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Mystische Anfälle: Eine Seite aus dem Buch.

© Reprodukt

Graphic Novel: Farbexplosionen in der Regenpfütze

Manu Larcenet hat sich mit Comic-Erzählungen einen Namen gemacht, die mal putzig-lustig, mal poetisch-melancholisch daherkamen. Sein neues Werk „Blast“ ist ein virtuoser Schlag in die Magengrube. Jetzt ist der erste Band auf Deutsch erschienen.

Manu Larcenet ist eher fürs Humoristische bekannt. Selbst seine wundervoll melancholische Reihe „Der alltägliche Kampf“ ist von funkelnden Momenten kindlichen Übermuts kontrapunktiert. Als Humorist gehörte er bereits in die oberste Riege der Erzähler.

Jetzt aber zeigt er, welche Register er noch beherrscht. „Blast“ ist anders als alles, was er bislang gemacht hat. Das zeigt schon das erste Bild: ein nach oben dunkler und rissiger werdendes Wolkengebilde, das sich bleiern auf eine Stadt legt. „Blast“ verbreitet eine Atmosphäre von Vergeblichkeit und Überdruss.

Der entrückte Koloss Polza Mancini erzählt in einem Verhör, wie ihn nach dem Tod seines Vaters immer wieder mystische Anfälle übermannen, die „Blasts“, die ihn dazu bringen, sein ganzes bisheriges Leben über Bord zu werfen. Auf seinem massigen Körper sitzt ein kugelrundes Kindergesicht, aus dem eine penisartige Nase ragt. Polza wirkt auf seine Mitmenschen abstoßend. Er schleicht am Rande der Gesellschaft herum und wartet auf die Eingebungen seiner Blasts, die ihn irgendwann zum Gewaltverbrecher machen werden.

Larcenets Wurzelmännchen mit ihren Knollennasen und Knautschgesichtern verlieren in dieser Welt ihre Menschlichkeit und nehmen tierische Züge an. Polzas Vater ist ein Vogelmann aus dem polynesischen Kult. Polza fürchtet sich nicht mehr vor den Menschen, seitdem er einen Moai hinter sich weiß, eine der kolossalen Steinstatuen von den Osterinseln. Er ist in der Welt polynesischer Mythen zu Hause, während die reale Welt um ihn herum in Grau-Schwarz zerläuft, verschmiert oder von Kratzspuren durchzogen ist. Nur wenn der Blast kommt, explodieren grelle Wachsmalfarben und Krakelbilder um ihn herum.

Der erste Schlag: Das Cover von Band 1.
Der erste Schlag: Das Cover von Band 1.

© Reprodukt

Fing „Der alltägliche Kampf“ zauberhaft-flüchtige Augenblicke ein, in denen sich unbemerkt das Leben abspielt, ist hier das Leben jenseits der Blasts nicht mehr als schlammige Turbulenzen in einer Regenpfütze. „Blast“ ist ein atemberaubendes Experiment im Gewand eines Noir: rätselhaft, verschlungen und mit Bildern, die man mit fasziniertem Entsetzen anstarrt.

Manu Larcenet: Blast, Band1: Masse. Aus dem Französischen von Uli Pröfrock , Handlettering von Dirk Rehm, Reprodukt, 208 Seiten, 29 Euro. Leseproben auf der Website des Verlages.

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