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Nichts für zarte Gemüter. Im Manga „Battle Angel Alita“ teilt die Hauptfigur, ein weiblicher Cyborg, kräftig aus.

© Illustration: Yukito Kishiro/Kodansha/Carlsen

Manga „Battle Angel Alita“: Kampfmaschine mit Herz

„Battle Angel Alita“ ist ein moderner Manga-Klassiker. Jetzt kommt der Cyberpunk-Science-Fiction-Kracher ins Kino - Zeit für eine Neuentdeckung des Originals.

Damit haben die harten Kerle in der Untergrundbar nicht gerechnet. Das zarte Mädchen, das eines Tages an diesem Treffpunkt für Kopfgeldjäger und Killerroboter auftaucht, wirft den Stammgästen einen Schwall von Beleidigungen an den Kopf. Als die Männer der Kleinen eine Lektion erteilen wollen, fliegen die Fetzen. Sechs Seiten später steht keiner der männlichen Maulhelden mehr auf seinen Beinen. „Wer zum Teufel bist Du?“, stöhnt einer der Dahingerafften. „Ich… bin… Alita!“ gibt sie ruhig zurück.

Der Manga trieb die Auflage kräftig nach oben

Fast 30 Jahre ist es her, dass der Cyberpunk-Science-Fiction-Manga „Battle Angel Alita“ des 1967 geborenen Zeichners Yukito Kishiro unter dem Originaltitel „Ganmu“ in der japanischen Zeitschrift „Business Magazine“ veröffentlicht wurde. Das bedient vor allem jüngere männliche Erwachsene, die Verkaufszahlen des Magazins schnellten daraufhin auf fast 800.000 Exemplare pro Monat.

Jetzt lässt sich dieser moderne Genreklassiker neu entdecken: Anlässlich der am Donnerstag in den Kinos startenden Realverfilmung unter dem leicht abgewandelten Titel „Alita: Battle Angel“ wurde der Manga kürzlich bei Carlsen neu aufgelegt.

Die Serie war in den frühen 90er Jahren neben den kurz zuvor veröffentlichten Science-Fiction-Mangas „Ghost in the Shell“ (der ebenfalls kürzlich verfilmt wurde) oder „Appleseed“ stilprägend und gehörte zum Besten, was japanische Comics dieses Genres zu bieten hatten. Und sie ist größtenteils gut gealtert, wie sich bei der Lektüre der Neuauflage zeigt.

Abgesehen von einigen ästhetisch etwas sehr nach den 1980er Jahren aussehenden Details ist die epische Geschichte eines weiblichen Cyborgs auf der Suche nach sich selbst weitgehend zeitlos.

Sie beginnt damit, dass ein Arzt in der dystopischen Welt des 26. Jahrhunderts auf dem Schrottplatz unter einer mysteriösen Himmelsstadt Menschen- und Roboterteile sammelt, zusammensetzt und dank besonderer Zutaten eher unabsichtlich eine Kampfmaschine sondergleichen schafft.

Allerdings eine mit Herz, denn auch wenn ihr Körper von einem Killerroboter stammt, hat Alita doch ein menschliches Gehirn und eine ebensolche Seele. Davon ausgehend entwickelt sich auf knapp 2000 Seiten ein an Kampfszenen wie an menschlichen Konflikten reiches Drama klassischen Ausmaßes, das Anleihen bei Mary Shellys „Frankenstein“, Fritz Langs „Metropolis“, der Bibel und „Blade Runner“ nimmt.

Auch zeichnerisch ein Konglomerat an Einflüssen

Bei den Zeichnungen haben Yukito Kishiro und seine Assistenten ebenfalls unterschiedliche visuelle Referenzen kombiniert: Während Alitas Ziehvater, mit dem sie eine im Laufe der Geschichte zunehmend widersprüchliche Beziehung verbindet, im leicht karikierenden Funny-Stil gezeichnet ist, kommt die Hauptfigur als erotisiert überzeichnete Lolita mit Riesenaugen, Schmollmund und opulentem Haarschopf daher. Die futuristischen Kulissen wiederum beeindrucken durch hohen Detailreichtum, Schraffuren und Schattierungen geben den Handlungsorten Tiefe.

Zentrales Motiv der Erzählung ist der Kontrast zwischen Mensch und Maschine, der sowohl in der Figur der Alita wie in diversen Konflikten zwischen Akteuren durchgespielt wird. Dabei gewinnt vor allem zum Ende hin die Frage zunehmend an Bedeutung, was den Mensch zum Menschen macht.

Neu aufgelegt: Die vierbändige Ausgabe gibt es auch komplett im Schuber.
Neu aufgelegt: Die vierbändige Ausgabe gibt es auch komplett im Schuber.

© Carlsen

Das wird teils in ruhigen, philosophisch angehauchten Dialogen verhandelt, meist allerdings durch Faustkämpfe und hyperkinetische Action-Szenen, die nichts für zarte Gemüter sind. Da fliegen Gehirne und Gliedmaßen durch die Lüfte, Körper werden zerfetzt und neu zusammengesetzt, ein mit Soundwords gespicktes Speedline-Gewitter jagt das nächste.

„Der Geist ist nichts als ein Spielzeug des Körpers“, wird einmal gar Nietzsche zitiert. Wobei dieser Manga eigentlich eher das Gegenteil illustriert: „Battle Angel Alita“ zeigt in handwerklich höchster Perfektion, wohin es führen kann, wenn ein kreativer Geist wie Yukito Kishiro dem Spiel mit Körpern – in diesem Fall vor allem die von Cyborgs – freien Lauf lässt.

Yukito Kishiro: Battle Angel Alita – Perfect Edition, aus dem Japanischen von Juno Iwamoto und Jürgen Seebeck, Carlsen, 4 Bände mit 1936 Seiten, 89,99 €, auch einzeln erhältlich

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