zum Hauptinhalt
Herr der Bücher. David Basler in seinem Verlag, aufgenommen 2016.

© Lars von Törne

Führungswechsel im „Persepolis“-Verlag: Pionier mit Weitblick

Der Schweizer Verleger David Basler prägte mit der Edition Moderne fast 40 Jahre lang die deutschsprachige Comicszene. Jetzt zieht er sich zurück.

Die Begeisterung war groß. „Ein herausragendes Stück Comic-Literatur, das die Möglichkeiten des Mediums exemplarisch vorführt“, urteilte der Tagesspiegel-Kritiker. Das Lob galt damals, vor 15 Jahren, einem Buch, welches die öffentliche Wertschätzung der Kunstform Comic hierzulande seitdem spürbar befördert hat: Marjane Satrapis autobiografische Graphic Novel „Persepolis“.

Dass die Jugenderinnerungen der iranisch-französischen Autorin und Zeichnerin auch in Deutschland zum Bestseller und Wegbereiter einer ganzen Reihe anspruchsvoller Comicerzählungen werden konnten, die oft reale Lebensgeschichten verarbeiten, ist einem Mann zu verdanken, der fast 40 Jahre lang die deutschsprachige Comicszene geprägt hat. David Basler, Chef des in Zürich sitzenden Verlages Edition Moderne. Jetzt gibt der Verleger, der im vergangenen Jahr 65 wurde, die Führung ab.

„Das ist eine Herzenssache“

Basler übergibt sein Unternehmen, das er 1981 zusammen mit drei Partnern gründete und seit Ende der 80er Jahre alleine führt, in die Hände zweier Nachfolger, mit denen er bereits seit einigen Jahren zusammenarbeitet: Julia Marti und Claudio Barandun.

„Die haben vor drei Jahren die Buchgestaltung unseres Verlages übernommen, sind beide Comicfans und wollten den Verlag übernehmen – das gab den Ausschlag“, erzählt David Basler im Gespräch.

Eigentlich hatte er die Edition Moderne bereits ein paar Jahre zuvor verkaufen wollen, als er in einer Finanzkrise steckte. „Aber es fand sich niemand.“ Denn das Verlegen von Büchern – insbesondere von anspruchsvollen, aufwendig gestalteten Comics – sei kein Projekt, das viel Geld bringe. „Das ist eine Herzenssache.“

Seine Motivation als zweisprachig aufgewachsener Comicfan war vor allem, Arbeiten aus Frankreich im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen, die hiesigen Lesern die Augen dafür öffneten, was es dort jenseits von Asterix und Lucky Luke zu entdecken gab: die historischen Erzählungen und Detektivgeschichten von Jacques Tardi zum Beispiel oder die kontrastreichen Hard-Boiled-Storys der in Frankreich lebenden Argentinier José Munoz und Carlos Sampayo.

„David Basler war seiner Zeit voraus“

Joe’s Bar von Munoz & Sampayo, 120, rue de la Gare von Jacques Tardi, Tales of Error von Thomas Ott – Ende der 80er Jahre erschienen in der Edition Moderne Werke, bei denen Inhalt, Ausdruck und Verpackung perfekt harmonierten“, sagt Baslers Kollege Dirk Rehm, der 1991 den Verlag Reprodukt gründete und zu einer weiteren deutschsprachigen Institution für Autorencomics machte.

„Das Verlagsprogramm von David Basler war seiner Zeit voraus“, sagt Rehm. „Hinter der ungewohnten Ausstattung der Comics – von Joe Zimmermann streng in Form und Farbe verpackte Produkte – war die Energie eines Verlegers zu spüren, der Seh- und Lesegewohnheiten aufbrechen wollte.“ Nicht nur Reprodukt, so Rehm, gäbe es ohne die Edition Moderne nicht – „dank David Basler hat die deutschsprachige Comicszene einen gewaltigen Schritt nach vorn gemacht.“

Johann Ulrich, der mit seinem Avant-Verlag inzwischen ebenfalls eine ähnliche Kundschaft bedient, ergänzt: „Ich kaufe die Bücher der Edition Moderne, weil ich dem Verleger und seinem Geschmack vertraue – und werde nie enttäuscht.“ Basler bleibe auch nach dem Rückzug aus dem Tagesgeschäft „eine Inspiration für mich“. 

Der größte Bestseller ist außerhalb der Schweiz kaum bekannt

Dank einiger veritabler Bestseller ging es mit der Edition Moderne ab den 90er Jahren wirtschaftlich bergauf, zwischenzeitlich hatte das Unternehmen drei Angestellte.

Besonders erfolgreich war neben „Persepolis“, von dem nach Angaben des Verlegers bislang rund 150.000 Exemplare verkauft wurden, lange Zeit auch eine Reihe, die außerhalb der Schweiz so gut wie unbekannt ist: „Zürich by Mike“, eine Sammlung von in Zürich spielenden Episoden des Schweizer Zeichners Mike van Audenhove, der 2009 starb. Davon wurden Basler zufolge insgesamt 200.000 Bücher verkauft.

Die Büroräume teilt sich die Edition Moderne mit der Zeitschrift "Strapazin".
Die Büroräume teilt sich die Edition Moderne mit der Zeitschrift "Strapazin".

