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Schwarz-weißer Realismus. Damit orientiert sich Tanabe auch formal an Lovecraft.

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H.P. Lovecraft als Manga: Realistische Dissonanz

Viele Comiczeichner sind an der Aufgabe gescheitert, Lovecraft in Bildern einzufangen. Gou Tanabe nimmt sich glücklicherweise ein Vorbild am Vorbild.

Vielleicht ist es die annähernde Unmöglichkeit, die Comiczeichner und auch Filmemacher immer wieder reizt, das Werk des Horrorautors H. P. Lovecrafts, das sich so heftig gegen eine Visualisierung sträubt, in Bildern festzuhalten. Der Mensch wächst bekanntlich an seinen Aufgaben

Warum die Übertragung so schwer fällt, darüber ist lang und breit geschrieben worden. Im Kern lässt sich das Problem jedoch auf eine Frage herunterbrechen: Wie soll man ein Grauen einfangen, das den menschlichen Verstand übersteigt und dessen Anblick genügt, einen in den Wahnsinn zu stürzen?

Extremer Realismus, heftige Dissonanz

Wer es versucht, landet oft im banalen wie Erik Kriek oder im mitunter pulpigen wie Alan Moore. Nur wenigen gelang die Adaption so beeindruckend wie Alberto Breccia, der sich mit experimentellen Collagen und abstrakten Bildern behalf, auf denen nichts und gerade deshalb doch alles zu sehen ist.

Tanabe bedient sich suggestiver Bildern von unheimlicher Architektur
Tanabe bedient sich suggestiver Bildern von unheimlicher Architektur

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Der Japaner Gou Tanabe nun nähert sich Lovecraft mit den Mitteln des klassischen Mangas, sprich klaren Linien, harten Kontrasten, schwarz-weißem Realismus, womit er zumindest formal schonmal dem Geist der Vorlage nahe ist: „Geht man bei einer Gruselgeschichte mit extremem Realismus zu Werke, gelingt der unerlässliche Rahmen der Glaubwürdigkeit viel eher, denn erscheint in der Story alles natürlich und glaubhaft, wird man geneigt sein, in dem unnatürlichen Element ein Abweichen von der erwarteten Realität zu sehen, das sich in einer realen Welt ereignet“, schrieb der Kritiker Dirk W. Mosig einmal in dem Aufsatz „Lovecraft, der Dissonanzfaktor in der fantastischen Literatur“.

Seit 2007 adaptiert der Japaner Lovecraft

2007 begann Tanabe mit der Geschichte „The Outsider“. Seitdem hat er nicht aufgehört. Unter anderem bearbeitete er "The Shadow out of Time" und "At the Mountains of Madness". 2018 dann erschien in den USA bei Dark Horse der für den Eisner nominierte Sammelband „Der Hund und andere Erzählungen“, der nun auch hierzulande veröffentlicht wird und Tanabes Adaptionen erstmals auf Deutsch verfügbar macht (Carlsen, 176 Seiten, 12 Euro).

2020 geht es weiter mit "Die Farbe aus dem All".
2020 geht es weiter mit "Die Farbe aus dem All".

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Tanabe zeigt sich darin als ehrfurchtsvoller Interpret, der das Ursprungsmaterial jedoch nicht nur sklavisch abmalt. Bei „Stadt ohne Namen“ hat er wohl ein wenig an „Indiana Jones“ gedacht, die Geschichte „Der Tempel“ verlegt er vom Ersten in den Zweiten Weltkrieg (auch wenn dann zweimal trotzdem vom Kaiserreich gesprochen wird, wenn Nazi-Deutschland gemeint ist).

"Die Bilder treiben gerade erst Knospen"

Den Geist der Vorlagen, die von der Konfrontation des Menschen mit einem das Bewusstsein übersteigenden Schrecken berichten, weiß er jedoch in kalten, präzisen Bildern gekonnt einzufangen, weil er es meist vermeidet, das Grauen eins zu eins als schleimiges, geflügeltes Monster zu zeigen. Lieber überwältigt er mit suggestiven Bildern megalomanischer Architektur. Ein erleuchteter Torbogen, von dem man nicht weiß, was sich dahinter verbirgt, ist unheimlicher als jeder Tentakel.

„An ein Ende denke ich nicht“, schreibt Tanabe im Nachwort. „Sind die Bilder doch gerade erst dabei, Knospen zu treiben.“ Im März 2020 soll „Die Farbe aus dem All“ folgen.

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