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Robert Crumb in seiner Wahlheimat, einem kleinen Dorf in Südfrankreich, wo er seit den 90er Jahren lebt.

© Christoph Mueller

Comic-Pionier Robert Crumb im Interview: „Es musste einfach raus“

Robert Crumbs Frühwerk provoziert zunehmend Kritik. Comiczeichner Christoph Mueller hat den US-Underground-Pionier besucht und zu den Vorwürfen befragt.

Robert Crumb gilt als einer der wichtigsten Comiczeichner des 20. Jahrhunderts – und ist zugleich einer der umstrittensten. Wegen seiner zum Teil als frauenfeindlich und rassistisch wahrgenommenen Arbeiten vor allem aus den 60er und 70er Jahren steht der Pionier des US-Underground-Comics immer wieder in der Kritik. Frauen hat er oft auf körperliche Attribute reduziert und als Sexobjekte dargestellt, bei Bevölkerungsgruppen wie Afro-Amerikanern hat er äußere Merkmale klischeehaft überzeichnet.

Bei der Verleihung der Ignatz-Awards, einer Auszeichnung für alternative Comics in den USA im Rahmen des Festivals Small Press Expo (SPX), kritisierte der Zeichner Ben Passmore Crumb im vergangenen Jahr mit scharfen Worten, aus dem Publikum gab es lautstarke Buhs für Crumb, der selbst nicht anwesend war. Auch andere Zeichner haben sich in den vergangenen Jahren von ihm distanziert.

Gleichzeitig wird Crumb bis heute als Wegbereiter des satirischen Alternativcomics gefeiert, beim Comicfestival München war er 2013 Ehrengast, seine Werke erscheinen auf Deutsch bei so renommierten Verlagen wie Reprodukt und Taschen.

Der Aachener Comiczeichner Christoph Mueller, Jahrgang 1980, ist mit Crumbs Arbeiten aufgewachsen, wurde zeichnerisch von ihm beeinflusst und hat den inzwischen 76-Jährigen in den vergangenen Jahren mehrfach getroffen.

Im Folgenden veröffentlichen wir ein Gespräch, das Mueller kürzlich bei einem Besuch bei Crumb geführt hat, eingeleitet durch einen Text von Mueller. Crumb lebt seit den neunziger Jahren zusammen mit seiner Frau Aline Kominsky-Crumb in einem kleinen Dorf in Südfrankreich.

"Self Portrait With Novelty Specs": Ein Crumb-Selbstporträt von 2018.
"Self Portrait With Novelty Specs": Ein Crumb-Selbstporträt von 2018.

© Illustration: Crumb

„Ich stehe als Comiczeichner mitten zwischen den Parteien“

Die jungen Comiczeichner des amerikanischen Undergrounds der späten 60er Jahre unterhielten mitunter eine durchaus fruchtbare Beziehung zu den etablierten Zeichnern des Mainstreams. Will Eisner („The Spirit“) wurde beispielsweise durch die Arbeiten der jungen Generation dazu inspiriert, sich in seinen Geschichten mit persönlicheren Inhalten auseinanderzusetzen. Ein Resultat war eine der ersten Graphic Novels, „Ein Vertrag mit Gott“. Auch der "Mad"-Gründer Harvey Kurtzman, seinerseits ein großer Einfluss auf viele Underground-Künstler, erkannte das Potenzial der Bewegung. Zu seinen Schützlingen zählten unter anderem Art Spiegelman und Robert Crumb.

Für letzteren stellt sich die intergenerationelle Beziehung derzeit allerdings völlig anders dar. Ben Passmores Auftritt bei der Ignatz-Preisverleihung 2018 steht mittlerweile exemplarisch für einen Riss, der zwischen den Begründern des Underground und der jungen Generation von Comiczeichnern zu verlaufen scheint. Passmore kritisierte Crumb, der selbst nicht anwesend war, als Apologet und Widerling und unterstrich das ganze mit einem beherzten „Yo, fuck this guy!“ Der jüngere Teil des Publikums hatte für Crumb nur lautstarke Buhs übrig.

Crumbs Tanz in den Außenbereichen zwischen Satire und Kunst hat schon immer viele Kritiker gehabt. Nicht wenige haben davor gewarnt, dass junge Zeichner sich ihn als Vorbild nehmen könnten. Ich könnte als Beispiel dafür herhalten, dass das nicht zwangsläufig zu einem soziopathischen Oeuvre führen muss.

