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Der alte Mann und das Meer: Ein Panel aus "Ozean der Liebe".

© Splitter

„Ein Ozean der Liebe“: Der Fischer und seine Frau

Wilfrid Lupano und Grégory Panaccione haben mit ihrem Comic „Ein Ozean der Liebe“ auch ohne jede Worte jede Menge zu erzählen.

Comic-Heldinnen sehen eigentlich anders aus. Jünger. Schlanker. Lässiger gekleidet. Die Frau des Fischers ist fast so breit wie hoch und hat einen Kopf wie eine Birne. In ihrer bretonischen Tracht, Häkelhaube inklusive, wirkt sie wie aus der Zeit gefallen, eine Matrone, die Haushalt und Ehemann fest im Griff hat. Aber lasse sich niemand beeindrucken von Kulleraugen und Niedlichkeit! Als ihr Fischer auf See verloren geht (auch kein typischer Held: ein Männchen, halb so groß wie seine Frau, mit riesenhaften Augen hinter seiner Weitsichtbrille), packt sie entschlossen den Koffer und reist bis nach Kuba, um ihn zu suchen. Nebenbei zeigt sie Starköchen die beste Zubereitung für Hummer, setzt mit ihren Häkelarbeiten Modetrends und schwingt mit Fidel Castro das Tanzbein.

Che Guevara und eine schielende Möwe

Nur drei von vielen kuriosen Einfällen, mit denen Comicautor Wilfrid Lupano seine Erzählung „Ein Ozean der Liebe“ spickt – ohne eine einzige Sprechblase einzusetzen. Weshalb es sich verbietet, mehr von den Abenteuern zu verraten, in die der Fischer und seine Frau bei ihrer jeweiligen Odyssee geraten. Oder davon, welche Rolle Che Guevara bei der Suche spielt. Nur so viel: Natürlich findet das ungleiche Paar wieder zueinander. Immerhin sind wir in einer Komödie. Eine, die auf Slapstick setzt, weil sie ohne Worte auskommen muss. Dafür hat sie hinreißende Nebenfiguren wie eine nach außen schielende Möwe und eine Portion Tragik, wie alle guten Komödien.

Innendrin ohne Worte: Das Buchcover.
Innendrin ohne Worte: Das Buchcover.

© Splitter

Denn bei allem Witz erzählt „Ein Ozean der Liebe“ davon, dass der Mensch die Weltmeere ausbeutet und als Müllkippe missbraucht. Diese ausgeklügelte Balance aus Albernheit und Sozialkritik kriegt kaum jemand so hin wie Lupano. Man denke nur an seine Erfolgsserie „Die alten Knacker“: Auch da schwelgt er in den Schrullen seiner Helden, während er ihren Traum von einer gerechteren Welt durchaus ernst nimmt.

Ein Glücksfall, dass dieser begabte Erzähler auf einen ebenbürtigen Zeichner trifft: Grégory Panaccione umreißt die Figuren mit ein paar simplen Strichen, wodurch sie zur Karikatur geraten – zart und zauberhaft aquarelliert er dagegen die Umgebung, in der sie sich bewegen. Vor allem Licht und Stimmung seiner Naturpanoramen nehmen einen mit an die bretonische Küste, mitten ins vom Sturm aufgewühlte Meer oder ins sonnendurchleuchtete Havanna. Die Zutatenliste auf der Buchrückseite verspricht nicht zu wenig: „Mindestens haltbar bis der Ozean nicht mehr zum Träumen verführt. Brennwert: viel.“

Wilfrid Lupano, Grégory Panaccione: Ein Ozean der Liebe, Splitter, 224 Seiten, 29,80 Euro, Leseprobe auf der Website des Verlages.

Silke Merten

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