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Lebenswerk - vorläufig. Erst vor wenigen Tagen hatte Sarah Burrini in ihrem Strip "Das Leben ist kein Ponyhof" eine Auszeit angekündigt.

© Sarah Burrini

Comic-Salon Erlangen: Freudentränen, Kunstpausen und ein Autorenproblem

Beim Comic-Salon wurden jetzt die besten deutschen Independent-Comics ausgezeichnet. Es gab Überraschungen, verdiente Sieger und auch ein wenig Kritik.

Der Saal überfüllt, die Luft am Dampfen – den bereits schwitzenden Gästen sowie potenziellen Preisträgern wurde bei der 21. Icom-Preisverleihung für die besten Independent-Comics des Jahres nicht nur warm ums Herz. Dass die sich in den besten Jahren befindende Sarah Burrini ihrer Tränen nicht zu schämen brauchte, als sie den Preis für ihr Lebenswerk schon mit Mitte dreißig erhielt, muss wohl der Frau Burrini vom gern schwarz-weißmalenden Regenbogenblatt „Der Röhrende Hirsch“ untergejubelten Babypause zugeschrieben werden. Frauen sollen nach Angaben von führenden Forschungsinstituten dann durchaus dem emotionalen Überschwang zuneigen.

Unternehmerin mit Netzwerk-Talent

Alles natürlich Humbug, aber es fügt sich aufs schönste, dass Frau Burrini erst zu Beginn der Woche eine längere Pause ihres Webcomic-Strips „Das Leben ist kein Ponyhof“ ankündigte. Und dass „Der Röhrende Hirsch“ nach Jahren der Printabstinenz als Lästerinstanz der Comicfestivität seine Rückkehr mit einer Illustration einer drei Babys auf dem Arm wiegenden Amme einläutete, die wohl Gerüchten nach von der populären Web-Comikerin selbst angefertigt wurde, lässt dieses doch mithin als plausibel erscheinen.

Eigentlich war's aber der Sonderpreis der Jury für eine besondere Leistung oder Publikation, welchen Sarah Burrini als würdige Nachfolgerin des letztjährigen Preisträgers Moga Mobo für ihre Vorbildfunktion als selbständige weibliche Unternehmerin mit besonderem Talent zum knüpfen kreativer Netzwerke erhielt. Völlig zu Recht, der donnernde Applaus unterstrich das aufs Trefflichste.

Krankheit, Krieg und Literaturadaptionen

Ebenfalls ein erprobter Netzwerker ist der Mitveranstalter des letztjährigen Kieler „Baltic Comics“-Workshops nebst gleichnamiger Werkschau, Volker Sponholz. Der umtriebige Künstler und seine „Pure Fruit“-Kollegen Franziska Ludwig, Tim Eckhorst und Gregor Hinz erhielten den Preis für eine bemerkenswerte Publikation auch auf Grund des konzeptionellen Einsatzes der weitestgehend auf Rot, Blau und Gelb limitierten Farbgestaltung. Und mittlerweile ist der Nachfolgenummer des von der Icom-Jury ausgezeichneten sechsten Comic-Magazins auch erstmals ein deutschlandweiter Vertrieb widerfahren, da hat sich der unermüdliche Einsatz doch nicht nur seitens des mit 300 Euro dotierten Preises ausgezahlt.

Apropos Icom-Jury, die bestand dieses Jahr aus der Comicautorin Anne Delseit, dem Publizisten Harald Havas, der Comicgate-Herausgeberin Frauke Pfeiffer sowie dem Laska-Zeichenstudio-Mitglied Gerd Schlegel, welches treffende und lobende Worte für die prämierten Titel fand. Allerdings gab es ebenfalls etwas grundsätzliche Kritik, doch dazu später.

Lob jedenfalls erhielt das herausragende Artwork von „Pimo & Rex“, dessen Verursacher Thomas Wellmann leider nicht anwesend war, sodass Michael Meier, Mitbegründer von Wellmanns verlegerischer Heimat Rotopol Press das Podium erklomm und stellvertretend Worte des Dankes für den sich in Absenz befindlichen Künstler äußerte.

