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Alter Egos: Die Hauptfiguren aus „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Manga gegen Mobbing: „Ich musste ein paar Dinge aufarbeiten“

Daniela Winkler alias Horrorkissen verarbeitet in „#plüschmond“ Mobbing-Erfahrungen. Im Interview spricht die Zeichnerin über die Hintergründe der Manga-Reihe.

Beleidigt, ignoriert, physisch angegriffen – viele junge Menschen werden im Laufe ihrer Schulzeit oder später im Arbeitsleben Opfer von Mobbing, Cybermobbing und Gewaltvorfällen. Die meisten dieser Angriffe finden im Verborgenen statt. Nur selten wissen Lehrer oder Erziehungsberechtigte Bescheid.

Eine Comic-Heldin macht jetzt auf das Problem aufmerksam: Manuela ist einer erschreckenden Mobbing-Spirale und Drangsalierungen ausgesetzt. An jedem Morgen klopft ihr Herz bis zum Hals, wenn sie an die drohenden Schikanen ihrer Mitschüler denkt. Wie das junge Mädchen mit den fortwährenden Gemeinheiten umgeht, was ihr hilft und welche Folgen derartige Ereignisse haben, zeigt der Manga „#plüschmond“ (altraverse, bislang drei Bände, je 112 S., je 6 €) eindringlich.

Ausgezeichnet mit dem AnimaniA-Award

Mit der vorwiegend digital erstellten Comicreihe haben Zeichnerin Daniela Winkler alias Horrorkissen und der deutsche Manga-Verlag altraverse bei der Generation Z offenbar einen Nerv getroffen. Die einfühlsame Geschichte wurde zuletzt in der Sparte „Bester Manga National“ mit dem AnimaniA-Award ausgezeichnet, dem Publikumspreis von Deutschlands größtem Magazin für Animes, Mangas und japanische Kultur. Rund 15.000 Personen wählten ihre Favoriten in 13 Kategorien.

Horrorkissen bildet in „#plüschmond“ die Lebensrealität in unseren Breiten lebender Heranwachsender facettenreich und mit einem guten Gefühl für Jugendsprache ab. Ihr Zeichenstil passt zur jugendlichen Zielgruppe: Klare, markante Outlines und ein übersichtliches Seitenlayout werden jeweils den unterschiedlichen Schauplätzen angepasst.

Abseits des Schulalltags sucht Manu Zuflucht in „Stargaze Warriors“, einen Online-Game. Hier kann das Mädchen die Demütigungen für kurze Zeit vergessen und findet einen neuen, nicht ganz ehrlichen Freund.

Eine Szene aus dem ersten Band von „#plüschmond“.
Eine Szene aus dem ersten Band von „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Die in der digitalen Welt spielenden Szenen kommen deutlich comichafter und abstrahierter daher als die in der Realität angesiedelten Passagen. Das zeitlose Jugenddrama birgt großes Identifikationspotenzial für die angesprochene Altersgruppe.

Es ist die bislang persönlichste Geschichte der Künstlerin, in die sie nicht nur eigene Erfahrungen, sondern auch die vieler jüngerer Freunde und Bekannter aus On- und Offline-Welt einfließen lässt.

Die Erwachsenen machen keine gute Figur

Der gutherzigen, hoffnungslos naiven Manuela fehlt es in „#plüschmond“ vor allem an Ansprechpartnern. Bis auf ihre in Wien lebende Schwester Clara, die stets ein offenes Ohr für das Mädchen hat, bleibt der Rest der Familie nahezu unsichtbar. Die Lehrerschaft macht ebenfalls keine gute Figur.

Wo finden Betroffene in dem Fall Hilfe? Horrorkissen gibt ihrer jungen Leserschaft dafür Adressen und Handlungstipps in einem an die Geschichte anschließenden Informationscomic an die Hand, etwa zum Thema Sexting oder dem Umgang mit privaten Informationen im Internet. Band 3 ist gerade erschienen.

Sabine Scholz hat Horrorkissen alias Daniela Winkler zu „#plüschmond“ und ihren eigenen Erfahrungen mit Mobbing interviewt.

