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In der Sauna: Eine Szene aus „Der Trip“.

© Jaja

Comic-Reisebericht „Der Trip“: Brutal-Aufguss in Brandenburg

Die in Berliner lebende Japanerin Nozomi Horibe erzählt in ihrem Comic-Debüt „Der Trip“ von einer Entdeckungstour durch das Umland der Hauptstadt.

Manchmal ist die fremde, ferne Welt ganz nah und zwar direkt hinter der Stadtgrenze. Sie entpuppt sich in nächtlichen Träumen als riesiges, ungestümes Monster, als das große Ungewisse, das einen verfolgt. Dennoch: Nozomi Horibe wagt sich hinaus – nach Brandenburg.

[2013 nahm Nozomi Horibe am Tagesspiegel-Projekt „Ich bin ein Berliner“ teil, hier erzählt sie, was sie am Leben in der Stadt schätzt.]

Für einen Monat kehrt sie Berlin den Rücken, um sich allein mit einem Fahrrad auf Entdeckungstour durch das große Flächenland zu begeben. „Pass auf, dass du immer genug zu essen hast“, rät ihr eine Kollegin, bevor sie aufbricht. Das war 2018. Ihre Reiseerlebnisse hat die japanische Comiczeichnerin in ihrem soeben veröffentlichten Graphic Novel-Debüt „Der Trip“ (Jaja-Verlag, 112 Seiten, 16 Euro) festgehalten.

Die 32-jährige Künstlerin, die seit elf Jahren in Berlin lebt, ist eigentlich in der Welt zu Hause. Sie hat in Ländern wie Russland, Saudi-Arabien, Frankreich und Kanada gelebt. Und doch bereitet ihr der Gedanke an die bevorstehende Reise außerhalb der Hauptstadt Unbehagen.

Aber Nozomi Horibe möchte über ihren eigenen Schatten springen, sich mit dem Trip ihre Unabhängigkeit beweisen. Sie lernt Einheimische kennen – einer begleitet sie ein Stück auf dem Weg – sowie erstaunlich viele Neu-Brandenburger.

In der Uckermark wohnt sie ein paar Tage bei einer Japanerin, die in der Region erfolgreich japanische Delikatessen verkauft und dennoch eines Tages nach Japan zurückkehren möchte. Die Begegnung regt bei Nozomi Reflexionen über die eigene Heimat an. „Fragen wir uns nicht alle manchmal, wo wir zu Hause sind?“, schießt es ihr durch den Kopf.

Winzig klein in der Weite der Landschaft

Als Alleinreisende stellt sie sich außerdem sozialen Herausforderungen, so als sie sich einer Männergruppe beim Grillabend anschließt.

Eine weitere Doppelseite aus „Der Trip“.
Eine weitere Doppelseite aus „Der Trip“.

© Jaja

Ihre Tour führt sie in einem großen Bogen um Berlin herum über die Lausitz, die Uckermark und die Prignitz bis nach Sachsen-Anhalt. Sie besucht viele kleine Orte und stößt auf kuriose Saunapraktiken: In einer Therme laufen die Besucher nach dem „Brutal-Aufguss“ mit hinter dem Kopf verschränkten Armen im Kreis und feuern den Saunameister an wie einen Stammesführer, der ein traditionelles Ritual einleitet.

[Eine weitere japanische Comiczeichnerin, die ihren Alltag in Berlin in Bildgeschichten verarbeiten, ist Maki Shimizu. Einen Einblick in ihre Arbeit gibt es hier.]

Jedes Mal, wenn die Künstlerin sich auf ihr Fahrrad schwingt und wieder aufbricht, entsteht Spannung beim Lesen – auf die nächsten Abenteuer und neue Begegnungen. In meist reduzierten Zeichnungen mit kräftigem lila Strich zeichnet sie jede Etappe in einem angenehm lockeren Stil. Zart sind darunter in grün oder gelb auch erste Skizzen zu erkennen.

Die Autorin auf dem Titelbild ihres Buches.
Die Autorin auf dem Titelbild ihres Buches.

© Jaja

Die verschiedenen Schichten verleihen den Zeichnungen Lebendigkeit. Ganz- oder doppelseitige Bilder, oft mit gelbem Hintergrund, greifen besondere Momente konzentriert auf oder demonstrieren die weite Brandenburger Landschaft: Wenn die Künstlerin bis zum nächsten Ziel lange Strecken fährt und dabei auf den fast leeren Doppelseiten winzig klein ist.

Reisen bereichert und fordert heraus. Das zeigt Nozomi Horibe mit ihrem gelungenen Comic-Debüt. Und dass man dafür nicht weit weg muss.

Birte Förster

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