Ausgezeichnet: Die Gewinner der Icom-Preise für die besten Independent-Comics.
Ausgezeichnet: Die Gewinner der Icom-Preise für die besten Independent-Comics.

© Daniel Wüllner

Gutes Aussehen ist nicht alles, dass wissen nicht nur Helmut Berger und Stan Lee, sondern auch die Icom-Jury und so wurde Andreas Eikenroths „Schönheit des Scheiterns“ für ein herausragendes Szenario prämiert. Der Künstler verlautbarte denn auch seine Distanz zum Begriff der Graphic Novel, die er vorwiegend mit Krankheit, Krieg und Literaturadaptionen assoziiert. Bis auf den schonungslosen autobiografischen Comic war damit ja auch die ganze Bandbreite dieses den Separatismus befördernden Begriffs aufgeführt.

Der beste Kurzcomic, „Tesserakt“, stammt nicht von Odin aus Asgard sondern von Tim Gaedke aus Berlin und handelt von vierdimensionalen Hyperwürfeln, welche der Arbeitssicherheit laut Auskunft der Laudatio nicht eben zuträglich sind. Das Reclam-Heftchen-Outfit weiß dieses aber listig zu unterwandern.

Die lobenden Erwähnungen gingen an die von Webcomic-Aktiven bespielte Horror-Anthologie „Anders“ (dessen unheilschwangeres Cover von Sarah Burrini stammt), an Alexander von Knorres Comic über einen seinen Zivildienst in einem rumänischen Kinderheim ableistenden jungen Mann, „Hinter den sieben Burgen“, Eric Schneiders wortlose Bildgeschichte „Cocobug“ und an „Heimdall“ von Max Baltinger, indem es nicht um den Wächter von Asgards Regenbogenbrücke Bifröst geht, aber um den Verkünder des Weltenendes aus Asenheim.

Einer der bisher schönsten Momente des Comic-Salons

Dann ging es ans Eingemachte, der mit 500 Euro dotierte Hauptpreis stand zur Verleihung an, und es wurde Sebastian Stamms Science Fiction-Comic „Lescheks Flug“. Den hat er grafisch zweifellos mit seiner Nähe zur neuen amerikanischen Schule zwischen Farel Dalrymple und James Stokoe verdient, jedoch sollte man den Einwurf des Jury-Mitglieds Harald Havas nicht unberücksichtigt lassen, der feststellte, dass nach seinem Eindruck der Überzahl an talentierten Zeichnern eine verschwindend geringe Menge an fähigen Autoren gegenüberstünden. Damit steht er keinesfalls allein.

Zum Schluss, wie stets, der auch als „Lebensfenster“ bekannte Kurt-Schalker-Preis für „grafisches Blogen“ (spricht man so wie man’s schreibt): Das ins pastorale tendierende kragenlose Hemd des Jurymitglieds Christian Maiwald verlieh dem ganzen die angemessene weihevolle Atmosphäre, die vom wissenschaftlich ernsthaften Johannes Kretzschmar alias Beetlebum, dem herzlichen Klaus Schikowski, den Flausen im Kopf habenden Ulf Salzmann und den als Geist über dem Wasser schwebenden weil verflixtnochmal nicht anwesenden Felix Görmann professionell unterstrichen wurde.

Zur Wahl standen die sich nur was Auszeichnungen betrifft in guter Hoffnung befindliche Sarah Burrini und ihr Ponyhof, der „Fahradmod“ Tobi Dahmen, Dominik Wendlands „Pete's Daily“ und Jeff Chis „Spinken“. Es wurde dann „Pete's Daily“, und wer nicht gesehen hat, wie aufrichtig gerührt der verantwortlich zeichnende Künstler ob der von ihm gänzlich unerwarteten Auszeichnung war, hat einen der bisher schönsten Momente des Comic-Salons in Erlangen verpasst.

Zeremonienmeister Burkhard Ihme überreichte dem jungen Mann noch eine monetäre Prämie von 100 Euro und beendete damit den Abend der dem unabhängigen Comic gewidmeten Veranstaltung. An diesem Freitagabend werden dann im Marktgrafentheater die für die großen Medien relevanteren, aber nicht unbedingt qualitativ immer überlegeneren Max-und-Moritz-Preise verliehen. Wir sind gespannt.

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