Daniela Winkler alias Horrorkissen.
Daniela Winkler alias Horrorkissen.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Du hast mit „#plüschmond“ einen Comic über Mobbing in der Schule gezeichnet, dabei bist Du längst keine Schülerin mehr. Trotzdem hat Dein Manga eine enorme Anhängerschaft, was sich nicht zuletzt in der Auszeichnung mit dem Publikumspreis „AnimaniA Award“ niederschlägt. Warum, glaubst Du, erfährt der Titel so viel Zuspruch?
Das Thema Mobbing ist immer aktuell. Es wäre schön, wenn es ein Thema der Vergangenheit wäre und ich quasi von nicht mehr existierenden Dingen berichten würde à la: „So war das damals, da waren die Mitschüler ganz grausam.“ Mobbing ist ein Dauerproblem. Ich will jetzt nicht sagen, das liegt in der Natur des Menschen. Aber ich glaube, das wird niemals komplett verschwinden und deswegen wird es auch immer wieder Leute geben, die sich dadurch angesprochen fühlen werden.

Denkst Du, dieser Comic kann etwas verändern?
Natürlich nicht in dem Sinne, dass Mobbing plötzlich auf magische Art und Weise verschwindet. Aber ich denke, dass es für Menschen, die unter Mobbing leiden, ein Lichtblick sein kann. „#plüschmond“ präsentiert keine Zauberformel, mit der es besser wird, sondern vermittelt Betroffenen, dass sie zwar gerade eine echt beschissene Zeit durchmachen und niemand das schönreden will, es aber besser werden wird. Es geht darum, wie gehe ich dauerhaft damit um. Wie arbeite ich mit den Konsequenzen. Was einmal im Internet ist, das verschwindet nicht. Das lernt Manu hoffentlich anstelle der realen jungen Mädchen.

Mobbing-Alltag in „#plüschmond“.
Mobbing-Alltag in „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Siehst Du Dich als Künstlerin in einer Rolle, in der Du gesellschaftliche Verantwortung trägst?
Das ist schwierig. Ich persönlich habe nichts gegen Geschichten, die auch problematische Themen behandeln. Da geht es mir nicht nur um Dinge wie Mobbing, sondern auch schon mal um Figuren, die sympathisch sein sollen, deren Handeln moralisch aber vielleicht nicht ganz vertretbar ist. Bei „#plüschmond“ lasse ich allerdings tatsächlich Erkenntnisse aus meiner Ausbildungszeit als Erzieherin einfließen. Es kommt darauf an, an wen sich ein Medium richtet. Bei einem erwachsenen Publikum kann man auch mal ein wenig unvorsichtiger sein und mehr Wert auf das Erzählen und die Unterhaltung legen. Aber wenn es an Jüngere gerichtet ist, ist es vielleicht nicht verkehrt, ein paar Werte zu vermitteln.

Wie haben die Leser und Leserinnen auf Dein Werk reagiert?
Ich habe relativ viel Feedback bekommen, dass die Geschichte vielen geholfen hat. Dass man sich wiedergefunden hat. Nicht nur in Manu, sondern auch in Samir, dem es gar nicht so bewusst war, welche Wirkung seine Späße haben. Von beiden Seiten kamen Rückmeldungen.

Eine Seite aus „#plüschmond“.
Eine Seite aus „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Wie ist die Idee zu „#plüschmond“ entstanden?
Die Geschichte ist schon etwas älter. Etwa 2014, 2015 hatte ich die die Idee zu der Geschichte und habe ein paar Notizen und Entwürfe für die Charaktere gemacht. Das ist letztendlich liegengeblieben, da ich eigentlich kein großer Fan von Shojo-Manga, also Mangas für Mädchen bin. Mit altraverse habe ich die Geschichte nun ein bisschen ausgebaut. Es ist prinzipiell ein langes Selbstgespräch mit meinem Teenager-Ich. Es gibt ein paar Dinge, die ich selber aufarbeiten wollte beziehungsweise musste. Und ich dachte, wenn ich das schon in Comicform mache, dann kann ich das auch so gestalten, dass es vielleicht noch jemand anderem zugutekommt.

