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Wegweiser durch die Nischengesellschaft: Der Comic-Report ist gerade erschienen, das Comic-Handbuch folgt in Kürze.

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Comic-Sekundärliteratur: Schneisen in den bunten Dschungel

So viel öffentliche Aufmerksamkeit wie derzeit hatte der Comic schon lange nicht mehr. Nun wollen zwei neue Nachschlagewerke beim Überblick über den Markt helfen.

Der Comic hat Konjunktur. Radios, Fernsehsender und Zeitungen bieten der Berichterstattung über Graphic Novels, Manga und Comic-Hefte in jüngster Zeit so viel Platz wie lange nicht mehr. Zugleich gibt es, vor allem aus deutscher Sicht, in den vergangenen Jahren so viele gute, anspruchsvolle und handwerklich gut gemachte Comics wie nie zuvor, sowohl aus heimischer Produktion als auch in Übersetzungen ausländischer Neuheiten und Neuauflagen alter Klassiker.

Diesen Trend reflektiert nicht nur der Tagesspiegel mit seinen Comicseiten. Gleich zwei neue, als regelmäßiges Nachschlagewerk angelegte Buchveröffentlichungen machen sich jetzt daran, den zunehmend ausdifferenzierten deutschen Comicmarkt systematisch aufzuarbeiten.

Fundierte Analysen von Szene-Kennern

Da ist zum einen der „Comic-Report“ mit angeschlossener erweiterter Website im Aufbau (www.comic-report.de), dessen 144-seitige Pilotausgabe für 2011 dieser Tage in den Handel kommt. 20 fundierte Artikel von Comic-Experten wie den auch als Tagesspiegel-Rezensenten bekannten Autoren Klaus Schikowski, Daniel Wüllner und Marco Behringer zu aktuellen Comic-Trends – Marktanalysen, Verlagsporträts, Würdigungen einzelner Comicreihen – haben die in der Comic-Szene bestens vernetzten Herausgeber Matthias Hofmann und Volker Hamann zusammengetragen. Das wird ergänzt durch eine komprimierte Auflistung der Comic-Neuheiten im vergangenen Jahr.

Klassiker: Eine Würdigung des Zeichners Jijé ist die Titelgeschichte des Comic-Reports.
Klassiker: Eine Würdigung des Zeichners Jijé ist die Titelgeschichte des Comic-Reports.

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Es gibt eine ausführlicher Würdigung des Zeichners Jijé, dessen Western-Klassiker gerade dank einer Neuauflage von einer neuen Lesergeneration wieder entdeckt wird, Berichte zu aktuellen Themen wie dem Gratis-Comic-Tag (der am 14. Mai zum zweiten Mal stattfindet), zur Relevanz des Graphic-Novel-Begriffes und zur Comicforschung. Dazu kommen gut informierte Analysen des Manga-, Superhelden- und des allgemeinen Comicmarktes sowie ausführliche Darstellungen der wichtigsten deutschen Verlage und ihrer aktuellen Programme – und all das zum bemerkenswert günstigen Preis von 9,95 Euro.

Interviews mit Verlegern, Zeichnern und Autoren

Damit wollen sich die Herausgeber von einem weiteren regelmäßigen Comic-Überblick abgrenzen, der gerade zum elften Mal erschienen ist: Dem „Comic!-Jahrbuch“, herausgegeben von Burkhard Ihme und dem Interessenverband Comic (ICOM), der sich als Vertretung der Comicschaffenden versteht – was für manche Kritiker zu einer inhaltlich einseitigen Ausrichtung des Jahrbuchs geführt hat. Die Herausgeber des jetzt erschienenen „Comic-Report“ wollen „der Comic-Szene eine verlässliches und kompetentes Nachschlagewerk an die Hand geben, das im Gegensatz zum Jahrbuch des ICOM nicht nur aus den Werkstätten und von Zeichnern direkt berichtet, sondern den Markt als Ganzes erfassen und Einblick hinter die Kulissen geben will“. So sagt es Report-Herausgeber Volker Hamann, der sich unter anderem als Herausgeber der jeweils einzelnen Comicautoren und ihrem Werk gewidmeten Zeitschrift „Reddition“ (www.reddition.de) in der Comicszene eine Namen gemacht hat.

