Übergriffe gegen Frauen: Es wird Zeit, dass Männer über die eigene Übergriffigkeit reden!und Ich habe ihre Brüste berührt, ich weiß nicht, ob sie das wollte“: Etliche Frauen erzählen von erlebten Übergriffen. Und sechs Männer hinterfragen ihre Taten.]

Dennoch sei Allie weiter von Dark Horse beschäftigt worden, viele Jahre lang als Chefredakteur und zuletzt als freier Redakteur, der für besondere Projekte zuständig war. Zudem war er Co-Autor von Veröffentlichungen wie „Tales from the Umbrella Academy“ mit Gerard Way und der an „Hellboy“ angelehnten Serie „Frankenstein Undone“ mit Mike Mignola.

Es ist der jüngste Fall in einer ganzen Kette ähnlicher Vorgänge, die in den vergangenen Tagen öffentlich bekannt geworden sind. In der Regel meldeten sich einzelne Opfer einflussreicher Männer zu Wort und machten ihre Erfahrungen auf Twitter öffentlich – in mehreren Fällen gefolgt von zahlreichen anderen Frauen, die ähnliche Erfahrungen teilten.

Das erinnert an die #MeToo-Bewegung, in deren Rahmen Frauen seit 2017 ihre Erfahrungen mit Missbrauch und sexuell konnotierter Gewalt öffentlich gemacht haben.

„Ich spreche von Cameron Stewart“

Der erste Fall in dieser Reihe wurde vor zehn Tagen durch einen Tweet öffentlich gemacht. „Hallo. Dieser Beitrag über die Anmache [sie benutzt hier den Begriff being groomed, Anmerkung des Autors] als Teenager? Ich spreche von Cameron Stewart. Dem Comiczeichner. Wir trafen uns, als ich 16 war und er in seinen 30ern. Vielleicht 32? Es war 2009.“

Das schrieb die Künstlerin Aviva Maï Artzy, die auch als Model arbeitet, am 16. Juni auf Twitter in Anlehnung an einen vorigen Tweet von sich, in dem sie eine entsprechende Andeutung gemacht hat. „Wir flirteten per SMS und hatten ein Date. Im Jahr 2009. Als ich 16 Jahre alt war. Wir blieben lange Zeit 'Freunde' und er schrieb manchmal per SMS, dass er traurig sei, dass er seine Chance verpasst hatte, mich zu daten. Ein paar wirklich unangenehme Male.“

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Der von Artzy verwendete Begriff „being groomed“ kann in diesem Kontext die Verführung Minderjähriger aber auch die Vorbereitung entsprechender Handlungen bedeuten. Sexuelle Handlungen mit Minderjährigen unter 16 Jahren sind in den USA und Kanada verboten, in einigen US-Staaten liegt das Schutzalter, ab dem sexuelle Handlungen erlaubt sind, bei 17 oder 18 Jahren.

Cameron Stewart ist ein prominenter, mit Comicpreisen wie den Eisner-Awards ausgezeichneter Autor und Zeichner, der an namhaften DC-Serien wie „Batgirl“ und „Batman & Robin“ gearbeitet, die Comic-Adaption von „Fight Club“ gezeichnet und immer wieder auch eigene Projekte wie „Sin Titulo“ veröffentlicht hat. Er ist Kanadier, hat aber regelmäßig in anderen Ländern gelebt, unter anderem war er eine Zeitlang in Berlin zu Hause.

In zwei direkt auf die ersten beiden folgende Tweets schrieb Artzy dann weiter: „Ich habe lange gebraucht, um zu erkennen, was tatsächlich passiert war, was er tat und dass wir nie wirklich Freunde waren. Ich poste dies nur, weil er an vielen Comics gearbeitet hat, die sich direkt an junge Mädchen und Frauen richten, und ich möchte, dass sie wissen, was für ein Mensch er ist.“

Es habe zuvor keinen „richtigen Zeitpunkt“ gegeben, dies öffentlich zu machen, ergänzte sie dann noch. Den gebe es generell nicht. „Aber ich sage es trotzdem. Das ist es. Jetzt wisst Ihr’s.“

„Das ist mir auch passiert“

Daraufhin berichteten auch andere Frauen aus der nordamerikanischen Comicszene von ähnlichen Erfahrungen mit Cameron Stewart und anderen Männern.

