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Fantasy: Der Herr der Trolle

Christophe Arleston ist Frankreichs populärster Comic-Autor. Ein Portrait.

Diese Menschen sind einfach wunderbar, freut sich Troll Teträm. Man greift sie an, man frisst sie auf – und immer wieder kommen frische. Christophe Arlestons mitunter etwas martialischer Humor mag nicht jedermanns Sache sein. Dennoch (oder vielleicht gerade deswegen): Arleston zählt zu den erfolgreichsten Comic-Autoren Frankreichs. Und zu den produktivsten. Allein zwischen September und Dezember 2008 sind sechs neue Titel aus seiner Feder erschienen.

Arlestons bisher größter Erfolg ist die Fantasyserie „Troll von Troy“. Ursprünglich nur ein Spin-Off zum Fantasyepos „Lanfeust von Troy“ hat die von Jean-Louis Mourier gezeichnete Reihe der Mutterserie längst den Rang abgelaufen. Arlestons Trolle haben Menschen zum Fressen gern, sind ansonsten aber überaus sympathische Zeitgenossen. Teträm zum Beispiel ist ein äußert fürsorglicher Familienvater. Sein besonderer Liebling ist seine Adoptivtochter Waha, ein Menschenmädchen, das sich jedoch vorbildlich assimiliert hat und von der Dorfgemeinschaft inzwischen als „Troll ohne Haare“ angesehen wird.

Jeder Mensch verfügt über eine bestimmte Zauberkraft

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Zurück in die Zukunft. Szene aus dem ersten Band von "Lanfeust der Sterne".

© Alle Illustrationen aus den besprochenen Büchern

Den gesellschaftlichen Status eines Trolls erkennt man übrigens an der Anzahl von Fliegen, die ihn umschwirren. Näheres dazu findet sich in der bislang auf drei Bände angewachsenen „Enzyklopädie von Troy“, in der Arleston in pseudowissenschaftlicher Manier die Hintergründe seines Troy-Universums erläutert. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch der Hinweis, dass verzauberte Trolle hervorragende Dienstboten in menschlichen Haushalten abgeben. Doch seien Sie gewarnt: Die Verzauberung hält selten lange.

Christophe Pelinq, der sich Arleston, manchmal auch Scotch Arleston nennt, wird am 14. August 1963 in Aix-en-Provence geboren und versucht sich zunächst als Journalist. 1992 erscheinen schließlich seine ersten beiden Comicserien: „Die Meisterkartografen“ (Zeichnungen Paul Glaudel, mit 6 Bänden inzwischen abgeschlossen) und die humoristische Krimiserie „Leo Loden“ (Zeichnungen: Serge Carrère, bis heute 18 Bände). Ein Jahr später folgt die erotische Fantasyserie „Die Feuer von Askell“, bei der er erstmals mit Mourier zusammenarbeitet. 1994 schlägt die Geburtsstunde von „Lanfeust von Troy“ (Zeichnungen: Didier Tarquin). Der Durchbruch ist geschafft.

Troy ist eine mittelalterliche Welt, in der jeder Mensch über eine bestimmte Zauberkraft verfügt. Der eine kann Haare wachsen, der andere zum Beispiel Wasser gefrieren lassen. Nur Lanfeust fällt aus dem Rahmen. Mit einer Fülle von irrwitzigen Einfällen schickt Arleston seinen eher tollpatschigen als strahlenden Helden auf die Suche nach der absoluten Macht. Zum heimlichen Star der Reihe avanciert Lanfeusts Begleiter, der Troll Hebus, ein Nachfahre von Trollvater Teträm.