Ein Herz für den Independent-Comic: Das Comic!-Jahrbuch 2011.
Ein Herz für den Independent-Comic: Das Comic!-Jahrbuch 2011.

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Allerdings muss man hinzufügen, dass das von Hamann kritisierte „Comic!-Jahrbuch“ durchaus auch manch wertvollen analytischen Beitrag zu allgemeinen Szene-Trends geliefert hat – und weiter liefert. So untersucht in der aktuellen Ausgabe Klaus Schikowski den – bemerkenswert unterentwickelten – Markt der Kindercomics, es gibt zahlreiche Interviews mit Verlegern, Zeichnern und Autoren, eine kunstgeschichtliche Annäherung an Hergés klare Linie und Berichte über die Comiclandschaft anderer Länder. Gerade bei der Auswahl der vorgestellten Comicschaffenden ist im „Comic!-Jahrbuch“ allerdings in der Tat die Anbindung an den ICOM-Verband prägend, liegt doch der Schwerpunkt auf den Künstlern aus dem Independent-Bereich, die im vergangenen Jahr vom ICOM einen Preis für ihr Werk erhalten haben – eine feine, aber keineswegs repräsentative Auswahl des deutschen Comicschaffens.

Alles Comics eines Jahres in einem Band

Einen kompletten Überblick über die deutsche Comiclandschaft soll hingegen ein weiteres Sekundärwerk bieten, das kurz vor dem Erscheinen steht: Das „Comic-Handbuch“ aus dem JNK-Verlag soll auf 400 Seiten vor allem ein Nachschlagewerk aller im vergangenen Jahr erschienenen Comics sein, wie Herausgeber Martin Jurgeit sagt. Jurgeit ist in der Comic-Szene unter anderem als Chefredakteur der Fachzeitschrift „Comixene“ sowie der im Zeitungsformat erscheinenden Zeitschrift „Comix“ eine feste Größe.

Umfassend: Das „Comic-Handbuch“ will alle deutschsprachigen Comics des vergangenen Jahres auflisten.
Umfassend: Das „Comic-Handbuch“ will alle deutschsprachigen Comics des vergangenen Jahres auflisten.

© JNK

Während der „Comic-Report“ auf inhaltliche Analysen setzt, soll das „Comic-Handbuch“ außer einem einführenden Marktrückblick primär eine komplette Auflistung aller deutschsprachigen Comics bieten, von Büchern über Zeitschriften bis hin zu einzelnen Strips, wie sie regelmäßig auch im Tagesspiegel erscheinen. „Das Handbuch ist eher als Branchenführer für das Fachpublikum gedacht“, sagt Martin Jurgeit. Rund zehn Mitarbeiter tragen Daten und Informationen dafür zusammen. Es wird – anders als der zum Teil vierfarbige „Report“ – in schwarz-weiß gedruckt und soll 29,90 Euro kosten.

Die Zukunft des Comic-Lexikons ist ungewiss

Bei einem anderen Wegweiser durch den Comic-Dschungel ist derweil die Zukunft ungewiss. Seit 1991 erscheint die Loseblattsammlung „Lexikon der Comics“ im Corian-Verlag. Hier werden einzelne Comicschaffende, Themen und herausragende Werke vorgestellt. Inzwischen sind 76 Ergänzungslieferungen erschienen, das knapp 400 Euro teure Werk umfasst elf Ordner mit 13.000 Seiten, sagt Verleger Heinrich Wimmer. Das Lexikon ist vor allem für Bibliotheken und Comicfachleute gedacht. Allerdings ist die Nachfrage nach dieser Art der Comic-Sekundärliteratur in den vergangenen Jahren gesunken – hier wirkt sich die aktuell gewachsene Aufmerksamkeit für das Medium Comic offenbar nicht positiv aus: „Ob das Lexikon der Comics weitergeführt werden kann, ist wegen der stetig gesunkenen Abozahlen im Moment noch in der Diskussion“, sagt Wimmer. 

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