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Alles ist möglich. eine Doppelseite aus „Kakegurui“.

© Altraverse

Manga-Serie „Kakegurui“: Spiel ohne Grenzen

Im Manga „Kakegurui – Das Leben ist ein Spiel“, der als Anime auch auf Netflix zu sehen ist, entwerfen Homura Kawamoto und Toru Naomura das Bild einer erbarmungslosen Klassengesellschaft.

Eine hierzulande eher außergewöhnliche Thematik hält der junge Manga-Verlag Altraverse in seinem Startprogramm bereit.  In der in Japan bislang in neun Bänden noch nicht abgeschlossenen Serie „Kakegurui – Das Leben ist ein Spiel“ von Autor Homura Kawamoto und Zeichner Toru Naomura stört eine neue Schülerin das Machtgefüge an der traditionsreichen Hyakkaou-Akademie, an der die soziale Stellung von Sieg und Niederlage in den verschiedensten Glücksspielen abhängt. Bisher ist ein Band in deutscher Sprache erhältlich, Ende Juli erscheint der zweite.

Hier lernen die Elite-Kids etwas fürs Leben

Die 122 Jahre alte Hyakkaou-Privatakademie wird nur von den Sprösslingen der einflussreichsten Personen aus Politik und Wirtschaft besucht. An dieser Elite-Schule zählen darum auch weder Noten noch Aussehen. Es geht einzig um die Stärke im Glücksspiel und dazu gehören taktisches Geschick, List und Entschlossenheit – eine realistische Vorbereitung auf das spätere Leben der Elite-Kids. Eine entsprechende Finanzkraft ist natürlich ebenfalls von Vorteil, denn wer die horrenden Spenden an den tonangebenden Schülerrat nicht in entsprechender Höhe leisten kann, der wird zu einem erniedrigenden Dienerdasein als „Haustier“ verdammt.

Als sich die hübsche Yumeko als neue Schülerin vorstellt, wittert ihre einflussreiche und gefürchtete Klassenkameradin Mary, die zuletzt Klassensprecher Ryota zum Haustier degradierte, eine weitere Chance, sich jemanden zu verpflichten. Sie fordert Yumeko zu einer Partie „Wahl, Schere, Stein, Papier“, einem eigens von der Klasse kreierten Spiel.

Zockerfreuden. Eine weitere Doppelseite aus dem besprochenen Buch.
Zockerfreuden. Eine weitere Doppelseite aus dem besprochenen Buch.

© Altraverse

Doch was dann folgt, damit hat keiner gerechnet. Auch nicht Ryota, der die Neue in die Gepflogenheiten der Schule eingeweiht hatte und noch versucht, das Spiel zu stoppen. Yumeko stellt sich als furchtlose Zockerin heraus, die nicht nur ihre Gegenüber und deren Tricks blitzschnell durchschaut. Sie ist fasziniert vom Nervenkitzel, setzt seelenruhig riesige Summen und scheut keinerlei Risiko! Wie lange wird ihr das Glück hold sein?

Die Geschichte von Homura Kawamoto, der in Japan für ebenso actionreiche wie psychologisch interessante Mangas wie „Rengoku Deadroll“ verantwortlich zeichnet, entwirft in „Kakegurui“ eine erbarmungslose Klassengesellschaft, deren Geheimnisse und moralisch fragwürdigen Funktionsweisen nach und nach ans Tageslicht gezerrt werden. Mit Yumeko demontiert eine junge Frau das System, die weder als klassische Heldin für Gerechtigkeit sorgen will noch Interesse an den zu erspielenden Vorteilen hat. Die intelligente Schülerin lebt schlicht und einfach fürs Zocken. Ihr zur Seite stellt der Autor den linkischen Ryota, der sich eher durch Zufall mit der Spielernatur anfreundet und zumindest beim ausführlichen Erläutern der oftmals komplexen Regeln eine gute Figur macht.

Poker, tödliche Duelle und Tarot

Die zum Teil stark abgewandelten, abwegigen Spiele reichen von Kinderklassikern wie Memory über traditionsreiche Spiele wie Poker und Roulette bis hin zu tödlichen Duellen, Tarot und Idol-Contests – und gehen oftmals mit absurden Einsätzen wie Fingernägeln ins Extrem. Auch die anderen Handelnden wie Mary und die illustren Schülerratsmitglieder zeichnen sich durch starke, manchmal recht stereotype Persönlichkeiten aus.

Zeichner Toru Naomura untermalt das mit individuellen Gesichtszügen und ausgeprägter Mimik. Seine Artworks entstehen zum großen Teil digital, was dem Werk einen thematisch passenden Hochglanz-Casino-Look verleiht, der fast ein wenig zu steril daherkommt.

Der Mangaka bedient sich bei seiner Bildsprache klassischer Filmtechniken wie dem Heranzoomen wichtiger Bildausschnitte aber – und hier findet man große Ähnlichkeiten zu bekannten Sport- und Brettspiel-Mangas wie „Hikaru no Go“ – auch traditionellen Schuss-Gegenschuss-Schnitten.

Das Cover des ersten Bandes von „Kakegurui“.
Das Cover des ersten Bandes von „Kakegurui“.

© Altraverse

Und so bot sich eine Adaption als Anime geradezu an. Die erste Staffel der Kakegurui-TV-Serie von Studio MAPPA, welche die ersten fünf Bände des Mangas in einem von Kawamoto entworfenen, exklusiven Finale gipfeln lässt, ist hierzulande bereits seit Februar deutsch synchronisiert via Netflix zu sehen. In Japan wurde sogar schon eine zweite Staffel angekündigt. Außerdem strahlte J-TV dort im Frühjahr eine zehnteilige Live-Action-Serie aus.

Neben der Originalserie wurden in Japan mehrere Spin-offs zur Hyakkaou-Privatakademie veröffentlicht. Das mittlerweile sechs Bände starke „Kakegurui Twin“ (Zeichner: Kei Saiki) beleuchtet den Werdegang der zunächst unsympathischen Anti-Heldin Mary und spielt somit vor Yumekos Schulbesuch. „Kakegurui Midari“ (Zeichner: Yuichi, Hiiragi) widmet sich indes in aktuell zwei Bänden dem gleichnamigen, masochistisch-exzentrischen Schülerratsmitglied. Zudem existiert ein derzeit drei Bände starker Vier-Panel-Comedy-Ableger von Taku Kawamura.

Wenn „Kakegurui – Das Leben ist ein Spiel“ erfolgreich läuft, stehen die Chancen übrigens gut, dass Altraverse auch den einen oder anderen Ableger nach Deutschland bringt. Doch für eine Prognose ist es derzeit noch zu früh.

Jedenfalls sollte, wer Titel wie „No Game no Life“ sowie exzentrische Play-or-Die-Plots mag, ein Spielchen mit Yumeko wagen. Bei aktuell neun Bänden ist das jedoch zumindest in einer Hinsicht auch für das Publikum ein Glücksspiel: Ob der Manga konstant die Spannung halten wird oder das Thema irgendwann seinen Reiz verliert, ist derzeit noch nicht abzusehen.

Homura Kawamoto und Toru Naomura: Kakegurui – Das Leben ist ein Spiel, Altraverse, bislang 1 Band, 252 S., 7 €. Band 2 erscheint am 26. Juni 

Sabine Scholz

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