Fritz the Cat ist Crumbs wohl bekanntest Figur.
Fritz the Cat ist Crumbs wohl bekanntest Figur.

© Illustration: Crumb

Mein erster Kontakt zu Crumbs Werk war mit zwölf. Ich hatte eines seiner Skizzenbücher im Bücherregal meines Vaters entdeckt, ein Moment, der sich nachhaltig auf mein weiteres Leben auswirken sollte. In seinen Skizzenbüchern erzählte Crumb von der inneren Welt eines Erwachsenen, aber in der mir so vertrauten Sprache der Comics. Auch wenn es mir damals nicht bewusst war, seine Skizzenbücher gaben mir einen Einblick in das, was da am Horizont auf mich zu kam, einschüchternd und erbarmungslos.

Aber wichtiger: Es schien einen Weg zu geben, dem Ganzen nicht völlig hilflos ausgesetzt zu sein; man konnte mithilfe eines Stifts seine eigene Narrative erzählen, reflektieren und versuchen, für sich Sinn im Chaos zu finden. Das führte für mich zu einer tiefgreifenden Verbindung zur Zeichnerei. Seit jeher ist das Zeichnen immer ein Weg für mich gewesen, mich selbst und die Welt um mich herum besser zu verstehen, und es trägt maßgeblich zu meinem inneren Gleichgewicht bei.

Um solche Feinheiten im Werk Robert Crumbs geht es in der aktuellen Debatte aber nicht. Anschuldigungen von Rassismus und Frauenfeindlichkeit sind für ihn zwar nichts Neues, aber man hat den Eindruck, dass es sich diesmal um eine größere, eine grundlegendere Verschiebung handeln könnte.

Ohne Frage, einige der Geschichten, die Crumb vor 50, 40 oder 30 Jahren gezeichnet hat sind heute nur noch schwer zu lesen. Trotzdem bleibt für mich auch in seinen schwierigsten Comics immer eine Metaebene erkennbar, eine Ebene auf der er das Medium vor allem dazu nutzt, sich seiner eigenen Absurdität bewusst zu werden.

Persönlich stehe ich als Comiczeichner mitten zwischen den Parteien. Auf der einen Seite bin ich mir sicherlich einer gewissen moralischen Verantwortung in meiner Arbeit bewusst, sehe aber auch, dass es wichtig ist, einem Künstler diese Entscheidung selbst zu überlassen. Da Ben Passmore meine Anfrage zu einem Gespräch zum Thema Crumb ablehnte, kam mein Versuch eines Brückenbaus bisher nur zur Hälfte zustande. Robert Crumb, mit dem ich seit 2003 immer wieder in Kontakt stehe, war gesprächsbereiter.

Bei Crumb zu Hause.
Bei Crumb zu Hause.

© Christoph Mueller

Christoph Mueller: Denkst du, dass deine Arbeiten früher viele Menschen verletzt haben?
Robert Crumb: Ob ich denke, dass sie Menschen verletzt haben? Ja, sicher, natürlich.

Aber das war nicht dein Hauptgrund diese Dinge zu zeichnen, oder?
Ich dachte ich wäre lustig. Aber als ich 1968 Snatch Comics gemacht hatte, habe ich direkt gemerkt, dass Frauen das nicht gefallen hat. Das hat mich ein bisschen überrascht. Hippie-Frauen, ich dachte, die würden das lustig finden. Taten sie aber nicht, die fanden das nicht amüsant (lacht). Also wurde mir klar, dass ich alle weiblichen Leser verlieren würde. Frauen würden meinen Kram nicht lesen. Damit musste ich irgendwie leben. Das hielt mich nicht davon ab, diese Dinge zu zeichnen, aber ich musste akzeptieren, dass sie viele Frauen beleidigten. Die meisten Frauen mochten das nicht.

