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Alexander Braun.

© Robert Miguletz

Eisner Award für „Krazy Kat“-Herausgeber: „Es gibt keinen komplexeren und vollendeteren Comic“

Der deutsche Kunsthistoriker Alexander Braun hat mit seiner Gesamtausgabe des Zeitungscomics „Krazy Kat“ die höchste Auszeichnung der US-Comicbranche gewonnen.

Vergangene Nacht sind in San Diego wieder die bekanntesten Comicpreise Nordamerikas verliehen worden, die Eisner Awards. Hier gibt es ein Video der Verleihung, die in diesem Jahr wegen der Coronavirus-Pandemie nur in Form einer digitalen Zeremonie stattfand.

Eine der Auszeichnungen - und das ist eine Seltenheit - geht in diesem Jahr auch nach Deutschland. Und zwar an den Kurator und Herausgeber Alexander Braun.

Braun bekam einen Eisner Award in der Kategorie "Best Archival Collection/Project—Strips" - also für die beste Neuausgabe eines historischen Comics - für seine Gesamtausgabe der Comicreihe "Krazy Kat" von George Herriman im Taschen-Verlag. Hier gibt es die Liste aller Gewinner*innen.

Alexander Braun, geboren 1966, ist bildender Künstler und promovierter Kunsthistoriker. Er hat sich in den vergangenen zehn Jahren einen Namen gemacht als einer der versiertesten Kenner und Ausstellungsmacher zur Geschichte des Comics.

Dreiecksverhältnis: Eine Doppelseite aus dem Krazy-Kat-Sammelband.
Dreiecksverhältnis: Eine Doppelseite aus dem Krazy-Kat-Sammelband.

© Taschen

Unter anderem hat er diese Ausstellungen und die dazugehörigen Bildbände erarbeitet, die sich neben vielen Originaldokumenten durch kluge und unterhaltsam zu lesende Texte Brauns zu den jeweiligen Themen auszeichnen: "Das Jahrhundert der Comics", "Winsor McCay" und "Going West". 2016 kuratierte er für die Schirn-Kunsthalle in Frankfurt am Main die Ausstellung "Pioniere des Comic".

Zudem war er 2017 Co-Kurator der der in der Bundeskunsthalle in Bonn gezeigten Ausstellung "Comics! Mangas! Graphic Novels!". 2015 erhielt Braun als erster Deutscher einen Eisner-Award für die Gesamtausgabe der Comicstrip-Reihe "Little Nemo".

Seit 2019 kuratiert er Ausstellungen für den "schauraum: comic + cartoon" in seiner Geburtsstadt Dortmund. Zur Zeit ist dort bis Ende des Jahres die Ausstellung "ANIMEfantastisch – Die Kunst des japanischen Zeichentrickfilms" zu sehen.

Wiederholungstäter: Eine weitere Doppelseite aus dem Sammelband.
Wiederholungstäter: Eine weitere Doppelseite aus dem Sammelband.

© Taschen

Tagesspiegel-Redakteur Lars von Törne hat Alexander Braun zum erneuten Gewinn eines Eisner Awards befragt.

Tagesspiegel: Sie haben vergangene Nacht in San Diego zum zweiten Mal einen Eisner-Award für Ihre Arbeit als Herausgeber historischer Zeitungscomics und Autor gewonnen: nach "Complete Little Nemo" (2015) nun für die Gesamtausgabe der farbigen "Krazy Kat"-Strips von George Herriman im Taschen-Verlag. Was bedeutet diese Auszeichnung für Sie?
Alexander Braun: Es ist eine tolle Ehre und wie ein finales "Krönchen" für die jahrelange Arbeit, die solche Bücher machen. 2015 kam es völlig unerwartet, weil wir nicht davon ausgehen konnten, dass die amerikanische Comic-Industrie ihren "Oscar" an einen deutschen Autoren in einem deutschen Verlag vergeben würde – selbst wenn das Buch auf Englisch vorliegt. Jetzt ist das immer noch ein sehr schönes, warmes Gefühl, aber kein jungfräuliches mehr.

Außer Ihnen hat noch nie ein Deutscher einen Eisner Award gewonnen, obwohl es dort auch eine Kategorie für beste ausländische Comics gibt. Sind deutsche Comics nach wie vor international beziehungsweise aus US-Sicht nicht konkurrenzfähig?
Der US-Markt nimmt ohnehin nur zur Kenntnis, was auf Englisch vorliegt. Das heißt ein deutscher Künstler muss es erstmal mit seinem Comic in einen US-Verlag schaffen. Dann müsste er nominiert werden und dann gewinnen. Da deutsche Künstler eher in Richtung Graphic Novel orientiert sind, und da die wiederum in den USA eher ein Nischenprodukt jenseits von Superhelden und "The Walking Dead" darstellen, ist das ein langer und steiniger Weg. Ausschließen würde ich das aber nicht, denn deutsche Comic-Künstler behaupten sich mittlerweile auch international ganz ordentlich. Deutsche Ausnahmezeichner und -autoren wie zum Beispiel Christoph Mueller aus Aachen müssen ihre Bücher in Frankreich veröffentlichen, weil sie keinen deutschen Verleger finden. Gerade hat er ein Cover für den "New Yorker" gemacht. Das ist schon sehr erstaunlich und letztlich leider auch ein Armutszeugnis für die deutsche Comic-Landschaft. Wir haben immer noch nicht genug Leser, die solche anspruchsvollen Veröffentlichungen wirtschaftlich tragen würden. Das erinnert mich an Matthias Schultheiss in den 1980er-Jahren: Erst in Frankreich veröffentlicht und dann kaufte der Carlsen Verlag seine Alben von dort ein.

