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Blut und Boden: Eine Karikatur des ägyptischen Zeichners Ahmed Giassa zeigt einen Dschihadisten, der den aufkeimenden Terror mit dem Blut eines getöten Opfers gießt.

© Ahmed Giassa/dpa

Karikaturen in der arabischen Welt: Strichmännchen mit Fusselbart

Der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ beschäftigt auch muslimische Karikaturisten. Doch ihre Art, gegen Terrorismus anzuzeichnen, offenbart die feinen Unterschiede zwischen Orient und Okzident.

Für arabische Karikaturisten gab es in den vergangenen Wochen fast nur ein Thema: die Kälte. Als Islamisten in Frankreich mehrere Anschläge verübten - unter anderem auf das religionskritische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ - fegten Schneestürme über die Levante. Regenfälle unterspülten Straßen in Saudi-Arabien und Ägypten, Schnee bedeckte die Flüchtlingslager in Jordanien und im Libanon. Mindestens zehn Menschen, darunter auch syrische Flüchtlinge, erfroren nach Medienangaben.

Ein Karikaturist der ägyptischen Zeitung „Al-Masry al-Youm“ zeichnete ein in Schal und Mütze eingewickeltes Männlein vorm Fernseher. Er schaut die Nachrichten und sagt: „Seltsam ... mit jedem Feuer, dass ich im Irak und in Syrien sehe, wird mir noch kälter.“ Ein Feuer hat mit dem Angriff auf „Charlie Hebdo“ nun auch Europa erfasst: Der Terror des Islamischen Staates (IS) und von Al-Kaida kehrt mit aller Härte in den Westen zurück. Die Unterschiede zwischen Orient und Okzident scheinen groß wie nie. Natürlich wird die Stimmung auch von muslimischen Karikaturisten wahrgenommen - doch ihr Kampf für die Pressefreiheit ist ein anderer als jener der getöteten Kollegen aus Paris.

Das Abbilden des Propheten ist eine rote Linie

„Seit der Revolution 2011 haben wir als Karikaturisten in Ägypten mehr Freiheiten“, sagt Ahmed Giassa. Es sei jetzt leichter, Witze über Politisches oder über korrupte Beamte zu machen. Der 32-Jährige zeichnet in Ägypten unter anderem für die politische Zeitschrift „Al-Bawaba“ und das Magazin „Sabah al-Chair“. Witze dürften hier scharf sein, aber nicht beleidigend werden. Vieles bleibt daher ungezeichnet: „Bei uns muss mehr Fantasie im Kopf stattfinden.“ Die Religion und eben das Abbilden des Propheten Mohammed sei für Giassa daher eine rote Linie. Im Islam gilt ein Bilderverbot für Propheten und Gott. Zwar respektiere Giassa die Arbeit von „Charlie Hebdo“ und auch deren Mohammed-Bilder, aber bei bloßer Beleidigung des Glaubens verstehe er keinen Spaß. „Ich habe kein Problem mit Zeichnern, die das tun, so lange sie dabei Haltung bewahren.“

Haltung sei das, was viele Muslime im Westen vermissen würden, sagt der Kairoer Politikwissenschaftler Mustafa al-Sayed. „Es gibt eine kulturelle Kluft zwischen dem Westen und den Muslimen, die bislang keine Seite überbrücken konnte.“ Viele im arabischen Raum würden nicht verstehen, wie der Westen islamistische Anschläge in Europa verurteilt, aber kaum Notiz nimmt von der Gewalt, die Dschihadisten im Nahen Osten verüben. Die Mohammed-Karikaturen seien daher für viele auch im Namen der Pressefreiheit „nur eine Respektlosigkeit“.

Keine Angst vor der Wut von Gläubigen

Das heißt nicht, dass Karikaturisten wie Ahmed Giassa vor dem Thema Islamismus zurückschrecken. Im Gegenteil: Viele Kollegen stürzen sich genüsslich auf die Darstellung von Dschihadisten. In den Bildern wirken sie wie tumbe Steinzeitmenschen, mit langen Fusselbärten, Turban und wirrem Blick.

In seiner jüngsten Karikatur zeigt Giassa einen grobschlächtigen Vater, um den Arm eine Binde der IS-Miliz. „Was malst du da, Jungchen?“, herrscht er seinen Sohn an. Als dieser antwortet: „Eine Karikatur“, wird der Vater zunächst skeptisch. Erst beim Blick auf die Zeichnung - ein Strichmännchen mit Bart erschießt eines ohne - freut sich der Islamist: „Du bist ein großer Künstler!“ Angst vor der Wut von Gläubigen hat Giassa dabei nicht. „Aber ich zeichne ja auch nur Schlägertypen und keine Muslime“, sagt er. Als Muslim fühle man sich eher durch die Taten der Islamisten verletzt.

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