© Lars von Törne

Ein weiterer wichtiger Titel in der Verlagsgeschichte war der sozialkritische Road-Comic „Autoroute de Soleil“ des französischen Zeichners Baru. Das Buch erschien 2000 im handlichen Buchformat, das sich von den bis dahin üblichen Albengrößen abhob und äußerlich eher einem Belletristik-Werk ähnelte als einem klassischen Comic.

Das war der Auftakt für die Vermarktung längerer, in sich geschlossener Comicerzählungen als „Graphic Novels“, die später von anderen Verlagen weiter vorangetrieben wurde und dem Comic in Deutschland den Weg in den klassischen Buchhandel und zunehmend auch ins Feuilleton ebnete.

Tardi trägt sich gerade mal selbst

Die vielgelobten und mit Preisen ausgezeichneten Bücher von Jacques Tardi hingegen tragen sich finanziell gerade mal selber, wie Basler sagt. Zwar habe er von Tardis Adaption des Léo-Malet-Krimis „120, Rue de la Gare“ 10.000 Exemplare verkauft – das aber in einem Zeitraum von 30 Jahren.

Auf ähnlichem Niveau liege die Auflage von Tardis Erster-Weltkriegs-Klassiker „Elender Krieg“. Und neuere Bände des Franzosen erscheinen in Auflagen von 2000 bis 3000 Exemplaren – das reiche oft gerade, um die Kosten für die Übersetzung, das aufwändige Lettering und die hochwertige Gestaltung der Bücher zu decken.

Neben weiteren heute auch hierzulande hochgeschätzten Autoren aus dem Ausland wie dem Comicreportage-Pionier Joe Sacco oder dem französischen Comicerneuerer David B. verlegte Edition Moderne später zunehmend auch deutschsprachige Künstler.

Die kamen oft aus dem Umfeld des von Basler 1984 mitgegründeten Magazins „Strapazin“, dessen Redaktion sich mit der Edition Moderne die Verlagsräume teilt. Die Liste der deutschsprachigen Autoren reicht von Thomas Ott, Nicolas Mahler und Anke Feuchtenberger bis zu Katz und Goldt sowie Vertretern einer neuen Comicgeneration wie Jan Bachmann, Hannes Richert und Nando von Arb.

Prekäres Geschäft

Wie prekär das Geschäft des Comicverlegers trotz allem immer noch ist, haben ihm zuletzt die Insolvenz des Buchgroßhändlers KNV gezeigt, sagt David Basler. Dessen Pleite Ende 2018 habe zwar andere Comicverlage, deren Rechnungen in teilweise fünfstelliger Höhe unbezahlt blieben, noch stärker getroffen.

Aber sie habe ihm ein weiteres Mal vor Augen geführt, dass sich die wirtschaftliche Lage gerade auch als Comicverleger in den knapp 40 Jahren seit Gründung der Edition Moderne nicht grundlegend geändert habe. So sei er nach der Hochphase mit drei Angestellten zuletzt nur noch der einzige Angestellte seines Verlages gewesen.

Raus aus der Schmuddelecke

Was sich geändert habe, sei aber die öffentliche Wertschätzung für die Kunstform. Das Aufkommen weiterer Verlage wie Reprodukt und Avant, die auf anspruchsvolle Comics setzen, sowie das Engagement von großen Literaturverlagen wie Rowohlt und Suhrkamp in diesem Segment habe geholfen, „den Comic aus der Schmuddelecke herauszuholen“, sagt David Basler.

Auch die vielen Besprechungen im Feuilleton, die langsam aber stetig wachsende öffentliche Förderung von Comic-Projekten und das Engagement vieler Hochschulen im deutschsprachigen Raum, die inzwischen den Nachwuchs fördern, sind für ihn Grund zur Zuversicht: „Kulturell ist das Ziel erreicht worden, dass der Comic als Neunte Kunst angesehen wird.“

„Der Wechsel kommt im richtigen Augenblick“

Seinem Verlag will Basler, der kürzlich von der Stadt Zürich für seine besonderen kulturellen Verdienste geehrt wurde, noch eine Zeitlang als Mitarbeiter erhalten bleiben. So lange, wie seine Nachfolger ihn gebrauchen können, wolle er als Angestellter weiterarbeiten, seine Aktienmehrheit am Verlag werde er im Laufe des Jahres abgeben – und hoffentlich in zwei Jahren das 40-jährige Verlagsjubiläum mitfeiern.

Die Leitungsposition freizuräumen, falle ihm nicht schwer, sagt Basler. Julia Marti und Claudio Barandun hätten bereits zuvor zunehmend beim Verlagsprogramm mitentschieden. So sei der kunstvolle Architektur-Thriller „Der Magnet“ des Franzosen Lucas Harari ein Titel, der auf den Einsatz der beiden neuen Verlagschefs zurückgehe.

„Es fühlt sich super an – ich bin seit vergangenem Jahr Rentner, der Wechsel kommt im richtigen Augenblick“, sagt Basler. Zudem habe er nun mehr Zeit für seine Enkel, die vier und eineinhalb Jahre alt sind. Auch könne er sich jetzt öfter Hobbys wie Bridgespielen und Fahrradfahren widmen – „ganz normale Rentnertätigkeiten eben“.

Zur Startseite