#plüschmond ist eine sehr persönliche Geschichte. Es sind auch eigene Erfahrungen eingeflossen. Wie schwer ist es Dir gefallen, Dich mit diesem Werk Deinen Erfahrungen zu stellen?
Es war ziemlich schwer. Die größten Schwierigkeiten hatte ich mit den Szenen in der Schule. Als ich Manu in „#plüschmond“ Band 1 gezeichnet habe, wie sie das erste Mal den Schulflur betritt, hatte ich schlimme Flashbacks. Und dann ist da noch Sören. Sören ist der einzige Charakter, der nicht am Reißbrett entstanden ist. Ich habe einfach jemanden aus meiner Klasse aus dem Gedächtnis gezeichnet. Mir ist natürlich nicht exakt dasselbe passiert wie Manu. Ich habe durchaus meine kreativen Freiheiten genutzt, auch um ein bisschen Distanz zu gewinnen, aber es gab einige Dinge, bei denen ich wirklich Bauchschmerzen bekommen habe. Ich saß teilweise vor den Seiten, die eigentlich fertig werden mussten, und dachte, ich kann das nicht und ich muss jetzt einfach mal einen schönen Film gucken oder spazieren gehen. Es hat tatsächlich wesentlich länger gedauert, an dieser Geschichte zu arbeiten, als an allen anderen Dingen, die ich jemals gemacht habe, weil es mir eben sehr nah gegangen ist.

Gab es Reaktionen von ehemaligen Klassenkameraden?
Ich habe zu meinen früheren Schulkollegen keinen Kontakt mehr. Es gibt eine Freundin, mit der ich mich alle paar Monate auf einen Kaffee treffe, die damals allerdings mein Schicksal geteilt hat. Ansonsten habe ich tatsächlich mit niemandem darüber gesprochen. Ich weiß nicht, ob sie es gelesen haben. Ich war damals eine der wenigen, die sich für Mangas und Comics interessierte. Ich bezweifle, dass es irgendwer mitbekommen hat. Mein Schuldirektor weiß Bescheid, dass ich an einem Comic arbeite und wenn die Serie beendet ist, werde ich wahrscheinlich auch alle Bände in der Schule vorbeibringen.

Eine Schulszene aus „#plüschmond“.
Eine Schulszene aus „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Deine alte Schule war das Vorbild für die Schule in „#plüschmond“?
Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe, warum mir die Arbeit an dem Titel besonders schwergefallen ist. Bevor ich angefangen habe, an „#plüschmond“ zu arbeiten, bin ich zu meiner alten Schule gegangen und habe den Rektor gefragt, ob ich Referenzfotos machen kann, damit das Schulsetting realistisch ist. Das Medium Manga kommt ja eigentlich aus Japan und die japanischen Schulgeschichten spielen natürlich in japanischen Schulen. Mal abgesehen von den Schuluniformen, den Verhaltensweisen und den sozialen Strukturen sind auch die Gebäude anders. Unsere Schulen sind nicht wie in Japan oder auch Amerika aufgebaut. Ich wollte ein realistisches Bild einer deutschen Gesamtschule liefern. Die Schule liegt direkt bei mir um die Ecke und der Rektor gab mir sein Okay. Er hat mir sogar den einzigen leeren Klassenraum aufgeschlossen, der zufällig mein alter Matheraum war – für mich das schlimmste Fach überhaupt! Ich durfte dort Fotos machen.

In welchem Ort spielt die Geschichte?
Die Geschichte spielt in Oberhausen, das ist kein Geheimnis. Ich habe auch ein paar Landmarks eingebaut: Das große Einkaufszentrum ist zu sehen, die Schule und diejenigen, die in Oberhausen wohnen, erkennen garantiert ein paar Hintergründe wieder.

Manu und Samir verbindet in „#plüschmond“ eine schwierige Beziehung.
Manu und Samir verbindet in „#plüschmond“ eine schwierige Beziehung.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Ist auch dein Klassenlehrer in irgendeiner Art in „#plüschmond“ zu finden?
Tatsächlich nicht. Es kommt eine Lehrerin vor, ganz am Anfang in Band 1. Diese basiert auf einer Berufsschullehrerin, die mich später unterrichtet hat. Allerdings spielen die Lehrer und Erwachsenen nicht wirklich eine Rolle in der Serie. Das hat natürlich einen tieferen Sinn und bedeutet nicht, dass ich keine erwachsenen Menschen zeichnen kann. (lacht) Es war Absicht, dass man kaum Erwachsene zu Gesicht bekommt. Der einzige Lehrer, der eine Sprechrolle hat, neben der Lehrerin vom Anfang, ist ein Referendar, der sehr jung aussieht und auch sehr jung ist. Teenager fühlen sich in der Zeit, in der sie gemobbt werden, allein gelassen. Ich glaube nicht, dass jemand, der gemobbt wird, gleich mit seinen Eltern darüber spricht. Das kommt eher selten vor. Selbst wenn, bleibt das Gefühl des Alleinseins und das wollte ich damit zeigen.

