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Erfolgreicher Kulturexport: Eine Seite aus der US-Ausgabe von „A House Divided“.

© Lerner Publishing

German Genre: Wie deutsche Comics in den USA groß rauskommen

Dass deutsche Comics in den USA Erfolg haben, ist nach wie vor selten. Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie der Sprung über den Atlantik gelingen kann.

Das US-Fachmagazin „Entertainment Weekly“ lobte das Buch für seine „urkomischen Figuren“ und das gute Timing der Dialoge und der Handlung. Das Literaturjournal „Kirkus Review“ hob den vielschichtigen Plot und die „atemberaubenden Illustrationen“ hervor. Und die Rezensentin der Comicwebsite „CBR“ pries den Import aus dem fernen Deutschland als „absolute delight“, als wahre Freude.

So viel Begeisterung wie der Abenteuergeschichte „A House Divided“ von Haiko Hörnig und Marius Pawlitza wird einem deutschen Comic in den USA selten zuteil. Die meisten hierzulande geschaffenen Werke werden nie in andere Sprachen übersetzt, geschweige denn erfolgreich in große Comicländer wie die USA, Frankreich oder Japan exportiert. In Sachen Comics ist Deutschland nach wie vor ein Importland.

International zugänglich: Eine Seite aus der US-Ausgabe von „A House Divided“.
International zugänglich: Eine Seite aus der US-Ausgabe von „A House Divided“.

© Lerner Publishing

In jüngster Zeit scheint sich das jedoch langsam zu ändern – und besonders viel Zuspruch bekommen derzeit in den USA Genre-Titel, die sich an Kinder und Jugendliche richten. Also Abenteuer- und andere fiktive Geschichten, wie etwa Olivia Viewegs in Thüringen spielendes Zombie-Drama „Endzeit“, Daniel Lieskes Fantasy-Geschichte „Wormworld Saga“ oder eben „A House Divided“, dessen zweiter Band in dieser Woche in Nordamerika veröffentlicht wird.

Nachdem lange nichts passierte, nahmen die Autoren die Sache selbst in die Hand

Die Serie, die fortlaufend auf der Website pengboom.de erscheint und von der auf Deutsch bislang zwei von insgesamt vier geplanten Sammelbänden erschienen sind, erzählt von der jungen Waisen Henrietta Achilles, die ein verzaubertes Schloss von ihrem Onkel erbt. Als sie dort einziehen will, muss sie sich neben allerlei magischen Phänomenen auch mit Banditen und Soldaten herumschlagen, die in dem Gebäude leben.

Verfluchtes Erbe: Das Cover der US-Ausgabe des ersten Bandes von „A House Divided“.
Verfluchtes Erbe: Das Cover der US-Ausgabe des ersten Bandes von „A House Divided“.

© Lerner Publishing

Haiko Hörnigs Dialoge sind pointiert, der rasante Plot auch für ältere Leser unterhaltsam, Marius Pawlitzas Zeichnungen erinnern mit ihren klaren Linien und ihrer grafischen Perfektion an Zeichentrickfilme aus Japan oder den USA.

Wenn deutsche Comics wie dieser international groß rauskommen, hat allerdings nur zum Teil mit ihrer universalen Zugänglichkeit zu tun. Es ist vor allem das Ergebnis eines zielstrebigen Werbens und Netzwerkens, wie Haiko Hörnig im Gespräch mit dem Tagesspiegel erzählt.

„Wir hatten schon lange den Wunsch, unsere Comics auch in Amerika herauszubringen.“ Nachdem etwa ein Jahr nach der deutschen Veröffentlichung von „A House Divided“ beim Hamburger Carlsen-Verlag noch nichts passiert war, nahmen die Autoren die Sache selbst in die Hand: Sie suchten sich einen amerikanischen Literaturagenten, der für sie auf Verlagssuche gehen sollte.

Der selbe Agent wie Noelle Stevenson und Jeff Lemire

„Glücklicherweise hatten wir bei den Vertragsverhandlungen mit unserem deutschen Verlag darauf geachtet, die Auslandsrechte zeitlich zu beschränken, das heißt, nach zwölf Monaten gingen die Lizenzrechte von Band 1 wieder an uns zurück“, sagt Hörnig.

„Sowas ist in den Staaten ziemlich weit verbreitet, aber in der deutschen Comicszene immer noch sehr selten“, erklärt der Autor. Sie konnten den erfahrenen Agenten Charlie Olson für sich gewinnen, der in Nordamerika bekannte Comicschaffende wie Noelle Stevenson oder Jeff Lemire vertritt und auf „A House Divided“ sofort ansprang, wie Hörnig sagt.

„Charlie klopfte dann bei so ziemlich allen relevanten US-Verlagen an.“ Am Schluss konnten Hörnig und Pawlitza aus mehreren Angeboten wählen, sie entschieden sich für den renommierten Kinderbuchverlag Lerner Publishing, der unter dem Label Graphic Universe auch Comics veröffentlicht.

Erfolgreiche Gespräche in Angoulême

Bei Olivia Viewegs Zombie-Abenteuer „Endzeit“, das im vergangenen Jahr erfolgreich verfilmt worden war und kürzlich ebenfalls bei Lerner Publishing erschienen ist, lief das anders. Hier ist der Sprung über den Atlantik dem Engagement des Carlsen-Verlages zu verdanken, wo Viewegs Titel im Original erschienen ist.

