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Düstere Kunst: Eine Seite aus „Saria“.

© Splitter

Horror-Comic „Saria“: Ein Ausflug in die Hölle

Mit seiner aufwändigen Maltechnik macht der italienische Künstler Riccardo Federici die düstere Fantasy-Welt von „Saria“ zu einem Comicerlebnis.

Wie sieht es aus, wenn man in der Hölle ist? Diese Frage beschäftigt jene, die an sie glauben, ebenso wie jene, die dies nicht tun: Von der Johannes-Offenbarung über Hieronymus Bosch und Gustave Doré bis hin zu den zahllosen Horrorfilmen oder Computerspielen der Gegenwart à la „Hellraiser“ oder „Diablo“.

Die Hölle beflügelt unsere Phantasie weit mehr als der Himmel; nicht umsonst ist das „Inferno“ der populärste Teil von Dantes Göttlicher Komödie, und nicht das „Paradiso“.

Auch „Saria – Das Ende einer Herrschaft“ (Übersetzung Resel Rebiersch, Splitter, 64 S., 16 €) nimmt uns mit in die Abgründe des Leibhaftigen: Der Comic ist der Abschlussband der Saria-Trilogie, die der belgische Szenarist Jean Dufaux ursprünglich zusammen mit dem italienischen Zeichner Paolo Serpieri („Druuna“) begonnen hatte.

Saria ist eine venezianische Adelstochter, die von ihrem Vater kurz vor dessen Tod drei mysteriöse Schlüssel erhalten hat: Sie sind für die Himmelspforte bestimmt, doch nur einer der Schlüssel öffnet sie tatsächlich, die anderen führen entweder in die Hölle oder ins Nichts. Sarias Onkel, der tyrannische Doge Assanti, und der gefallene Engel Gabriel sind fortan hinter ihr her, um die Schlüssel an sich zu bringen.

Die Story ist jedoch nebensächlich, das eigentliche Pfund der Trilogie sind die Bilder, insbesondere ab Band 2: Hier übernahm nämlich Serpieris Landsmann Riccardo Federici das Zeichnen, oder besser gesagt, das Malen: Tatsächlich ist jedes einzelne Panel des Comics gemalt, wodurch sie eine ganz andere Tiefe besitzen als die (ebenfalls hervorragenden) Zeichnungen Serpieris.

Eine bizarre Fantasy-Version von Venedig

„Saria“ spielt in einer bizarren Fantasy-Version von Venedig, das in einem heiligen Krieg bombardiert wurde und in einer unbestimmten Zeit angesiedelt ist, in der Steampunk-Motive und unterschiedlichste Kleidungsstile vom 18. bis zum 20. Jahrhundert wild durcheinander gewürfelt werden.

Eine weitere Seite aus dem dritten Band von „Saria“.
Eine weitere Seite aus dem dritten Band von „Saria“.

© Splitter

Die Lagunenstadt, deren Hausfassaden zum Teil mit organischem Gewebe und Adern überzogen sind, ist bevölkert von religiösen Fanatiker:innen, grotesken menschlichen Computern, unförmigen Reittieren, Kampfrobotern, Bediensteten mit Pinzettenhänden und faschistischen Polizeitruppen. Der Doge selbst ist ein Cyborg, dem Kabel und Drähte offen aus dem Hinterkopf ragen.

Höllenvisionen von barocker Plastizität

All diese Charaktere und Dekors waren zwar schon im ersten Band der Trilogie zu sehen, doch durch die aufwändige Maltechnik Federicis gewinnt die finstere Fantasy-Welt von „Saria“ eine barocke Plastizität.

Das Titelbild des dritten und letzten Bandes von „Saria“.
Das Titelbild des dritten und letzten Bandes von „Saria“.

© Splitter

Zudem malt Federici die Details dieses Dämoniums nicht nur mit genüsslicher Präzision aus, sondern versieht sie auch immer wieder mit spektakulären Beleuchtungen und Perspektiven, was die Bände 2 und 3 trotz der dünnen Geschichte zu einem atemberaubenden Comicerlebnis machen.

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Im dritten Teil landet die Titelheldin in der Hölle, womit die Reihe dramaturgisch und grafisch ihren Höhepunkt erreicht: Schlösser aus Knochen und Hautfetzen, dornige Bäume der Qualen, blutrote Höhlen, die an das Innere eines Lebewesens erinnern - die bizarren Kreaturen und Kulissen, die Federici hier erschafft, sind ein Fest für alle Liebhaber:innen düsterer Horror- und Gothic-Kunst.

Gelegentlich reichen seine Schöpfungen fast an die dämonischen Bilderwelten eines Wayne Douglas Barlowe heran, der die Hölle in ihrer schrecklichen Schönheit zu malen versteht, als sei er tatsächlich dort gewesen.

Der Charme des Handgemachten

Seinen Durchbruch hatte Federici 2008 mit „La Madone de Pellini“ von François Rivière, im Anschluss arbeitete er unter anderem für DC Comics. „Saria“ ist seine bislang ambitionierteste Arbeit, in der der Künstler auch seine frühere Tätigkeit als anatomischer Zeichner durchblicken lässt: Eine der Figuren, der ehemalige Major Sirocco, besitzt keine Haut, so dass ständig dessen bloßes Muskelgewebe zu sehen ist.

[Weitere Tagesspiegel-Artikel zu aktuellen Horrorcomics: Der Fluch der schwarzen Scheune, Reif für die Insel, Gruselige Zeitreise mit Stephen King, George A. Romero und Bernie Wrightson.]

Das alles mag nicht jedermanns Geschmack sein, dennoch sollten Fans technischer Virtuosität und zeichnerischer Erfindungsgabe ruhig einen Blick auf „Saria“ riskieren. Federicis Bilder atmen den unvergleichlichen Charme des Handgemachten gegenüber der durchgestylten Ästhetik von Comics, die entweder komplett am Computer entstehen oder in der Nachbearbeitung digital aufpoliert werden.

Bleibt zu hoffen, dass er in Zukunft etwas durchdachtere Szenarien an die Hand bekommt, um das unauslotbare Reich der Phantasie weiter auszumalen und uns daran teilhaben zu lassen.

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