Wie hat das Mobbing Dein Leben verändert? Und was würdest Du den Tätern von damals gern noch sagen?
Es hat sich stark auf mein Selbstbewusstsein und auch auf mein äußerliches Erscheinungsbild ausgewirkt. Was würde ich ihnen sagen … Sie kommen jetzt alle in das Alter, in dem man Nachwuchs bekommt, plant oder hat, daher möchte ich ihnen im Nachhinein gern sagen: „Denkt darüber nach, was ihr getan habt. Ich hoffe, ihr seid gewachsen. Ich hoffe, ihr seid gereift. Es gibt kein böses Blut von meiner Seite aus. Mir ist es inzwischen egal, was ihr macht. Macht euch aber klar, dass das nicht so witzig war, wie ihr gedacht habt und seht zu, dass eure Kinder nicht genauso werden. Seid ihnen ein besseres Vorbild!

Unter Avataren: Eine Szene aus „#plüschmond“.
Unter Avataren: Eine Szene aus „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Hast Du das, was Du Deinen Peinigern vielleicht damals hättest sagen sollen oder wollen, in „#plüschmond“ eingearbeitet?
Es war nie geplant, dass es ein Rätsel ist, wer Samir ist, dass er quasi der Traumprinz ist, mit dem sich Manu in dem Spiel trifft. Diese Geheimhaltung war dazu da, damit Manu ihm direkt ins Gesicht sagen kann, was sie von diesem ganzen „Spaß“ hält. Sie sollte ohne Hemmungen sagen können: „Hey, das tut weh, was ihr hier macht. Und das beschäftigt mich und nimmt mich mehr mit, als ihr ahnt.“ Wenn man Teenagern solche Sachen direkt ins Gesicht sagt, gibt es ein Problem: Manche reagieren wie Samir und geben sich Mühe, sich zu bessern, und andere finden es lustig. Es ist nicht so, als hätte ich nicht versucht, mich zu wehren damals. Und ich denke, dass geht vielen noch heute so. Wenn sie sich wehren und die Täter konfrontieren, wird abgewiegelt und gespottet nach dem Motto: „Komm, jetzt stell dich nicht so an, war doch eigentlich ganz witzig.“

Welche Inspirationsquellen gibt es abseits Deiner eigenen Erfahrungen für das Thema?
Ich habe relativ viel Kontakt mit meiner Community. Ich habe einen Discord-Server, auf dem sehr viele junge Leute sind. Wir passen auch gut auf, dass alle ganz brav sind und es jugendfrei bleibt. Es gibt dort die Sparte Kummerkasten, wo man seine Sorgen teilen kann und ich habe einige Einzelgespräche mit Fans geführt, denen es wirklich nicht gut ging. Dadurch habe ich gemerkt, dass sich von früher bis heute nicht wirklich viel geändert hat. Der einzige Unterschied ist, dass das Internet hinzukommt und das Ganze noch etwas extremer ist. Für mich war das Internet früher ein Zufluchtsort, weil nur die Nerds im Internet waren. Jetzt ist jeder online und wir hatten sogar Fälle, in denen Mobber auf unseren Discord-Server gekommen sind, nur um die Mädels und Jungs fertigzumachen, die sich bei uns wohlgefühlt haben. Wir haben sie natürlich sofort rausgeschmissen, aber das zeigt ja eigentlich, dass man mittlerweile nirgendwo mehr sicher ist. Auch auf Messen habe ich Eindrücke gesammelt. Diese ganzen Geschichten waren auch der Grund, warum ich mit altraverse darüber gesprochen habe, gerade diese Story als Allererstes zu bringen. Ich hatte das Gefühl, der Bedarf ist gerade da.