Aus Thüringen in die USA: Olivia Viewegs „Endzeit“ trägt auf Englisch den Titel „Ever After“.
Aus Thüringen in die USA: Olivia Viewegs „Endzeit“ trägt auf Englisch den Titel „Ever After“.

© Lerner Publishing

Es begann bei einem Treffen mit einem Redakteur des US-Verlages auf dem Comicfestival in Angoulême, wie Daniela Steiner, Lizenzchefin bei Carlsen, berichtet. „Eigentlich war das gar nicht sein Genre“, erzählt Steiner von ihrer Begegnung mit dem US-Redakteur, „aber wir hatten auch ein Plakat mit dem Cover als Standseite und immer, wenn er bei uns vorbeigegangen ist, blieb er daran hängen.“

Der Redakteur habe dann ein Exemplar von „Endzeit“ mit in die USA genommen „und auf stetiges Nachfragen unserer amerikanischen Agentin wurde ein Vertrag daraus.“

„In Deutschland haben Genre-Comics immer noch große Schwierigkeiten“

Dass in den USA gerade deutsche Genre-Titel aus den Bereichen Abenteuer und Fantastik für jüngere Leserinnen und Leser punkten können, reflektiert die dortige Marktentwicklung: „Der Graphic-Novel-Markt für jüngere Leser in den USA boomt seit einigen Jahren “, sagt Haiko Hörnig. „Anders als in Deutschland, wo Genre-Comics immer noch große Schwierigkeiten haben, ihr Publikum zu finden.“

Das Titelbild des zweiten Bandes der US-Ausgabe von „A House Divided“.
Das Titelbild des zweiten Bandes der US-Ausgabe von „A House Divided“.

© Lerner Publishing

„Kids Comics ist ein weit verbreitetes Buzzword“, sagt Daniela Steiner. Vorreiter seien hier in Europa Frankreich und Spanien. Neben Genre-Comics für jüngere Leser sind nach ihrer Einschätzung auch Krimis, Thriller, Autobiografien und Historische Stoffe aus Deutschland international gefragt.

Besonders populär im Ausland seien schon länger international bekannte deutsche Comicschaffende wie Reinhard Kleist mit seinen gezeichneten Biografien von Johnny Cash, Nick Cave oder dem Holocaust-Überlebenden Harry Haft sowie in jüngster Zeit auch Flix mit seinem „Spirou in Berlin“, Arne Jysch mit seiner Adaption des Krimis „Der nasse Fisch“, der der Serie „Babylon Berlin“ zugrunde liegt oder Kristina Gehrmann mit ihrer Adaption von Upton Sinclairs „Der Dschungel“.

Ein Marketing-Profi verschafft ihnen viel Aufmerksamkeit

Hat ein Titel aus Deutschland in den USA Erfolg, können sich dessen Schöpfer auf eine bemerkenswerte Resonanz einstellen. „Das war ein dramatischer Unterschied im Vergleich zu Deutschland“, sagt Haiko Hörnig. Beim US-Start von „A House Divided“ gab es zahlreiche Interviews, Rezensionen und Features in großen Mainstream-Medien und comicspezifischen Webseiten.

„Dass die Presse so gut war, hatte auch viel damit zu tun, dass der Verlag den Publicity-Experten David Hyde von Superfan Promotions angeheuert hatte“, sagt Hörnig. Der Marketing-Profi entwickelte zusammen mit dem Autorenteam einen Plan, damit der Start der Reihe möglichst viel Aufmerksamkeit bekommen konnte. „Sowas hatten wir in Deutschland einfach noch nicht erlebt.“

Was für die Autoren finanziell übrig bleibt

Wieweit die Autoren von derartigen Exporten profitieren, sei von Fall zu Fall sehr unterschiedlich, sagt Hörnig. „In unserem Fall haben wir ja die Auslandsrechte behalten, das heißt. die gesamte verhandelte Summe bleibt bei uns, abzüglich der 15 Prozent Provision des Agenten.“

Wenn man die Auslandslizenz allerdings über einen Verlag verkaufe, bekomme man in der Regel 40 bis 60 Prozent des Lizenzgelds. Aber da Verlage oft auch Agenten beschäftigten, gehe davon auch noch mal Provision ab. Und im schlechtesten Fall werde der Rest dann noch mit dem ursprünglichen Vorschuss der deutschen Ausgabe verrechnet, wie der Autor erklärt. Das zeige, dass es sich für Comicschaffende sehr lohne, die Auslandsrechte zu behalten und direkt Kontakt zu einer Literaturagentur zu suchen.

Aus US-Sicht ist das Herkunftsland der Comics made in Germany allerdings von geringer Bedeutung, für die dortigen Verlage sind Aspekte wie Qualität und Zielgruppentauglichkeit entscheidend.

Auch wenn „Endzeit“ und „A House Divided“ sehr unterschiedliche Bücher seien, hätten sie doch eines gemeinsam, sagt Greg Hunter, Chefredakteur des Graphic-Novel-Programms von Lerner Publishing, dem Tagesspiegel: „Sie legen beide eine besondere Aufmerksamkeit auf die Charakterentwicklung – und sie verstehen beide sehr gut, was US-Lesern an diesen Genrestoffen gefällt.“

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