Das Troy-Universum wird konsequent ausgebaut - und das war erst der Anfang

Die Serie erfreut sich schnell größter Beliebtheit und Arleston baut sein Troy-Universum konsequent aus. Neben „Troll von Troy“ erzählt „Die Eroberung von Troy“ (Zeichnungen: Ciro Tota) von den ersten Siedlern auf Troy, während die „Gnome von Troy“ (Zeichnungen Tarquin) in bester „Kleiner Spirou“-Manier die Abenteuer von Klein-Lanfeust berichten. Hinzu kommen noch die Manga-Version „Lanfeust Quest“ und ein Fantasy-Spielbuch. Nicht zu vergessen die „Kartografie von Troy“. Jüngster Zuwachs ist die Reihe „Legenden von Troy“, für die Arleston mit verschiedenen Zeichnern wie Dany, Eric Herenguel oder Nicolas Keramidas zusammenarbeitet. Auch Lanfeust selbst darf weitere Abenteuer erleben. Nach Abschluss des ersten, achtbändigen Zyklus katapultiert „Lanfeust der Sterne“ unseren Helden in die Tiefen des Weltalls. Dieser zweite Achtteiler stieß in Fankreisen eher auf verhaltene Zustimmung, weshalb der bereits angekündigte dritte Zyklus „Lanfeust de Sixte“ wieder auf Troy spielen soll.

Mit der Welt von Troy ist indes Arlestons Ideenreichtum bei weitem nicht erschöpft. Er schreibt eine Vielzahl weiterer Serien – und fast alle werden zu Bestsellern, darunter die Fantasyreihen „Die Opalwälder“ (Zeichnungen: Philippe Pellet). „Excalibur“ (Zeichnungen: Eric Hübsch) und „Elixier“ (Zeichnungen: Alberto Varanda), der Funny „Tandori“ (Zeichnungen: Curd Ridel) sowie die Science-Fiction-Serien „Moréa“ (Zeichnungen: Thierry Labrosse) und „Die Schiffbrüchigen von Ythaq“ (Zeichnungen: Adrien Floch). Mit „Sin Bad“ (Zeichnungen: Pierre Alary) entdeckt Arleston schließlich auch die Märchenwelt von 1001 Nacht für sich, nicht ohne auch dieser seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Der Vergleich mit Asterix-Schöpfer Goscinny drängt sich auf

Arleston ist in kürzester Zeit zu einem der populärsten und einflussreichsten Comic-Autoren Frankreichs aufgestiegen. 1998 erblickt das monatliche „Lanfeust MAG“ das Licht der Welt. Als sein Chefredakteur firmiert: Christophe Arleston. Spätestens an diesem Punkt drängt sich der Vergleich mit dem legendären Comic-Autor René Goscinny förmlich auf.

Goscinny, Schöpfer von Asterix, Isnogud und dem kleinen Nick und langjähriger Lucky Luke-Texter, dominierte als Chefredakteur des Comicmagazins „Pilote“ über viele Jahre hinweg den französischen Comicmarkt wie, abgesehen vielleicht von Jean-Michel Charlier (Leutnant Blueberry, Buck Danny), kaum ein anderer. Ob man Arleston eines Tages auf dieselbe Stufe stellen darf, bleibt noch abzuwarten. Sein Phantasiereichtum jedenfalls ist ähnlich atemberaubend. Dass Goscinny zu seinen erklärten Vorbildern gehört, steht ebenfalls außer Frage. Gerade in „Troll von Troy“ wimmelt es von Anspielungen auf die unbezwingbaren Gallier. Obelix und Troll Teträm würden sich, davon ist auszugehen, bestimmt großartig verstehen. Wer diesbezüglich je Zweifel hatte, wird durch eine zweiseitige Kurzgeschichte, in der Obelix und Teträm ihre gemeinsame Leidenschaft für die Jagd nach Römern entdecken, eines Besseren belehrt. Eine freche Hommage von Arleston und Mourier zum 80. Geburtstag des Asterix-Zeichners Uderzo. Und ernstzunehmende Konkurrenz. Arlestons Szenarien sind jedenfalls allemal besser als die letzten, von Uderzo selbst getexteten Asterix-Bände.

Christophe Arleston in deutscher Übersetzung:
Carlsen Verlag (Lanfeust von Troy, Lanfeust der Sterne, Troll von Troy, Gnome von Troy, Enzyklopädie von Troy, Die Feuer von Askell, Excalibur, Elixier)
Kult Editionen (Die Opalwälder )
Splitter Verlag (Die Schiffbrüchigen von Ythaq, Moréa, Sin Bad)

Florian Weiland-Pollerberg

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