Eine Computerspielszene aus „#plüschmond“.
Eine Computerspielszene aus „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Wird aus Deiner Sicht heutzutage genug gegen Mobbing an Schulen getan? Und was müsste sich Deiner Meinung nach am Umgang mit Mobbing ändern?
Es wird nicht genug getan. Die Frage ist nur, was kann man da machen? Man hört immer: Geh zu den Lehrern! Geh zu den Eltern! Sprich mit der Sozialpädagogin darüber! Aber letztendlich gibt es leider keine magische Lösung, die man hervorzaubern kann. Hätte ich diese Lösung, würde ich wahrscheinlich nicht als Comiczeichnerin arbeiten, sondern würde sie umsetzen. Wichtig ist, für mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu sorgen. Ich bin der Meinung, dass es ein Unterrichtsfach geben sollte, nicht nur zum Thema Mobbing, sondern zum sozialen Umgang miteinander. Wie gehen wir miteinander um? Wie geht man später mit potenziellen Kunden, Arbeitnehmern oder -gebern um? Ich weiß nicht, wie man das nennen könnte, aber man könnte all das allumfassend in einem Schulfach behandeln. Das würde ich als nützlich empfinden.

Was hältst Du von Mediation und Trainingsprogrammen in dem Zusammenhang?
Ich habe tatsächlich eine Mediatorenausbildung. Die habe ich gemacht, während ich an der Berufsschule war und es funktioniert bei Älteren. Wir reden hier aber von der Oberstufe, der elften Klasse aufwärts. Gerade in der Mittelstufe von der 7. bis 10. Klasse ist es schwieriger. Die Natur des Teenagers ist instabil. Die Hormone spielen verrückt, alles wächst, auch das, was nicht wachsen soll in den Augen der Teenager. Es ist eine superchaotische Zeit und ich glaube, es wäre hilfreich eine dauerhafte Hilfestellung anzubieten, statt aller paar Monate einen Trainer vorbeizuschicken, der sagt: „Leute, Mobbing ist böse!“ Etwas Regelmäßiges, ein Schulfach, Vorträge, Schulungen in regelmäßiger Frequenz, sodass es sich besser einprägt, wäre sinnvoller. Denn was heute mit den Mediatoren besprochen wird in der Schulklasse, hält vielleicht ein, zwei Tage, dann geht der Spaß wieder von vorn los. Das ist nämlich das Problem. Dadurch, dass alles so wirr im Kopf ist, werden solche Dinge einfach beiseitegeschoben. Dann ist der Mobber halt mal ein paar Tage nett und dann hat er wieder vergessen, was gesagt wurde.

Wie können Hobbys und Dinge wie Computerspiele Betroffenen helfen?
Ich halte sowohl Videospiele, als auch Manga, Filme, Serien, jede Art von Hobby, solange es in gesundem Maß betrieben wird, für hilfreich. Man sollte es aber nicht übertreiben, denn gerade bei Videospielen und Co. kann man schnell ein Suchtverhalten entwickeln. Ich persönlich habe auch so meine zwei, drei Videospiele, die ich spiele. Wenn ich sehr gestresst bin, dann mache ich mir ein Game an und zocke ein paar Stündchen. Solange du nicht jeden Tag 15 Stunden daran sitzt, ist das okay und kann auch helfen.

Hilfe von der großen Schwester.
Hilfe von der großen Schwester.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Du machst ja auch Musik …
Was die Musik angeht, bin ich da eher zufällig hineingestolpert. Ich habe mal Blockflöte gelernt und war in einem Miniorchester. Dann habe ich mir eine Okarina zu Weihnachten schenken lassen und war eine Zeit lang die Okarinaspielerin. Irgendwie bin ich dann, als ich die Schule gewechselt habe, in die Schulband gerutscht. Ich weiß gar nicht, wie das eigentlich passiert ist. Plötzlich hatte ich ein Mikrofon vor der Nase. Und dann habe ich bemerkt, da sind Leute, die sind nicht aus meiner Klasse, aber aus meiner Schule, und die sind nett zu mir. Die wissen nichts von dem Drama. Die wissen nicht, dass ich die Versagerin bin oder das Mobbingopfer. Die lernen mich neu kennen. Auf einmal hatte ich einen Freundeskreis in der Schule und das war ein Aha-Effekt. Ich denke, wenn man einen Safe Space findet, sei es ein Videospiel mit Multiplayer, eine AG in der Schule oder ein Sportverein – wenn man etwas findet, das einem Spaß macht und bei dem man sich wohlfühlt, dann ist es eine gute Idee, dort zwischendurch seine Batterien wieder aufzuladen. Ich sehe das auch nicht wirklich als Flucht, sondern eher als Erholungsort von der Realität.