Hast du jemals darüber nachgedacht zu ändern was du zeichnest, dass du eine Art Verantwortung gegenüber deinen Leser hast?
Ja, darüber habe ich nachgedacht. Aber ich konnte nicht ändern, was in mir war. Es musste raus. Und in den späten 60ern, frühen 70ern sind alle möglichen Dinge offener geworden, es war kulturell eine sehr offene Zeit. Ich sah keinen Grund, mein wahres Ich nicht auszudrücken, komme was wolle. Weißt du, entweder die Leute können was damit anfangen oder halt nicht. Und ich habe mich gefragt: „Warum machst du das? Warum zeichnest du dieses Zeug? Das ist so verrückt und du wirst damit einfach sehr viele Menschen kränken. Was machst du da?“ Aber ich musste es einfach machen, es musste einfach raus. Ich weiß nicht warum. Das schlimmste Beispiel war „When The Niggers Take Over America“. Ich dachte, Junge, Junge, damit wirst du viele Menschen beleidigen. Das werden die Menschen sehr kränkend finden. Aber du musst es tun. Da war etwas sehr tief, weit hinten in mir, das mir sagte, du musst das machen, du musst dafür die Konsequenzen tragen (lacht). Ich weiß nicht, vielleicht lag ich damit falsch, ich kann das nicht beurteilen.

Erste Seite der Kurzgeschichte "Wenn die Nigger an die Macht kommen", die auf Deutsch im Sammelband "Amerika" erschienen ist.
Erste Seite der Kurzgeschichte "Wenn die Nigger an die Macht kommen", die auf Deutsch im Sammelband "Amerika" erschienen ist.

© Illustration: Crumb/: Reprodukt

Hattest du das Gefühl, dass da etwas ausgedrückt werden musste, dass nicht nur dich persönlich betraf?
Ja, wenn das in mir existiert, kann ich unmöglich der einzige verdammte Mensch sein, der diese Dinge tief in sich trägt. Also mussten sie irgendwie zum Vorschein gebracht werden. Ich habe damit nicht Gewalt oder Rassismus propagiert, ich habe das nicht als eine tolle Sache angepriesen, ich habe das nicht heroisch erscheinen lassen. Aber trotzdem, es hat Menschen verletzt. Art Spiegelman hat mich ganz schön angeschissen, nachdem ich „When The Niggers Take Over America“ gezeichnet hatte. Er und Bill Griffith haben mir beide gesagt, dass das ein großer Fehler sei. Und weißt du, die Leute konnten behaupten: „Du mindfuckst die Leute und das solltest du nicht. Du mindfuckst sie und vielleicht ist das nicht richtig.“ Vielleicht war das eine Art intellektueller Sadismus, ich weiß es nicht. Spiegelman meinte, es wäre Satire, die zu krass sei. „Du bist zu hart, du bist zu den Menschen zu hart. Dass du erwartest, dass sie sich das gefallen lassen und die Satire darin erkennen. Du bist zu grob mit den Leuten.“

Also war die Geschichte als Satire gedacht oder ging es darum dieses Ding, dass du unbedingt artikulieren musstest, auszudrücken?
Ich weiß nicht. Wenn du so genau definieren willst, was es ist, keine Ahnung. Das herauszufinden, ist an den Kunstkritikern. Ich kann das nicht ergründen. Sag du es mir!

Wie siehst du die jüngeren Comiczeichner, die derzeit deine Relevanz für die Gegenwart in Frage stellen?
Was ich von denen halte? Keine Ahnung. Weißt du, ich bin so alt, ich bin 76. Die jüngeren Generationen sind 50, 40, Jahre jünger als ich. Jemand der 26 Jahre alt ist, ist 50 Jahre jünger als ich, mein Gott! Was in deren Köpfen vor sich geht und welche Erfahrungen sie in ihrer Kindheit und in ihrem Leben gemacht haben und ihr kultureller Input sind völlig verschieden von meinen. Völlig unterschiedlich! Sie sind mit dem Internet groß geworden. Das ist eine andere Welt. Ich bin da ratlos. Diejenigen, die es auf mich abgesehen haben und all diese üblen Dinge über mich im Internet schreiben? Keine Ahnung. Einige Leute haben mich in Schutz genommen, wie beispielsweise die Künstlerin Carol Tyler, sie hat mich verteidigt bei irgendeinem öffentlichen Event …

Das war letztes Jahr beim Festival Small Press Expo (SPX).
Da war das? Beim SPX also, die jungen Leute haben mich ausgebuht und sie hat mich in Schutz genommen. Und dann haben sie angefangen, sie auch auszubuhen und ihr gesagt, sie solle verschwinden. Das hat sie sehr gekränkt. Sie hat mir danach geschrieben, dass es sie wirklich verletzt hat, von dieser jungen Generation so negiert zu werden.

