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Kinderdetektive im Einsatz: Eine Szene aus „Ulf und das Rätsel um die Neue“.

© Kibitz

Neue Kindercomics: Nachschub für den Nachwuchs

Immer mehr Verlage setzen auf Kindercomics. Die jüngste Neugründung geht mit fünf deutschen Eigenproduktionen an den Start.

Unter dem Marketingbegriff „Graphic Novel“ haben sich in den vergangenen Jahren hochwertig aufgemachte Comics für Erwachsene in Buchform im Handel und im Feuilleton etabliert. Nun setzen immer mehr Verlage auf einen ähnlichen Trend bei Kindercomics.

Jüngster Neuzugang ist der Berliner Kibitz-Verlag. Dessen Gründer Michael Groenewald und Sebastian Oehler kennen ihr Metier: Sie waren zuvor bei Reprodukt tätig, wo bereits seit 2013 Comics erscheinen, die sich an Kinder im Vor- und Grundschulalter richten.

Kibitz hat eine ähnliche Zielgruppe im Auge, dennoch ist die Verlagspolitik etwas anders. Bei Reprodukt setzt man mit Reihen wie „Kleiner Strubbel“ und „Ariol“ auch auf Lizenzen aus Frankreich; Kibitz will dagegen nur Originaltitel herausbringen.

Das ist nicht ohne finanzielles Risiko und für einen Verlag dazu mit deutlich mehr Arbeit verbunden. „Es macht aber auch weit mehr Spaß“, versichert Groenewald im Gespräch. „Auf diese Weise kann man ein Projekt von seinem Anfang bis zur Publikation begleiten. Außerdem gibt es bei uns so viele tolle Talente, die viel zu selten für Kinder arbeiten.“

Ausschließlich auf die einheimische Szene will Kibitz jedoch nicht zurückgreifen; so ist man schon mit einer spanischen Künstlerin im Gespräch.

Kiste, Kauz und Kinderdetektive

Zum Verlagsstart liegen fünf Bände vor. Anke Kuhl schildert in „Geniale Geschenke“ (24 S., 10 €) in 23 ganzseitigen Bildern die Freundschaft zwischen einem zierlichen Salamander und einem krümelmonsterartigen Kauz.

Beste Freunde stehen auch im Mittelpunkt der Serie „Kiste“ von Patrick Wirbeleit (Text) und Uwe Heidschötter (Zeichnungen); die ersten vier Bände sind bei Reprodukt herausgekommen. Kiste ist eine magische Werkzeugkiste und kann aus seinem Innern alles Mögliche hervorzaubern, stiftet aufgrund seines kindlichen Gemüts aber jede Menge Unsinn, auch und gerade, wenn er seinem jungen Freund Mattis helfen will.

In „Mathemagie“ (96 S., 15 €) hat Mattis große Probleme mit einer Hausaufgabe in Rechnen. Ein Zauberelixir, das Kiste ihm besorgt, schafft Abhilfe, besitzt dann aber eine unangenehme Nebenwirkung, die den Jungen von einer Bredouille in die nächste rutschen lässt.

Wie bisher jeder „Kiste“-Band ist dieser wieder ein Vergnügen, auch wegen Heidschötters klarer, ruhiger Zeichnungen; die Wechselfälle der Handlung spiegeln sich vor allem in der Mimik der Figuren wider.

Eine Szene aus „Haus Nr. 8“.
Eine Szene aus „Haus Nr. 8“.

© Kibitz

In „Haus Nr. 8“ (104 S., 15 €), ebenfalls von Wirbeleit verfasst und gezeichnet von Sascha Wüstefeld, geht es dagegen in jeglicher Hinsicht turbulent zu. Der kleine Tim zieht mit seinen Eltern in ein altes Haus am Stadtrand, das, wie sich herausstellt, einige Geheimnisse birgt. Und das ist nicht alles: Auch Tims Eltern haben etwas zu verbergen.

Sascha Wüstefeld war, zusammen mit Ulf S. Graupner, für „Das UpGrade“ verantwortlich, eine leider unvollendet gebliebene Serie über den einzigen Superhelden der DDR. An deren visuelles Konzept schließt „Haus Nr. 8“ an. Wüstefeld kreiert eine psychedelische Version der „Mosaik“-Ästhetik, die wirkt, als hätten Hannes Hegen und Bugs-Bunny-Schöpfer Chuck Jones sich nach Einnahme diverser Rauschmittel gemeinsam an den Zeichentisch gesetzt.

„Selma tauscht Sachen – Hundeleben“ (88 S., 15 €) von Martin Baltscheit (Text) und Anne Becker (Zeichnungen) adaptiert das aus Filmkomödien bekannte Bodyswitch-Muster. Hier ist es die kleine Selma, die sich vor Hunden fürchtet, dann aber mit einem Pudelmischling den Körper tauscht, was für beide Seiten ganz ungewohnte Erfahrungen mit sich bringt.

In „Ulf und das Rätsel um die Neue“ (136 S., 18 €), geschrieben und gezeichnet von Tanja Esch, setzt sich eine Bande von Kinderdetektiven auf die Spur einer Mitschülerin, die von ihnen als merkwürdig wahrgenommen wird. Handelt es sich bei Uli und ihren freakigen Eltern vielleicht um als Menschen getarnte Aliens?

Indem Esch auf komische Weise vorführt, wie sich Misstrauen aufgrund vager oder angeblicher Indizien zu wahnhaftem Verkennen der Wirklichkeit steigern kann, enthält ihr Comic eine unaufdringlich vermittelte aufklärerische Botschaft.

Selbst Erlebtes und Superhelden

Zu den herausragenden Comics für ein junges Publikum, die andere Verlage in jüngster Zeit veröffentlicht haben, zählt „Manno! Alles genau so in echt passiert“. Die Kindheitserinnerungen von Anke Kuhl sind eine humorvolle autobiografische Zeitreise in die 1970er, jene ferne Epoche, als noch drei Generationen unter einem Dach lebten und sowohl Mama als auch Papa ihre Frisuren mit jeder Menge Haarspray in steifer Form hielten (Klett, 136 S., 16 €).

Superhelden sind in jüngster Zeit ebenfalls in für Kids und Teens gestalteten Formaten unterwegs. Die entsprechenden DC-Titel hält Panini bereit, darunter das Harley-Quinn-Abenteuer „Breaking Glass“ (208 S., 16,99 €), geschrieben von Mariko Tamaki („Ein Sommer am See“).

In den USA ein Bestseller: Eine Szene aus „Dog Man“.
In den USA ein Bestseller: Eine Szene aus „Dog Man“.

© Adrian-Verlag

Ein ungewöhnlicher Superheld ist die Hauptfigur in Dav Pilkeys „Dog Man“ (Adrian, bisl. fünf Bände, je rd. 240 S., je 9,99 €). Das beginnt wie eine Cartoon- Version von Frankenstein: Ein dummer, schwer verletzter Polizist bekommt den Kopf seines intelligenten Diensthundes transplantiert – das Ergebnis ist ein Supercop, wie ihn die Stadt noch nicht gesehen hat. In den USA ist „Dog Man“, das von den bewusst kindlichen Zeichnungen und auch vom Humor her an „Gregs Tagebuch“ erinnert, ein Millionenseller.

Christoph Haas

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