Welche Themen liegen Dir neben der Mobbing-Prävention am Herzen?
Speziell bei „#plüschmond“ geht es auch um Selbstwert. Manu etwa fühlt sich hässlich, obwohl sie es nicht ist. Body Image ist mir relativ wichtig, ich habe ja auch ein paar Pfunde zu viel. Gerade in den Medien heute und auch in den Mangas sehen immer alle gut aus und wenn sie es nicht tun, sind es die Witzfiguren. Ich sage nicht, dass es keine coolen dicken Charaktere gibt. Die gibt es. Aber ich suche eben noch einen, der nicht nur darauf reduziert wird. Mangas und Comics sind ein visuelles Medium und sollten visuell ansprechend sein. Es ist vollkommen legitim, wenn die Charaktere dann wirklich schön sind. Selbst Manu ist schön. Ich hätte aus Manu auch einen hässlichen Charakter machen können. Sind wir mal ganz ehrlich, sehr oft sind Mobbingopfer nicht die schönsten. Ich bin auch nicht die Schönste und ich war in meiner Teenagerzeit überhaupt nicht schön. Trotzdem kommt diese Figur letztlich aufs Cover und es gibt Illustrationen dazu. Das Medium braucht eine gewisse Ästhetik und ich verurteile niemanden, dessen Figuren alle schön aussehen. Was mich aber stört, ist, dass wenn man einen „hässlichen“ Charakter einbaut, ständig thematisiert wird, dass er nicht schön ist. Ich muss gerade an „Naruto“ mit Choujidenken, das ist mein Lieblingsbeispiel. Den fand ich als Figur eigentlich supercool, aber der ist ja ständig nur am Futtern. Durchgehend. Und dann hat er seinen coolen Auftritt, zeigt seine Superfähigkeit und während er sie einsetzt, ist er schlank! Die Japaner haben natürlich noch ein anderes Verhältnis zu dem Thema. Sie sind meiner Meinung nach ein bisschen grausamer.

Das Titelbild des ersten Bandes von „#plüschmond“.
Das Titelbild des ersten Bandes von „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Wie lange zeichnest Du eigentlich schon?
Seit dem Kindergarten. Ich weiß, dass meine Erzieher mal den Maltisch nach draußen bringen mussten, weil ich nicht an die frische Luft wollte, wenn das die Frage beantwortet. (lacht)

Und speziell Comics?
Seit ich sechs bin, also seit ich lesen kann. Seit ich weiß, was Sprechblasen sind. (lacht) Und Mangas zeichne ich, seit ich elf bin, seit ich weiß, was Mangas sind. Ich war eine religiöse Leserin des Micky-Maus-Magazins und wenn ich mal ein Lustiges Taschenbuch bekommen habe, war Weihnachten.

Das Titelbild des zweiten Bandes von „#plüschmond“.
Das Titelbild des zweiten Bandes von „#plüschmond“.

© 2019 Daniela Winkler / Altraverse GmbH

Liest Du heute noch Comics?
Ja, aber nicht so viele, wie ich gerne möchte. Ich bin ein großer Fan des Genres Horror, wie man vielleicht an meinem Künstlernamen erkennen kann. Allerdings ist das Genre in Deutschland ein wenig spärlich vertreten. Ich bin daher auch schon mal in London und kaufe dort im Forbidden Planet ein bisschen ein.

Kannst Du inzwischen vom Comiczeichnen leben?
Ich bin fest angestellt bei altraverse als Grafikerin. Mein Job ist es, „#plüschmond“ zu zeichnen und danach irgendeinen anderen Comic. Und ich habe die Aufgabe, Illustrationen, Mini-Comics, Rätselbilder zu zeichnen, eben alles, was man bei altraverse sieht, wo ein Chibi dranhängt. Das ist mein Job. Das heißt, ich stehe auf und zeichne, was als Nächstes fertig sein muss. Das ist der beste Job, den ich jemals hatte. Ich habe auch noch andere Aufgaben, aber so sieht es derzeit aus. Es ist nicht der Standard, einen Zeichner fest anzustellen, und ich weiß das sehr zu schätzen.

Sabine Scholz

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