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In der Hütte des Zauberers: Eine Szene aus „Aldobrando“.

© Carlsen

Mittelalter-Saga „Aldobrando“: Happy End darf auch mal sein

In dem kurzweiligen Märchen „Aldobrando“ zeigt sich Comicerzähler Gipi („Die Welt der Söhne“) überraschend harmoniefreudig und konventionell – mit Erfolg.

Aldobrando ist ein Pechvogel: Erst verletzt der tollpatschige Zauberlehrling seinen Meister bei der Zubereitung eines Zaubertrankes, dann stolpert er auf der Suche nach einem Heilkraut über den Mörder des Königssohns, wird selbst für den Mörder gehalten, soll hingerichtet werden und verliebt sich auch noch in die Prinzessin.

Aufgewachsen als Waise hat er keine Ahnung von der Welt, vom Kämpfen, von der Liebe oder der Verschlagenheit der Menschen. Aber er hat die drei Dinge, die spätestens seit „Herr der Ringe“ zur Grundausstattung aller Held:innen gehören, und seien sie noch so unscheinbar: Mut, ein gerechtes Herz und einen geheimnisvollen Ring an einer Kette…

Es ist eine Freude dabei zuzusehen, wie die italienischstämmigen Comickünstler Gipi („Die Unschuldigen“) und Luigi Critone („Der Skorpion“) in „Aldobrando“ (Carlsen, S. 208, 28 €) wirklich keine Zutat auslassen, die eine zünftige Fantasy-Story so braucht: Degenerierte Adlige, grausame Inquisitoren, flüchtige Sklavinnen, prahlerische Möchtergern-Ritter, hinterhältige Intrigen, Gefängnis-Ausbrüche, brutale Arena-Kämpfe und jede Menge offener Rechnungen. Überaus vorhersehbar, aber dennoch charmant.
Anders als heute im Genre oft üblich, kommt der Comic weder als düsteres Schlachtgemälde noch als selbstironische Parodie daher, sondern ganz klassisch als warmherzige Entwicklungs-Geschichte: In Windeseile muss sich Aldobrando vom Taugenichts zum Retter des Königreichs emporarbeiten, obwohl alles gegen ihn spricht.

Doch unerschütterlich pocht er auf Gerechtigkeit - dass das beim Lesen immer wieder ungewohnt anmutet, zeigt, wie sehr man sich (in Realität und Fiktion) mit der allgegenwärtigen Ungerechtigkeit der Mächtigen abgefunden hat.

Ritter von trauriger Gestalt: Eine Szene aus „Aldobrando“.
Ritter von trauriger Gestalt: Eine Szene aus „Aldobrando“.

© Carlsen

Während viele Fantasy-Geschichten à la „Game of Thrones“ nicht mit Darstellungen von Gewalt und nackter Haut geizen, kommt „Aldobrando“ wohltuend altmodisch daher: Texter Gipi und Zeichner Critone verzichten auf Splatter- und Sex-Szenen und besinnen sich stattdessen auf Atmosphäre und Story.

Jedes Panel wirkt wie ein kleines Gemälde

Die Charaktere haben nicht viel Tiefe, sind aber dennoch liebenswert, selbst die Bösewichte bleiben verhältnismäßig menschlich (und werden am Ende gerecht bestraft).

Heimlicher Star des Comics sind die herrlichen Kolorierungen von Francesco Daniele und Claudia Palescandolo: Verregnete Nächte, lichte Wälder, verschneite Landschaften, dunkle Kerker, von flackernden Feuer beleuchtete Gemächer - jedes Panel wirkt wie ein kleines Gemälde.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Carlsen

Vergleicht man den Comic mit anderen Arbeiten von Gipi, etwa dem Endzeit-Drama „Die Welt der Söhne“ oder den düsteren „Aufzeichnungen für eine Kriegsgeschichte“, dann überrascht derheiternhalt von „Aldobrando“, seiner ersten Veröffentlichung bei Carlsen.

Doch auch ein Gipi will manchmal einfach nur ein kurzweiliges Märchen mit tapferen Held:innen, finsteren Schurk:innen und einem Happy End erzählen. Und ganz ehrlich: Auch wir lesen solche Märchen manchmal ganz gerne.

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