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Zupackend: Eine Szene aus „Artemisia Gentileschi – Die neue Frau“.

© Willi Blöss

Comicbiografie von Artemisia Gentileschi (1593 - 1653): Malerin in der Männerwelt

Seit gut 20 Jahren vermittelt Willi Blöss Künstlerbiografien in Comicform. Jetzt hat er sich der italienischen Barockmalerin Artemisia Gentileschi zugewandt.

Das Blut fließt in Strömen, ein Ruck noch, dann ist der Kopf ab. Eine willensstarke Frau, diese den biblischen Heerführer Holofernes enthauptende Judith, wie sie die italienische Barockmalerin Artemisia Gentileschi (1593 - 1653) auf ihrem wohl berühmtesten, um 1612 geschaffenen Gemälde dargestellt hat. Zimperlich? Von wegen.

Eine weitere Szene aus dem besprochenen Band.
Eine weitere Szene aus dem besprochenen Band.

© Willi Blöss

Ganz anders die gut ein Jahrzehnt früher geschaffene Judith von Caravaggio: Auch er zeigt den Mord mit aller Brutalität, aber seine Heldin wirkt zaghaft, scheint sich vor der eigenen Tat zu grausen.

Comics lösen eher selten kunsthistorische Betrachtungen aus. Anders die von dem Aachener Zeichner Willi Blöss geschaffene Biografie „Artemisia Gentileschi – Die neue Frau“ (Willi Blöss Verlag, 26 S., 3 Euro, kuenstler-biografien.de): Darin vereint er auf einer Doppelseite beide Gemälde – stilisiert, aufs Notwendigste reduziert und flächig in der Kolorierung, doch offenkundig mit Blick auf die Originale entworfen.

Man stößt in dem Heftlein auf weitere den Bildern Gentileschis nachempfundene Zeichnungen, Vorlage des Titelbildes war ein um 1615 entstandenes Selbstporträt.

Vor gut 20 Jahren schon hat Blöss sich auf Künstlerbiografien spezialisiert. Mit Artemisia Gentileschi ist soeben der 38. Band erschienen, nach Comics etwa zu Picasso, van Gogh, Hockney, Rubens oder auch Wilhelm Busch.

Me-Too-Erfahrungen sind keine Spezialität des 21. Jahrhunderts

Rund sechs Monate Recherche gehen jeder Biografie voraus, die in einem weiteren Monat gezeichneten und betexteten Hefte sollen „ebenso schul- wie museumstauglich sein“, sagt Blöss.

Das Titelbild von „Artemisia Gentileschi – Die neue Frau“.
Das Titelbild von „Artemisia Gentileschi – Die neue Frau“.

© Willi Blöss

Nach der langen Beschäftigung mit einem Künstler oder einer Künstlerin entstehe automatisch eine Nähe zwischen deren Werk und seinen Zeichnungen, zumal er oft die Originale zitiere. „Ich freue mich, wenn die Leser das merken.“

Nach Heften zu Frida Kahlo, Niki de Saint Phalle, Paula Modersohn-Becker oder auch Peggy Guggenheim ist „Artemisia Gentileschi – Die neue Frau“ sein siebter Band über Kunstfrauen. Der Untertitel verweist darauf, dass die Heldin eine der ersten Frauen war, „die sich in der von Männern dominierten Kunstszene behauptete“.

[Weitere Tagesspiegel-Artikel über Künstlerbiografien in Comicform gibt es hier: Von der Malerei besessen, Leben im Farbrausch, Sprung in die Kunst.]

Und sie haben nicht nur dominiert, Me-Too-Erfahrungen sind keine Spezialität des 21. Jahrhunderts. Mit der rabiaten Judith habe Gentileschi auch eigenen Rachefantasien in Szene gesetzt, wurde wiederholt spekuliert, war sie doch 1611 von dem Maler Agostino Tassi vergewaltigt worden – eine Szene, die Blöss diskret nur halb angeschnitten und als Schattenwurf zeigt.

Es kam zum Prozess, doch die Folter als damals übliches Mittel zur Wahrheitsfindung wurde nicht an Tassi, sondern seinem Opfer angewandt. Sie blieb standhaft, der Vergewaltiger wurde verurteilt. Die Strafe? Nicht der Rede wert.

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