„Hallo, ich auch. Ich war 19“, schrieb die Zeichnerin und Autorin Kate Leth als Antwort auf Artzys Tweets. „Es tut mir verdammt leid, dass er Dich in seinem Netz gefangen hat.“ Und weiter: „Ich möchte Aviva nur mit den Worten 'Das ist mir auch passiert' unterstützen. Ich war 19. Er war 32.“

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Sie sei mit Stewart befreundet geblieben: „Was soll man sonst machen, wenn man in einer Branche Erfolg haben will, und die älteren Männer die ganze Macht haben? Man bleibt dabei. Man nimmt es locker. Bis man es nicht mehr locker nimmt.“

Die frühere Journalistin Andrea Demonakos, die unter anderem mehrere Comicfestivals organisierte, schrieb kurz darauf in einem Tweet, Stewart sei in der Comicszene Torontos als „Raubtier“ (predator) bekannt gewesen. Auch andere Frauen schrieben, es sei ein offenes Geheimnis gewesen, dass er seinen Ruf und seine Stellung ausgenutzt habe, um jungen Frauen unangemessen nahe zu kommen und sexuelle Beziehungen einzugehen.

„Ich bin eine von 20 bis 30 Frauen, die er als junge Mädchen verführt hat, über ein Jahrzehnt und in mehreren Ländern“, schrieb kurz darauf die Autorin Evelyn Hollow auf Twitter über Stewart. Sie beschrieb in einer Reihe von Tweets, wie sie sich ihm gegenüber geöffnet und ihm von fehlgeschlagenen Selbstmordversuchen erzählt habe. Daraufhin habe er gesagt: „Wenn es nicht funktioniert hat, warum hast du es nicht sofort erneut versucht?“

Damals habe sie gedacht, er sei einfach unsensibel. Erst im Nachhinein habe sie verstanden, dass es Teil der Dynamik dieser Beziehung zu einem fast doppelt so alten Mann gewesen sei, den sie als Fan bewundert habe, und der diese Position ausgenutzt habe.

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Daraufhin bekam sie offenbar eine persönliche Antwort von Stewart, der in der Sache bisher ansonsten noch keine öffentliche Stellungnahme abgegeben hat. In seiner Nachricht an Hollow, die diese auf Twitter öffentlich machte, schrieb er, es tue ihm zutiefst leid, zu hören, dass sie gesagt habe, er habe sie zu einem Suizid ermuntert. Das könne nur ein Missverständnis gewesen sein.

Und dann schreibt er einen Satz, der auch so gelesen werden kann, als beziehe er sich auf die Vielzahl an weiteren Vorwürfen gegen sich: „Ich habe bereits mit einer Therapie begonnen, um mein Verhalten zu behandeln und hoffentlich zu korrigieren. Ich will keinen weiteren Schaden mehr anrichten und will für den Schaden büßen, den ich angerichtet habe.“

Einer von Stewarts wichtigsten Arbeitgebern, der Comic-Großverlag DC, bei dem die “Superman”, „Batman“ und andere Erfolgsserien erscheinen, zog inzwischen eine erste Konsequenz aus dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Zeichner: Die Website „Bleeding Cool“ berichtete vor ein paar Tagen, dass ein bisher nicht öffentlich angekündigtes Projekt mit Stewart gestoppt worden sei.

Auch ein Titelbild-Auftrag für einen Comic des Image-Verlages sei wegen der aktuellen Vorgänge abgesagt worden, berichtet die Website CBR.

Missbrauch von Macht, Einfluss und Abhängigkeitsverhältnissen

Stewart ist allerdings nicht der einzige prominente Vertreter der Comicszene, dem Fehlverhalten vorgeworfen wird. Ähnliche Berichte wurden in den vergangenen Tagen auch über weitere namhafte Akteure der nordamerikanischen Comicszene bekannt. Die Muster ähneln sich: Immer geht es um Missbrauch von Macht und Einfluss, um Abhängigkeitsverhältnisse und eine Kultur der toxischen Männlichkeit, die in bestimmten Bereichen wie der Comicszene nach wie vor verbreitet ist.