Fühlst du dich durch diese Ereignisse entfremdet?
Ja, sicher. Aber ich habe mich immer entfremdet gefühlt. Das ist nichts Neues (lacht). Selbst als sie meinen Kram in den 70ern geliebt haben, fühlte ich mich entfremdet.

Eine Szene aus einer weiteren Kurzgeschichte aus dem Sammelband "Amerika".
Eine Szene aus einer weiteren Kurzgeschichte aus dem Sammelband "Amerika".

© Reprodukt

Ja, aber vor dieser neuen Debatte hast du als der vielleicht größte Name in der Welt der Comics gegolten.
Ja, das kann nicht für immer halten (lacht). Weißt du, natürlich kann das nicht für immer halten. Es ist schon verrückt, auf der einen Seite stehen diese politisch-korrekten Identitätspolitik-Leute und verurteilen, was ich gemacht habe, und auf der anderen Seite zeigte mir erst gestern meine Sekretärin im Internet diese Seite, die unautorisierte T-Shirts verkauft, auf denen die abscheulichsten pornographischen Sachen, die ich je gezeichnet habe, aufgedruckt sind. Irgendjemand verkauft diese T-Shirts ohne meine Einwilligung. Mich hat niemand gefragt, die bieten diese T-Shirts einfach so zum Verkauf an. Wie bitte? Irgendjemand wird also ein T-Shirt mit diesen Motiven tragen? Mit einer Frau, die in verdrehter Pose diesem Typen einen bläst? Auf einem T-Shirt? Diese Dinge passieren also gleichzeitig. Es ist wahnsinnig. Es ist verrückt da draußen.

Ich habe das Gefühl, dass es einigen jungen Künstlerinnen und Künstlern auch darum geht, sich deutlich von den Generationen vor ihnen abzugrenzen, einen klaren Cut zwischen ihnen und denen, die vor ihnen kamen, zu setzen.
Sie definieren sich darüber gegen wen sie sind?

Ich glaube jede Generation braucht so einen Moment. Trotzdem wünschte ich, das würde ein bisschen reflektierter passieren.
Junge Menschen sind oft mehr daran interessiert, sich Geltung zu verschaffen, als daran, zu reflektieren. Sie interessiert eher ihre Identität zu definieren, wer sie sind und dabei rebellisch zu sein und die vorausgegangenen Generation herabzusetzen.

Das habt ihr damals auch getan.
Ja, haben wir, sicher. Absolut, wir haben all die alten Leute empört und beleidigt, all die Menschen aus der Generation unserer Eltern. Die waren alle wahnsinnig empört.

Du hast gesagt, dass du nach wie vor zu den Sachen stehst, die du gezeichnet hast …
Tue ich, ja, ich stehe dazu.

… aber würdest du diese Dinge so heute wieder zeichnen?
Mir fehlt die Leidenschaft für solches Zeug. Das kam damals aus Motivationen und Gefühlen heraus, die mittlerweile wirklich abgeklungen sind. Ich bin nicht mehr der, der ich vor 50, 40 oder 30 Jahren war. Weißt du, meine Perspektive hat sich verändert, meine Hormone auch (lacht). Es gibt zwar immer noch Leute, die wollen, dass ich die abgedrehtesten Sex-Sachen zeichne, die ich mir ausdenken kann, aber das interessiert mich nicht mehr. Das macht mich nicht mehr an. Sowas kann man nicht erzwingen.

Crumb trifft Trump: Auch diese Szene findet sich in dem Sammelband "Amerika".
Crumb trifft Trump: Auch diese Szene findet sich in dem Sammelband "Amerika".