Eine weitere Doppelseite aus dem besprochenen Band.
Eine weitere Doppelseite aus dem besprochenen Band.

© Taschen

Sie haben seit Jahren zahlreiche Ausstellungen kuratiert und umfangreiche Kataloge publiziert vor allem zu historischen Comics. Was reizt Sie an diesen Arbeiten aus früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten?
Ich bin gar nicht fixiert auf Historisches. Aber wenn es eine Ausstellung ist, die in einem (Kunst-)Museum stattfindet, wie der Schirn in Frankfurt oder der Bundeskunsthalle in Bonn, und wenn ich eine Lanze für das Medium brechen will, dann geht das sehr gut über einen Vergleich mit den künstlerischen Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts. Da ist dann immer großes Staunen, was es alles für Innovationen im Comic gegeben hat. Was die Geschichte des Mediums betrifft, sind wir in Deutschland immer noch Entwicklungsland.

"Krazy Kat" gilt für viele Comicfans als zentrales Werk der Kunstform, auch wenn es wegen seiner Sprachspiele, seiner redundanten Handlung – im Zentrum steht ein vielfach variiertes, absurdes Dreiecksverhältnis zwischen einer Katze, einer Maus und einem Hund – und seiner visuellen Experimentierfreude für eine breite Leserschaft kaum zugänglich ist. Was hat Sie daran gereizt, gerade diesen Comic mehr als 100 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung einem größeren Publikum des 21. Jahrhunderts zugänglich zu machen?
Nicht umsonst gilt "Krazy Kat" bis heute als unübertroffener Meilenstein in der Geschichte des Comics. Kein Comic hat so radikal die Möglichkeiten des Mediums ausgelotet und sich solche Freiheiten genommen. Nicht umsonst hat Picasso in Paris "Krazy Kat" gelesen. "Krazy Kat" ist ein intellektueller und literarischer Parforceritt, der dabei trotzdem so voller Liebe und Sehnsucht und Leidenschaft ist, dass es einem das Wasser in die Augen treibt. Es gibt keinen komplexeren und vollendeteren Comic.

Das Cover des Krazy-Kat-Sammelbandes.
Das Cover des Krazy-Kat-Sammelbandes.

© Taschen

Viele der frühen Zeitungscomics sind ja nur unzureichend archiviert worden, Originale haben die Jahrzehnte oft nicht überlebt. Wie verlief die Recherche nach den "Krazy-Kat"-Comics für diesen Sammelband und was waren dabei die größten Herausforderungen?
Bei beiden Gesamtausgaben – alle Seiten von "Little Nemo" und alle farbigen Sonntagsseiten von "Krazy Kat" – steht und fällt das Projekt mit der Frage nach der Vollständigkeit. Für den Verleger macht so ein aufwendiges und teures Projekt nur Sinn, wenn "komplett" draufsteht. Das wiederum bereitet mir dann schlaflose Nächte, weil niemand auf der Welt das komplett da stehen hat. Würde am Ende eine einzige Seite fehlen, wäre das ganze Unterfangen gestorben. Am Anfang macht man in der Regel schnell Strecke, wenn man auf gut sortierte Privatsammlungen zurückgreifen kann. Dann wird es zäh, aus anderen Sammlungen einzelne Folgen zu ergänzen. Außerdem hat Taschen hohe ästhetische Ansprüche. Wir können da nicht auf ältere Reprints oder gar Mikrofilme aus Bibliotheken zurückgreifen. Ich musste faktisch jede historische Zeitungsseite real besorgen, damit wir sie hochauflösend faksimilieren konnten.

Der Band ist ja international vielbeachtet worden, in Deutschland ebenso wie im Herkunftsland des Strips, den USA. Was waren die für Sie interessantesten Reaktionen des Publikums?
Ich muss gestehen, außer Presse-Reviews erreichen mich nicht so viele Feedbacks. Ich glaube, der Erfolg der beiden Bücher beim Publikum und jetzt auch wieder bei der Eisner-Jury ist, dass man eigentlich zwei Bücher bekommt. Ich schreibe ja nicht einfach nur ein Vorwort, sondern schicke eine umfangreiche Monographie zu Leben und Werk von Winsor McCay und jetzt zu George Herriman voraus, inklusive hunderter historischer Abbildungen, Fotografien aus Familienbesitz und Artwork. Das für sich wäre schon ein gültiges Buch. Aber erst als Gesamtpaket – zusammen mit den Comic-Reprints – fängt es an zu leuchten, weil es nicht einfach nur eine unterhaltsame Lektüre ist, sondern eine ganze Epoche, ein ganzes Künstlerleben in allen seinen Facetten erschließt. Das berührendste Feedback bei "Krazy Kat" war das von Herrimans hochbetagter Enkelin. Ich habe aus einer Privatsammlung ein Foto aufgetrieben, das Herriman zeigt, wie er seine erste Tochter als Säugling auf dem Arm hält. Dee Cox, Herrimans Enkelin, hat hier zum ersten Mal ein Bild ihrer Mutter als Kind gesehen, und es hat sie zu Tränen gerührt. Dass das Foto so eine Bedeutung und Seltenheit hat – selbst für die Familie – wusste ich nicht. Das hat mich dann auch sehr berührt.

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