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Up, Up and Away: Eine Szene aus „Happy Place“.

© Rotopolpress

Episodencomic „Happy Place“: Kleine Fluchten aus dem Lockdown

Absurder Alltag und Stippvisiten im Traumland: Max Baitinger lässt in seinem Episodencomic „Happy Place“ einen eigenen Kosmos lebendig werden.

Zweidimensionale Kunstfiguren werden lebendig und bescheren ihrem Schöpfer aufregende Abenteuer. Tierische Kindheitshelden und diabolische Besucher schenken Ausfluchten aus dem tristen Alltag. Abstrakte Gedanken, Geräusche und Bewegungslinien nehmen physische Gestalt an – so kann es aus aussehen, wenn Träume Wirklichkeit werden.

Der Leipziger Zeichner Max Baitinger hat für sein jüngstes Buch „Happy Place“ (Rotopolpress, 160 S., 18 €) ein gutes Dutzend Comic-Episoden zusammengeführt, die durch surrealistische Fantasie und einen melancholisch angehauchten Witz bestechen. Nach seinen Büchern „Röhner“ und „Birgit“ beweist der Autor hier ein weiters Mal sein feines Gespür für die Absurditäten des menschlichen Alltags.

Manifestierte Bewegung: Eine Szene aus „Happy Place“.
Manifestierte Bewegung: Eine Szene aus „Happy Place“.

© Rotopolpress

Manche der jeweils nur wenige Seiten umfassenden Kurzgeschichten hat Baitinger zuvor bereits im Selbstverlag veröffentlicht, doch sie funktionieren auch als durchgehende Erzählung. Mit wenigen Strichen, geometrischen Formen und einer dezent pastellfarbenen Kolorierung lässt der Zeichner hier einen eigenen Kosmos lebendig werden.

Da taucht sein offensichtlich autobiografisch inspirierter und als Illustrator arbeitender Protagonist beim Gespräch mit einem Freund in dessen Gedankenwelt ein – und Baitingers Bilder vermitteln dies ganz wörtlich als Reise ins physische Innere des Gesprächspartners.

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In einer anderen Episode scheint sich der Erzähler beim Kampfsport in einer Art geflochtenes Papierband zu verwandeln, dessen Krümmungen den Aufprall von Tritten und Schlägen verbildlichen. Zwischendurch bescheren ihm der Teufel und eine knollennasige Cartoonfigur rauschhafte Erlebnisse – wobei dank einer auf Andeutungen beschränkten Bildsprache offen bleibt, was sich davon nur im Kopf des Erzählers abgespielt hat.

[„So müsste es ausgesehen haben, wenn Luigi Colani Gedichte geschrieben hätte“ - hier gibt es den Bericht von Oliver Ristau zum Comicfestival Hamburg, wo unter anderem Arbeiten von Max Baitinger ausgestellt wurden.]

Baitingers Ich-Erzähler kommentiert die eigenen Erlebnisse mit subtiler Ironie und streut gelegentlich kleine Lebensweisheiten ein, hält sich ansonsten aber eher zurück. Ein wenig erinnert das an „Little Nemo“, den Traumreisenden in Winsor McCays historischen Zeitungscomics des frühen 20. Jahrhunderts, der selbst eher passiv erscheint, aber an dessen Seite die Leser fantastische Fluchten aus dem Alltag erleben konnten.

Das Titelbild des besprochenen Bandes.
Das Titelbild des besprochenen Bandes.

© Rotopolpress

Bei Baitinger tummeln sich allerdings neben zahlreichen Fantasiegestalten auch vertraute Figuren und Konzepte aus dem echten Leben, die er mit teils absurdem Humor in seine Gedankenspiele einbaut: Zahnärzte, das Steuersystem oder Auftraggeber zum Beispiel, die einem als Illustrator so über den Weg laufen.

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Wie die beiden Kunden, denen der Erzähler ein Konzept für Tiercartoons vorstellt. Die finden das allerdings gar nicht lustig – und entpuppen sich als Mischwesen mit menschlichem Körper und Krokodil- beziehungsweise Elefantenkopf.

„Happy Place“ lädt dazu ein, den eigenen Alltag zu hinterfragen, nicht alles ganz so ernst zu nehmen, zumindest in Gedanken mal aus vertrauten Bahnen oder der Enge des gegenwärtigen Lockdowns auszubrechen – auch wenn man am Ende vielleicht nicht, wie Baitingers Ich-Erzähler, auf einem gigantischen Schwan dem Happy End an einem neuen Ort entgegenfliegt.

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