© Reprodukt

Ich habe den Eindruck, dass viele Leute Kunst heute völlig ohne den damaligen Kontext betrachten. Sie scheinen sich überhaupt nicht für die Geschichte dahinter zu interessieren und sind sehr schnell empört. Auf der anderen Seite verstehe ich, dass sich Leute von einigen Dingen gekränkt fühlen, sie fühlen sich ausgeschlossen.
Sicher, es ist eine wunde Stelle für sie. Sagen wir du bist schwarz und wirst mit Rassismus konfrontiert, du lebst in den Vereinigten Staaten und musstest dein ganzes Leben diesen rassistischen Schwachsinn ertragen. Wenn die dann eine meiner rassistischen Zeichnungen sehen, ist das als würde man Salz in eine Wunde streuen. Das macht sie sauer, weil sie sich ihr ganzes Leben Opfer dieses scheiß Rassismus waren. Und dann ist denen auch völlig egal, ob das Satire ist oder nicht. Es verletzt sie einfach, ich verstehe das, sorry! Auf der anderen Seite habe ich aber auch viele Schwarze kennengelernt, die erkannt haben, was ich da gemacht habe. Sie konnten verstehen, was ich tat und dachten, dass es lustig war oder offenbarend, aufschlussreich. Ich kannte viele, die so gedacht haben.

Glaubst du, du hast dich durch die Dinge, die du gezeichnet hast in eine angreifbare Position gebracht?
Oh, das denke ich, ja. Aber es ist interessant, sich in so eine Position zu bringen. Warum auf Sicherheit spielen, weißt du, das ist langweilig (lacht). Ich habe genug positives Feedback zu meinem Werk bekommen, ich habe keine Zweifel daran, was es ist. Okay, als ich „When The Niggers Take Over America“ gezeichnet habe, wurde das von weißen Suprematisten missverstanden und in ihrem rassistischen Newsletter abgedruckt. Die meinten, hey, schaut her, Crumb ist auf unserer Seite! Ich dachte, das offenbart doch nur, wie dumm die sind. Die konnten einfach nicht sehen, worum es darin wirklich ging. Die mussten echt verdammt rückwärtsgewandt sein, um das wörtlich zu nehmen. Diese Leute stehen wirklich auf den primitivsten Scheiß.

Du hast vor kurzer Zeit in einem Interview gesagt, dass du keine Frauen mehr zeichnest.
Das war ein Scherz, eine Reaktion auf die Frage, was ich über die #MeToo Bewegung denke. Da habe ich was im Sinne von „ich zeichne keine Frauen mehr, ich gucke keine Frauen mehr an, ich denke nicht mal mehr an Frauen“ geantwortet.

Sorgst du dich um dein Vermächtnis?
Nö, darüber mache ich mir keine Sorgen, überhaupt nicht. Es tut zwar ein bisschen, weh ausgebuht zu werden, aber ich habe in meinem Leben genug Anerkennung bekommen. Ich rechne damit, ab und zu ausgebuht zu werden. Ich habe soviel Lob erhalten, weißt du, so viel Lob, da muss man damit rechnen, früher oder später abgesägt zu werden. Wenn dich die Leute in dem Maße bejubeln, kommt irgendwann der Punkt an dem sie dich umhauen. Das ist unausweichlich. Das ist der Kreislauf der Dinge. Wenn man etwas macht, das so stark ist, das ein solches Level von Aufmerksamkeit generiert, dann läuft das einfach so. Irgendwann wird es irgendwer runtermachen. Der große Jazz-Trompeter Louis Armstrong hat seine großartigste Arbeit in den 20ern gemacht. Später ist er dann von Leuten, die ihn schmalzig und altmodisch fanden und als Uncle Tom bezeichnet haben, runtergemacht worden. Schwarze waren das, spätere Jazz-Musiker. Die haben ihn runtergemacht weil er ein Produkt der 20er Jahre war.

Christoph Mueller, Jahrgang 1980, ist Künstler und Comiczeichner. Er ist als Sohn deutscher Eltern in den Niederlanden aufgewachsen, hat seinen Schulabschluss auf Hawaii gemacht, in Aachen unglücklich Design studiert und sich, obwohl er die meiste Zeit seines Lebens in Deutschland gelebt hat, nie wirklich als Deutscher gefühlt. Die Arbeiten des hierzulande immer noch zum Großteil unbekannten Zeichners sind vielleicht deshalb auch in erster Linie in den USA und Frankreich erschienen. Er ist einer der wenigen deutschen Comiczeichner, die für das belgische Journal Spirou zeichnen. Sein aktuelles Buch The Mighty Millborough – Les Choses De La Vie ist seit Ende Oktober in Frankreich erhältlich.

Christoph Mueller

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