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Und Action! Eine Szene aus dem ersten Band von „Asadora!“.

© 2019 Naoki URASAWA / SHOGAKUKAN

Neue Serie von Manga-Star Naoki Urasawa: Von einer Katastrophe zur nächsten

Naoki Urasawa verknüpft in seiner neuen Manga-Serie „Asadora!“ Zeitgeschichte mit Fantastischem.

Naoki Urasawa („Billy Bat“, „20th Century Boys“) ist einer der begnadetsten Geschichtenerzähler im derzeitigen Mangauniversum. Besonders gut versteht er sich darauf, sein Lesepublikum auf Zeitreisen zu schicken. Sein jüngstes Werk „Asadora!“ (aus dem Japanischen von Miyuki Tsuji, Carlsen, bislang ein Band, 208 S., 12€) führt zu Beginn ins Jahr 1959 – fünf Jahre bevor Japan Gastgeberland der Olympischen Spiele wurde.

Mienenspiel: Eine Szene mit den beiden Hauptfiguren von „Asadora!“.
Mienenspiel: Eine Szene mit den beiden Hauptfiguren von „Asadora!“.

© 2019 Naoki URASAWA / SHOGAKUKAN

Die zwölfjährige Asa, die sich als eins von zahlreichen Geschwistern mit großer Klappe durchzusetzen weiß, ist auf der Suche nach einem Arzt für ihre Mutter, die gerade erneut in den Wehen liegt. Als sie auf ihrem Weg durch die Straßen Nagoyas Zeugin eines Diebstahls wird, lernt Asa den ehemaligen Luftwaffenpiloten Kasuga kennen.

Kurz darauf erschüttert eine der schlimmsten Unwetterkatastrophen des 20. Jahrhunderts, der Isewan-Taifun, die Region und setzt sie unter Wasser. Asa und Kasuga werden im Folgenden zu einem ungleichen, aber unschlagbaren Rettungsteam für die Überlebenden.

Trotz des düsteren Themas machen die beiden Hauptfiguren die historische Erzählung zu einer rasanten und energiegeladenen Abenteuerkomödie. Freche Dialoge und markige Charaktere lassen der Leserschaft kaum Zeit, sich in Trauer über die Katastrophe zu verlieren.

Seicht wird es trotzdem nicht. Dafür sorgt Urasawas herausragendes zeichnerisches Talent, insbesondere wenn es um Details geht. Seitenfüllende Landschaftsbilder lassen am Ausmaß der Verwüstungen keinen Zweifel, mit demselben Ausmaß an Detailverliebtheit behandelt der Zeichner auch die Hintergründe in seinen Panels.

Feiner Strich, nuancierte Emotionen

Wo andere Mangaka sich auf Storyline oder Charakterentwicklung fokussieren, hat Urasawa immer die Gesamtwirkung seiner Werke im Blick. Nagoya in den 1950er Jahren ist bei ihm keine Behauptung, die das Publikum mit eigener Imagination ausschmücken darf – er lässt es tatsächlich in diese Zeit eintauchen.

Eine weitere Seite aus „Asadora!“.
Eine weitere Seite aus „Asadora!“.

© 2019 Naoki URASAWA / SHOGAKUKAN

Urasawas Art, die Emotionen seiner Hauptfigur zu vermitteln, macht es zudem leicht, sich schnell mit der für ihr Alter so ungewöhnlich toughen Heldin identifiziert. Auch wenn die Gesichter der Figuren auf den ersten Blick schematisch einfach wirken, gelingt es Urasawa mit feiner Strichführung, unterschiedlichste Gefühlsnuancen zu vermitteln. So spiegelt sich im Gesicht der zwölfjährigen Asa kindlich-naive Zuversicht ebenso eindrucksvoll wider wie tiefe Verzweiflung angesichts des Verlusts von Heimat und Sicherheit.

Fast ein wenig plump mutet demgegenüber zunächst die übersinnliche Ebene an, die zum Ende des ersten Bandes angedeutet wird. Der Autor führt hier einen Plot-Twist ein, der in seiner Absurdität seltsam fehl am Platz wirkt. Es bleibt abzuwarten, ob Urasawa diesen Handlungsstrang in kommenden Bänden gut aufzulösen weiß.

Naoki Urasawa.
Naoki Urasawa.

© Carlsen

Seine bisherigen Werke lassen diesbezüglich hoffen. Denn auch die halten sich nur selten an die Gesetze der Realität, ohne dabei in Klamauk zu verfallen. Die vielfach ausgezeichnete Reihe „Billy Bat“ etwa spielte mit verschiedenen Realitäts- und Zeitebenen: Ein Manga im Manga zog die Hauptfigur immer weiter in eine parallele Comicwelt, die die Realität schon seit Jahrtausenden durchdrungen zu haben schien und von Rassismus in den USA der 1950er Jahre über Neuinterpretationen biblischer Geschichten so manches kontroverse Thema mit viel Humor behandelte.

Oder die episch anmutende Mangaserie „20th Century Boys“, in der eine Gruppe von Freunden zwischen Ende der 1960er und Mitte der 1990er Jahre es mit einer okkulten Sekte zu tun bekommt, die nichts weniger als die Weltzerstörung im Sinn hat. Urasawa spielte hier zugleich mit nostalgischen wie Science-Fiction-Elementen.

Tokio und seinem Olympiastadion droht 2020 eine Katastrophe

Auch Urasawas Science-Fiction-Epos „Pluto“ aus den Jahren 2003 bis 2009, mit dem er seine eigene Interpretation von Osamu Tezukas Klassiker „Astro Boy“ schuf, überzeugte durch überragende Zeichenkunst, meisterhaftes Storytelling und immer wieder einen gekonnten erzählerischen Seitenhieb auf die damaligen realen politischen Verhältnisse zwischen den USA und dem Irak.

Das Titelbild des ersten Bandes von „Asadora!“.
Das Titelbild des ersten Bandes von „Asadora!“.

© Carlsen

In „Asadora!“ scheinen die Olympischen Spiele in Tokio - im Jahr 1964 sowie geplant im Jahr 2020 und wegen Corona letztlich verschoben - eine wichtige Rolle zu spielen. Eine rätselhafte Anfangsszene, in der Tokio und sein Olympiastadion im Jahr 2020 von einer Feuerkatastrophe bedroht sind, weist darauf hin, dass Urasawa den zeitlichen Bogen auch diesmal weit spannen wird.

So ist womöglich auch in „Asadora!“ mit subtilen Kommentaren zur politischen Gegenwart, in diesem Fall in Urasawas Heimatland Japan, zu rechnen. Das würde der Geschichte gut tun und sie vielleicht in eine Reihe mit seinen vorigen Meisterwerken stellen. Sollte der kritische Bezug zur Realität ausbleiben, bietet die Wiederbelebung des historischen Ambientes aber zumindest viel Stoff für unterhaltsame und ästhetisch sehr ansprechende Lesestunden.

In Japan sind bisher sechs Bände erschienen, abgeschlossen ist die Reihe noch nicht.

Julia Frese

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