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Alte Bekannte: Auch Comic-Künstler wie Line Hoven, Arne Bellstorf und Sascha Hommer tauchen in dem Buch auf.

© Illustration: Rickenbach/Edition Moderne

Graphic Novel: In die Jahre gekommen

Der autobiografische Comic hat sich auf dem deutschsprachigen Comic-Markt etabliert. Aber so reflektiert wie Kati Rickenbachs „Jetzt kommt später“ hat sich bislang noch keine Künstlerbiografie mit dem Thema auseinandergesetzt.

Wenn man für den besten Buchtitel einen Preis vergeben könnte, dann hätte Kati Rickenbach mit „Jetzt kommt später“ gute Gewinnchancen: Der Comic pendelt nicht nur unnachahmlich zwischen einem aktuellen Jetzt und einem bereits vergangenen Später, sondern kündigt gleichzeitig seinen eigenen Entstehungsprozess mit dem simplen Wort kommt an. Und dabei erzählt die Autorin im Comic doch nur ganz unprätentiös von ihren Erfahrungen in Hamburg. Zunächst besuchte sie die Hansestadt im Jahr 2004 im zarten, aber gefährlichen Alter von 23 und blickt fünf Jahre später auf dieses Damals zurück.

Das Personal in ihrem Comic sind die Illustrationsstudenten der Hochschule für Angewandten Wissenschaft, kurz der HAW. Das ist eben jene Kunsthochschule an der Anke Feuchtenberger unterrichtet und die Hamburger Schule prägt. Neben der Gastrolle von Frau Feuchtenberger nehmen die jugendlichen Versionen deutscher Comic-Künstler wie Line Hoven, Arne Bellstorf und Sascha Hommer die Hauptrollen ein. Letzerer versucht, Kati davon zu überzeugen, dass man ruhig etwas hinzuerfinden kann, um seine Geschichte besser zu machen.

Altersweisheit und jugendlicher Leichtsinn

Erfindungsreichtum muss aber nicht heißen, dass man die Geschichte erfunden hat. Und verbessert werden muss an „Jetzt kommt später“ auch nichts. Rickenbach nimmt den Gedanken trotzdem im Comic auf und zeigt ihrem Freund Jon, was es heißen würde, in einem autobiografischen Comic etwas hinzuerfinden. Es ist eben nicht egal, ob es im Stadtpark geregnet hat oder nicht und ob ihre beste Freundin Priska heißt oder eben nicht.

Kraft der Phantasie: Eine Seite aus dem Buch.
Kraft der Phantasie: Eine Seite aus dem Buch.

© Illustration: Rickenbach/Edition Moderne

Der Comic lebt vor allem von seiner unverblümten Direktheit. Das gilt nicht nur für die Geschichte, sondern auch für die Zeichnungen. Schnell wird das Auge über die schwarz-weißen Seiten geführt und dann durch Akzentuierungen verschiedener Grauabstufungen zum Verweilen eingeladen. Gerade die Stimmung der Figuren der Vergangenheit und Gegenwart werden direkt in Gestiken und Mimiken eingefangen.

Das Schöne an diesem Comic ist die Tatsache, dass in beide Richtungen reflektiert wird: Es wird nicht nur altersweise zurückgeblickt, sondern auch dem jugendlichen Leichtsinn des Jahres 2004 Platz für Kritik am Erwachsenenstadium eingeräumt. Ein kleines Manko: Die wirklichen Probleme des Erwachsenswerdens treffen die Heldin erst ab der Hälfte des dicken Wälzers und werden dann immer nur kurz angeschnitten. Aber wer möchte seine Privatsphäre schon in aller Öffentlichkeit breittreten? Und hey, wenn es nicht stattgefunden hat, so Kati Rickenbach, dann wird es eben auch nicht erzählt.

Ein Coming-of-Age-Comic ist „Jetzt kommt später“ eigentlich nicht, da man ja fast schon im Alter angekommen ist. Man verweilt halt nur noch einen Moment, um über die Jugend zu sinnieren. Und wer dann noch fragt, wo eigentlich die Authentizität bleibt – autobiografische Comics brauchen doch sowas – der schlage im gepflegten Appendix des Comics nach. Dort versammeln sich alle gezeichneten Arbeiten aus den Jahren 2004 und 2009 als Zeitdokumente.

Kati Rickenbach: Jetzt kommt später, Edition Moderne 2010, 304 Seiten, 24 Euro, Leseprobe unter diesem Link.

Zum Blog unseres Autors Daniel Wüllner geht es hier

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