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Liebe in Zeiten des Krieges. Eine Doppelseite aus dem besprochenen Band.

© Illustration: Charles/Splitter

Interview: „Versöhnung ist unsere Botschaft“

Maryse und Jean-François Charles verarbeiten in ihren Comics historische Themen, so auch im aktuellen Weltkriegs-Drama „War and Dreams“. Im Tagesspiegel-Interview berichtet das Duo, wie es seine Themen findet und wie die Zusammenarbeit als Ehepaar funktioniert.

Sie verbinden Fiktion und Zeitgeschichte wie wenige andere frankobelgische Autoren: Maryse Charles und ihr Mann, der Zeichner Jean-François Charles, verarbeiten mit Vorliebe politische und historische Themen, kombiniert mit romantischen Erlebnissen ihrer Figuren. Jetzt erschien nach dem Kolonial-Drama „India Dreams“ (Splitter, 208 Seiten, 24,80 Euro) ihr neues Buch „War and Dreams“ (Splitter, 192 Seiten, 24,80 Euro) auf Deutsch. Darin geht es um die Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs in Frankreich und Deutschland. Lars von Törne traf sie zum Interview.

Tagesspiegel: Hat Ihr Buch „War and Dreams“ in Frankreich eigentlich Proteste provoziert?

Jean-François Charles: Wieso?

Sie porträtieren in der Erzählung unter anderem einen fiktiven deutschen Wehrmachtssoldaten, der im Zweiten Weltkrieg als Besatzer nach Frankreich kommt, aber dann ein Mädchen in dem von seiner Einheit besetzten Dorf vor dem Ertrinken rettet, sich in eine junge Französin verliebt und allgemein als sympathisch beschrieben wird. Das dürfte nicht gerade dem gängigen Bild deutscher Besatzer im Frankreich des Zweiten Weltkriegs entsprechen…

Maryse Charles: Wir wollten vor historischem Hintergrund eine Liebegeschichte erzählen. Eine universelle Erzählung, wie es sie auch zwischen zwei Nationen immer wieder gibt, die sich bekriegen. Unser Anliegen ist es, ein differenziertes Bild von Menschen zu vermitteln, keine Schwarz-Weiß-Malerei.

Kreatives Duo. Maryse und Jean-François Charles.
Kreatives Duo. Maryse und Jean-François Charles.

© Lars von Törne

Wie kamen Sie auf Ihr Thema?

Jean-François Charles: Die Geschichte entstand nach einer Reise an die nordfranzösische Opalküste, wo wir ein Haus gekauft haben. Beim Spaziergang am Strand entdeckten wir eines Tages die Reste eines deutschen Bunkers, in dem zwei Wehrmachtssoldaten ihre Namen eingeritzt hatten. Und wir haben mit einigen Bewohnern gesprochen, die sich noch an die Zeit erinnern konnten. Daraufhin entwickelten wir die fiktive Geschichte von vier Menschen, deren Leben auf sehr unterschiedliche Wiese von dem Krieg geprägt wurden.

Wie haben Sie für Ihr Buch recherchiert?

Maryse Charles: Wir haben viel mit unseren Vätern gesprochen, die den Zweiten Weltkrieg als Kriegsgefangener beziehungsweise als Zwangsarbeiter in Deutschland erlebt haben. Trotzdem war unseren Eltern immer die Versöhnung sehr wichtig. Das ist auch die Botschaft, die uns am Herzen liegt.

Jean-François Charles: Wir haben uns bei der Arbeit an dem Buch auch auf Aufzeichnungen meines Vaters gestützt, die er in den 80er Jahren auf Anfrage eines deutschen Schülers aufgeschrieben hatte, der zum Zweiten Weltkrieg eine Hausarbeit verfassen sollte. Und nach Erscheinen des Buches haben wir Leserbriefe von älteren Menschen bekommen, die damals ähnliches erlebt haben wie die Figuren in unserem Buch.

Inspiriert von einer Entdeckung beim Strandurlaub. Cover von „War and Dreams“.
Inspiriert von einer Entdeckung beim Strandurlaub. Cover von „War and Dreams“.

© Splitter

Ihre anderen Erzählungen enthalten ebenfalls viele reale Bezüge zur Weltpolitik. Wie erarbeiten Sie sich Ihre Bücher?

Jean-François Charles: Wir recherchieren sehr viel. Und so oft es möglich ist, reisen wir an die Orte des Geschehens. „India Dreams“ zum Beispiel entstand als Reaktion auf eine Reise durch Indien. Danach wollten wir eine Geschichte erzählen, die die komplexe Vergangenheit des Landes widerspiegelt.

Im Medium Comic geht es ja immer um eine Balance von Text und Bild, um einen Kampf zwischen Zeichnungen und Worten. Sie sind eines der wenigen Ehepaare in der Branche – kämpfen Sie beide beim gemeinsamen Erarbeiten eines neuen Buches viel um die Frage, ob es mehr Platz für Text oder für Bilder gibt?

Maryse Charlses: Das ist eher wie ein Ping-Pong-Spiel. Ich schreibe meist auf der Basis unserer gemeinsamen Recherchen einen Text. Den gehen wir dann zusammen durch und erarbeiten daraus das Szenario. Auch die Bildaufteilung erarbeiten wir zusammen. Und wenn mein Mann sagt, an bestimmten Stellen möchte er größere Bilder oder weitere Texte hinzufügen, dann machen wir das gemeinsam. Es ist ein ständiges Überarbeiten. Aber ein Kampf? Nein!

Übersetzung: Tanja Krämling

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