In der nordamerikanischen Comicszene, die in wirtschaftlicher Hinsicht wesentlich bedeutender ist als die deutsche Szene, sitzen traditionell viele Männer in Schlüsselpositionen und geben nach wie vor in vielen lukrativen Bereichen den Ton an. Gerade Neueinsteiger*innen in der Szene sind daher oft darauf angewiesen, mit Entscheidern und einflussreichen Kollegen ein gutes Verhältnis zu haben.

Der zweite prominente Fall, in dem ein Mann diese Position offensichtlich missbraucht hat, ist Warren Ellis. Der vor allem in den USA erfolgreiche britische Autor hat neben der vielgelobten Serie „Transmetropolitan“ zahlreiche andere Comics geschrieben, zuletzt „The Batman’s Grave“, zudem Romane und die Netflix-Serie „Castlevania“.
In den sozialen Medien berichteten mehrere Frauen in den vergangenen Tagen, Ellis sei in jungen Jahren auf sie zugekommen, habe ihnen als Mentor Hilfe angeboten und dann sexuelle Beziehungen mit ihnen begonnen – und das in einer Situation, in der sie versucht hätten, in die Branche einzusteigen und das Gefühl gehabt hätten, nicht „Nein“ sagen zu können.

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In einer privaten Social-Media-Gruppe, die die Autorin Jhayne Holmes organisiert hat, haben sich nach ihren Angaben bisher 60 Frauen zu Wort gemeldet, die ähnliche Erfahrungen mit Ellis gemacht haben.

Anders als Cameron Stewart nahm Warren Ellis in einem öffentlichen Statement auf Twitter Stellung zu den Vorwürfen. Er habe „noch nie jemanden bewusst gezwungen, manipuliert oder missbraucht, noch habe ich jemals jemanden angegriffen“, schrieb er. Allerdings sei er ignorant gewesen: „Ich habe viele Menschen verletzt, die ich nicht verletzen wollte. Ich bin schuld. Ich übernehme die Verantwortung für meine Fehler. Ich werde es besser machen, und dafür entschuldige ich mich.“

Eine personelle Konsequenz - nach 14 Jahren

Im Zuge dieser Vorfälle wurde auch ein weiterer Fall sexuell konnotierten Fehlverhaltens in der US-Comicszene erneut öffentlich thematisiert. Charles Brownstein, der Geschäftsführer der Organisation Comic Book Legal Defense Fund (CBLDF), war vor 14 Jahren des sexuellen Missbrauchs beschuldigt worden, was damals viel öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Dennoch blieb Brownstein an der Spitze der Organisation, die sich für den Schutz der Meinungsfreiheit und gegen die Zensur von Comics und andere Einschränkungen einsetzt.

Brownstein hatte mehreren Berichten von US-Medien zufolge 2005 eine Comiczeichnerin während eines Comicfestivals angegriffen und sexuell bedrängt. Das führte damals auch zu einer Anzeige, eine Verhaftung fand jedoch laut Polizei „mangels Beweisen“ nicht statt. Brownstein bezeichnete den Vorfall als „einen dummen, betrunkenen Streich, für den ich mich schäme“ – und blieb auf seiner Position beim CBLDF.

Nun wurden die Vorwürfe erneut zum Thema auf Comic-Plattformen und in den sozialen Medien. Diesmal mit einem direkten Ergebnis: Der Comic Book Legal Defense Fund erklärte vor drei Tagen, dass Brownstein als Geschäftsführer zurückgetreten sei.

Wieder und wieder wurde sie auf einem Festival bedrängt

Der jüngste Fall ist der US-Autor und Zeichner Jason Latour, der sich unter anderem als Erfinder der Figur Spider-Gwen einen Namen gemacht hat. Wie die Comic-Website „The Beat“ berichtet, werfen mehrere Frauen ihm vor, sie belästigt und bedrängt zu haben. Darunter die Künstlerin Lauren Tracey, die ihre Erlebnisse in einem umfangreichen Posting auf Twitter schildert.

