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Kein Entrinnen: Eine Doppelseite aus dem ersten Band der Reihe.

© Carlsen

Horro-Manga „Uzumaki“: Die nackte Angst

Besessen von der Spirale: Junji Itos Mangaserie „Uzumaki“ erzeugt mit subtilen Mitteln packenden Horror. Jetzt sind die ersten Bände auf Deutsch erschienen.

Stephen King verglich in seinem Buch „Danse Macabre“ das Erzeugen von Horror mit dem Versuch, einen Gegner im Kampfsport außer Gefecht zu setzen. Man müsse den wunden Punkt finden. Und der offensichtlichste psychologische Druckpunkt ist laut dem Meister des Horrors die eigene Sterblichkeit. Es gibt nicht oft Comics, die diesen Punkt so treffen wie „Uzumaki“ von Junji Ito. Der Manga erscheint nun in deutscher Übersetzung bei Carlsen, kürzlich wurde der zweite Band veröffentlicht.

Ein ganzes Dorf ist darin besessen von einer Spirale, die als Motiv wieder und wieder . Subtil schürt der japanische Zeichner Ängste und Atmosphäre. Der Wahnsinn ist in „Uzumaki“ nur eine Seite entfernt: Wo erst nur ein Augapfel in einer Spirale verschwindet, löst sich wenige Momente später ein ganzer Mensch in Luft auf.

Jeder Hinweis ergibt weitere Rätsel

Die Spiralen-Obsession der Bewohner von Kurozu wandelt sich vom Wahn hin zur Körperlichkeit, wenn Haare sich türmen und auf den Rücken mancher Schüler plötzlich Schneckenhäuser wachsen. Der erste Band von „Uzumaki“ lässt in seinen sechs Kapiteln allerdings keinerlei Verbindungen der hier geschilderten Schicksale erkennen, was ihn sehr episodenhaft erscheinen lässt. Die einzelnen Handlungsstränge ergeben erst später einen Zusammenhang. Was aber wenig macht, denn die Atmosphäre reicht als verbindendes Element.

Dabei bleibt der große Trick von Ito, dass sein „Ding auf der Schwelle“ niemals greifbar wird. Es gibt keine Erklärung für das, was in dem Dorf Kurozu vor sich geht. Keine Rachegeister, wie sie sonst so oft im asiatischen Horror vorkommen. Keine rationalen Phänomene mit doppeltem Boden. Das Grauen steht bei Ito nicht allegorisch oder symbolisch für irgendwas anderes – es ist die nackte Angst, die er berührt. Die Mächte, die in „Uzumaki“ am Werk sind, kann kein menschlicher Verstand fassen. Ito zieht in manchen Fällen das Vage dem Konkreten vor und macht damit alles richtig. Denn der Sog, in den „Uzumaki“ einen zieht, hat kein Entkommen. Ito steigert die Geschichte mehr und mehr, lässt den Wahnsinn langsam erwachen. Vertrauen gibt es nur für Erzählerin Kirie, die dem ganzen Treiben vollkommen machtlos gegenüber steht. Jeder Hinweis ergibt nur ein weiteres Rätsel. Jeder Schritt vorwärts führt einen letztlich doch nur im Kreis herum.

Fortsetzung folgt: Die Covermotive der ersten beiden Bände.
Fortsetzung folgt: Die Covermotive der ersten beiden Bände.

© Carlsen

Der 50-Jährige Junji Ito liegt mit „Uzumaki“ nahe an H.P. Lovecraft. Dieser Plot zieht seine Leser unweigerlich in sich, in seine Untiefen und Strudel. Wobei die Kunst Itos darin besteht, dass er genau die richtige Abstimmung zwischen Geschichte und Atmosphäre findet. Der Horror tritt nicht auf, weil jemand Grenzen überschreitet, es gibt keine moralische Ebene. Das Grauen hier ist viel größer.

Umgesetzt hat Ito „Uzumaki“ größtenteils in Schwarz.Weiß. Wobei er Schattierungen perfekt für die Stimmung einsetzt. Gerade in den ersten beiden Kapiteln geht er damit sehr gut um, wenn die ganze Surrealität der Geschichte mehr und mehr zum Vorschein kommt. Itos Striche sind dabei so hart und gespannt, dass „Uzumaki“ einen zwangsläufig in seinen Bann zieht.

Es gibt vor der Spirale keinen Schutz, kein Entkommen. Sie nähert sich unweigerlich und unendlich einem Punkt. „Uzumaki“ zieht im ersten Band weite Kreise um die Dinge, die noch kommen werden. Ito bedient sich dafür keiner brutalen Bilder, die Gewalt liegt komplett im Inneren der Spirale, im Inneren des Menschen. Und was am Ende wartet, ist weit schlimmer als der Tod. Wunder Punkt getroffen – mitten ins Schwarze.

Junji Ito: Uzumaki, Carlsen Manga, bislang zwei Bände, 212/208 Seiten, jeweils 7,95. Band 3 erscheint im März

Björn Bischoff

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