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Dies Porträts von Laëtitia Graffart haben Jess X (links) und Julien Loïs gezeichnet.

© LaetBeton

Deutsch-französisches Comicmagazin „LaetBeton“: Gezeichneter Abschied von Laëtitia Graffart

Ihr Tod im Sommer 2021 hat große Anteilnahme ausgelöst. Jetzt haben künstlerische Weggefährt:innen in Erinnerung an Laëtitia Graffart ein Magazin gestaltet.

Ihr großer Traum war es, eine Nacht in einer Buchhandlung eingeschlossen zu sein und all die Worte, Bilder und Bücher für sich alleine zu haben. So schildert es die Mutter von Laëtitia Graffart, Cécile Heritier, in einem Text für die Sonderausgabe des deutsch-französischen Comicmagazins „Beton“, das ihre Tochter einst gegründet hatte.

Eine Szene aus dem Beitrag des Zeichners Wandrille.
Eine Szene aus dem Beitrag des Zeichners Wandrille.

© LaetBeton

In der Nacht auf den 27. Mai, so schreibt die Mutter in ihrem Beitrag weiter, ging der Traum in Erfüllung: Laëtitia, die sich seit Kindertagen für Literatur und Kunst begeistert, lässt sich am Abend in ihrem Lieblingsbuchladen einschließen und tanzt nach einer Nacht zwischen Bücherregalen zusammen mit den Seelen der von ihr verehrten Autor:innen und Künstler:innen in eine andere Welt.

Der 27. Mai 2021 ist Laëtitia Graffarts Todestag. An diesem Donnerstag fuhr die 37-Jährige mit dem Rad auf der Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain, der Radweg war von einem Geldtransporter blockiert. Sie überholte ihn auf der Fahrbahn und wurde um 12.20 Uhr von einem Sattelschlepper überfahren.

Der Tod der Übersetzerin, Lektorin und Netzwerkerin hat große Anteilnahme ausgelöst, in der Comicszene in Deutschland und Frankreich, wo sie sich viele Jahre lang in unterschiedlichen Funktionen engagiert hat, aber auch darüber hinaus. Ein Nachruf auf sie von Lara Keilbart, Direktorin des Berliner Festivals Comic Invasion, war 2021 einer der meistgelesenen Texte auf den Tagesspiegel-Online-Seiten.

Vier Wochen nach ihrem Tod hatte der Deutsche Comicverein, in dem sich Laëtitia Graffart engagierte, einen Förderfonds zum Gedenken an sie angekündigt, den Fonds Beton. Mit Hilfe von Spenden sollen Projekte mit deutsch-französischem Comicbezug gefördert werden – der Austausch zwischen den beiden Ländern lag Graffart besonders am Herzen.

Vor knapp zehn Jahren kam sie aus Frankreich nach Berlin

Die Sonderausgabe von „Béton“ ist nun eines der ersten Projekte, das mit dem gesammelten Geld unterstützt wurde. Ende 2021 hat ein deutsch-französisches Team das durchgehend zweisprachige Heft mit dem Titel „LaetBeton“ fertiggestellt, seit Kurzem kann es auf der Seite des Comicvereins gratis gelesen werden.

Szene aus dem Comic von Romza.
Szene aus dem Comic von Romza.

© LaetBeton

Auf 68 Seiten erinnern rund 40 Freund:innen und Weggefährt:innen an eine herausragende Persönlichkeit, die vor knapp zehn Jahren aus Frankreich nach Berlin gezogen war und mit ihrer unbändigen Energie, ihrer Kreativität und ihrem Charme die Szene bereichert hat und mit ihrem kunstvollen Punk-Look und den strahlenden Augen auch äußerlich eine besondere Erscheinung war.

[„LaetBeton“ online lesen: deutscher-comicverein.de/laetbeton-fondsbeton]

Der Zeichner Wandrille - Autor, Verleger und einst Mitbegründer der Berliner Comic Invasion – erzählt in einer Science-Fiction-Traumsequenz von gemeinsamen Bier- und Comicabenden. Die eine Seite lange Erzählung „Planet Bohemia“ von Zeichnerin Tine Fetz, die ebenfalls einen gemeinsamen Kneipenabend verarbeitet, ist mit dezenten surrealistischen Elementen durchsetzt.

Der Musiker und Comiczeichner Klaus Cornfield teilt mit viel Selbstironie seine Erinnerungen an Laëtitia und wähnt sie am Schluss in Skandinavien, mit einer Wikingerclique feiernd.

Ihre Begeisterung für nordische Mythologie ist ein wiederkehrendes Motiv: Ein fantastischer Kurz-Comic von Romza endet in einem Besuch des Valhalla-Comicfestivals, einem anderen von Loic Saulin reitet Laëtitia Graffart auf einem Dinosaurier durch diesen Ruheort für in der Schlacht gefallene Kämpfer, ein Einzelbild von Felix Pestemer („Alles bleibt anders“) zeigt ein Wikinger-Geisterschiff mit einer aufgebahrten Frau darauf an der Stelle des tödlichen Unfalls in Friedrichshain.

[Mobilität und Sicherheit vor Ort - immer wieder Thema in den bezirklichen Newslettern vom Tagesspiegel, hier zu haben: leute.tagesspiegel.de]

Und auf dem Cover des Magazins, gezeichnet von Stephane Hirlemann, der auch die Heftplanung koordiniert hat, tritt einem die Hauptfigur als Wikinger-Punk mit zwei Streitäxten entgegen, kämpferisch aber auch mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht.

„Live to Read, Read to Live“

Ulli Lust („Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens“) vermittelt in einer witzigen Episode vom Comic-Salon Erlangen etwas von der besonderen Ausstrahlung Laëtitias, an die sich auch viele Menschen erinnern dürften, die sie als Team-Mitglied des Comicladens „Modern Graphics“ kannten, dessen Filiale in der Kastanienallee sie mit aufgebaut und drei Jahre lang geleitet hat.

Das Titelbild hat Stephane Hirlemann gezeichnet.
Das Titelbild hat Stephane Hirlemann gezeichnet.

© LaetBeton

Und Fabian Stoltz („Große Freiheit“, „Geschichten aus den Neunzigern“) hat eine assoziative Bilderfolge beigesteuert, die ihn beim Trauern und Erinnern an einem Klavier zeigt, aber auch zum Unfallort in Berlin führt. Der Text dazu stammt aus einem Lied von Serge Gainsbourg. Außerdem gibt es zahlreiche mit persönlichen Widmungen versehene Porträtzeichnungen von Laëtitia Graffart

Viele Beiträge heben die enorme Vielfalt an Interessen und Aktivitäten von Laëtitia Graffart hervor. Neben Comics, Literatur und Kunst begeisterte sie sich auch für Musik, vor allem Punk. Beim Duo Späti Smith spielte sie Schlagzeug und sang, ein Kurzcomic ihrer Bandgefährtin Diane Electro erzählt davon. In anderen Episoden berichten Freunde von gemeinsam besuchten Konzerten.

Auf einem Porträt von Julien Lois ist Laëtitia Graffart als punkige Rattenfrau zu sehen. In ihren Händen hält sie ein Buch, auf dessen Titel steht: „Live to Read, Read to Live“.

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