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Latour antwortete in einem inzwischen gelöschten Tweet, den „The Beat“ zitiert: Er könne die Vorwürfe nicht leugnen, weil er sich nicht daran erinnere. Zudem bat er für sein Verhalten um Entschuldigung.

In der Folge berichteten zahlreiche weitere Frauen von ähnlichen Erlebnissen mit Latour. Die Künstlerin Hannah Blumenreich berichtet, wie Latour sie im Rahmen einer gemeinsamen Arbeit an „Spider-Gwen“ erniedrigend behandelt habe und sie in der Folge die Arbeit an dem Projekt verloren habe.

Erfahrungsberichte aus Deutschland

Das Bekanntwerden der Vorfälle und die Debatte darüber haben auch in der deutschen Comicszene dazu geführt, dass Betroffene von Fällen sexuell konnotiertem Fehlverhaltens und Machtmissbrauch berichteten.

„Diese ganze Diskussion über sexuelle Raubtiere und being groomed in der Comic-Branche hat mich erneut erschüttert“, schrieb nun die Kölner Autorin und Zeichnerin Sarah Burrini („Das Leben ist kein Ponyhof“) auf Twitter als Reaktion auf die jüngsten aus Nordamerika bekannt gewordenen Fälle. Ihre Tweets verfasste sie auf Englisch, da ein Großteil der Twitter-Debatte international geführt wird.

Sie habe gerade einen Tagebucheintrag über ihre erste Teilnahme an einem Comicfestival mit 20 Jahren noch einmal gelesen, schrieb Burrini weiter. „Und er ist nicht schön.“ Damals habe es niemanden, mit dem man darüber reden konnte. „Ich nahm auch an, dass die Dinge eben so sind.“ Das Gute sei, dass jetzt darüber gesprochen werde. „Und wir werden weiter darüber reden. So bauen wir ein Netzwerk für zukünftige Generationen auf.“

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In zwei späteren Tweets vom 23. Juni schreibt Burrini mehr zum Thema: „Man kann seinen Verlag, sein Animations/Spiele-Studio nicht diverser machen und die Raubtiere, Homophoben oder Rassisten behalten. Man muss sie loswerden, sonst wirft man die Neulinge den Haien vor. Ich kenne deutsche Animationsstudios/Verlage, die nicht einmal annähernd das volle Ausmaß des Schadens verstehen, den sie durch dieses Nichthandeln verursachen. Sie denken, dass sie eine Ausnahme sind und all diese Geschichten, die hier geteilt werden, passieren woanders. Schaut genauer hin!“

Jörg Faßbender, Comic-Verleger, Übersetze und Betreiber des Independent-Comicvertriebs Kwimbi, schreibt auf Twitter von weiteren Erfahrungsberichten aus der deutschen Szene, die aber kaum je an die Öffentlichkeit kämen: „Man hört Storys, weiß aber nie was aus erster Hand. Jede Frau, die ich kenne, kann aber mindestens blöde Storys von sagen wir *seltsamen* Begegnungen bei Verlagen erzählen, komischem Umgang, nicht der Position, weil in einer Machtposition stehenden, angemessenem Umgang etc.“

Auch hierzulande hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Kritik an der männlichen Dominanz in Schlüsselpositionen sowie den Vorwurf der Diskriminierung gegeben.

So war im Sommer 2018 eine Auseinandersetzung um die überwiegend männliche Besetzung der Jury für den Independent-Comic-Preis des Interessenverbands Comic (ICOM) eskaliert. Angestoßen hatte die Debatte die ehemalige ICOM-Jurorin und Comic-Aktivistin Eve Jay.
Der Konflikt, Sexismus-Vorwürfe gegen die Initiatoren des Preises vom Interessenverband Comic sowie vor allem die Reaktion des Vorsitzenden Burkhard Ihme unter anderem im von ihm herausgegebenen „COMIC!-Jahrbuch“ führten damals zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Szene, die über Social-Media-Kanäle und besagtes Jahrbuch teilweise öffentlich ausgetragen wurden. Hier ging es jedoch in erster Linie um Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und des angemessenen Umgangs miteinander, nicht um vergleichbare Handlungen wie in Nordamerika.

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