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Pierre Brice lässt grüßen: Martin Freis Beitrag.

© Edition 52

Comic-Hommage: Irgendwas mit Indianern und Cowboys

48 Künstler ehren Comicpionier Helmut Nickel mit einem Hommage-Band. Der Zeichner Andreas Hartung findet: Die meisten haben das Thema verfehlt.

Helmut Nickel war von Mitte der 1950er bis Mitte der 60er Jahre ein vielbeschäftigter Mann. Er adaptierte - als einer der wenigen deutschen Zeichner - klassische Abenteuergeschichten, wie „Die 3 Musketiere“, „Robinson Crusoe“ und „Winnetou“ als Fortsetzungs-Comics. Die Winnetou-Serie von Nickel wird auch heute noch von vielen einheimischen Comiczeichnern als prägendes Ereignis ihrer Kindheit betrachtet. So ist es wohl nur gerecht, dass Helmut Nickel auf dem Comicfest München in diesem Sommer ein Preis für sein Lebenswerk verliehen wurde. Begleitend dazu ist im Verlag Edition 52 der Hommage-Band „Hugh“ erschienen.

Faszination bis heute

In ihm erfährt der interessierte Leser einiges über die Geschichte der deutschen Karl-May-Comicadaptionen, sowie das Wichtigste über Helmut Nickels Werdegang. Drumherum gibt es eine Art gezeichneten Blumenstrauß der deutschen Comicszene und für diejenigen, die nicht so sehr mit Nickels Schaffen vertraut sind, eine Geschichte des Meisters selbst. Diese wirkt jedoch seltsam steif und besteht vor allem aus aneinander vorbei starrenden Gesichtern, was wenig dazu beiträgt, dem Nicht-Nickel-Sozialisierten die Faszination zur erklären, die anscheinend für viele Zeichner auch heute noch von seinem Werk ausgeht. Aber vielleicht fehlen dazu auch einfach der nostalgische Blick und der Duft des Kinderzimmers in der Nase. Oder es gab in Deutschland damals schlicht niemand Besseren?

Das Letzteres eventuell heute auch noch so ist, zeigt dann der vermeintlich unterhaltsamere Teil des Bandes: Die Glückwunsch-Beiträge der 48 Zeichner. An diese ergeht hier an dieser Stelle folgender Tipp (Holt Euch schnell einen Stift und schreibt das bitte mit. Ich warte solange. ... Okay, seid ihr soweit?), also: Wenn Euch jemand für einen Beitrag anfragt, aber Euch fällt zu diesem Thema nichts ein, dann sagt doch einfach: Nein! Dann macht einfach nicht mit. Der Leser wird euch dankbar sein. Niemand, ich wiederhole: Niemand, ist interessiert an Geschichten mit dem Inhalt, wie Ihr Euer erstes Karl-May-Buch auf dem Dachboden gelesen und dabei eine neue Welt entdeckt habt.

Moderner Klassiker: Eine Winnetou-Szene von Helmut Nickel, einem der bekanntesten amerikanischen Comiczeichner der 50er und 60er Jahre.
Moderner Klassiker: Eine Winnetou-Szene von Helmut Nickel, einem der bekanntesten amerikanischen Comiczeichner der 50er und 60er Jahre.

© Edition 52

Was hat Pierre Brice hier zu suchen?

Zusätzlich scheinen die meisten der Gratulanten mit Nickels Werk genauso wenig vertraut zu sein wie ich und haben dann einfach etwas über Karl May (Bücher & Filme) im Allgemeinen oder Winnetou (Bücher & Filme) im Speziellen oder einfach nur irgendwas mit Indianern und Cowboys gezeichnet. Der verdienstvolle Schwarwel beschenkt uns mit einer Illustration, auf der Pierre Brice und Lex Barker zu sehen sind. Was soll das? Wer braucht das? Herausgeber Gerhard Schlegel wurde sich anscheinend zunehmend dieses Problems bewusst und deklarierte den Band entsprechend als Hommage an Helmut Nickel und Karl May und ergänzte das dann im Vorwort noch einmal um Winnetou.

Verdienstvolle Zeichner sollen geehrt werden und es ist den Herausgebern hoch anzurechnen, dass sie diesen liebevollen Band zusammenstellten. Ich hoffe, Helmut Nickel hat vor Rührung geweint.

Aber vielleicht belässt man es das nächste Mal einfach bei den Sekundärliteratur-Beiträgen oder gibt den Arbeiten des Geehrten einen größeren Raum, um auch die Unwissenden für dessen verloren geglaubte Kunst zu begeistern. Die Beiträge der Comiczeichner überreicht man dann dem Künstler bei der Preisverleihung als Einzelauflage. Da freut er sich (bis er mit fassungslosem Entsetzen den Beitrag von Martin Frei erblickt). Alle anderen Leser erfreuen sich an der gewonnenen halben Stunde Lebenszeit - und billiger für den Verlag ist es auch.

P.S.: Aber das Cover ist echt toll!

Hommage: Das Covermotiv des Sammelbandes, der im Rahmen des Comic Fests München 2011veröffentlicht wurde und an Helmut Nickels Schaffen erinnern soll.
Hommage: Das Covermotiv des Sammelbandes, der im Rahmen des Comic Fests München 2011veröffentlicht wurde und an Helmut Nickels Schaffen erinnern soll.

© Edition 52

Hugh! Winnetou, Hommage an Karl May und Helmut Nickel, Edition 52, 96 Seiten, 20 Euro

Unser Gastautor Andreas Hartung hat sich als Comiczeichner unter dem Kürzel aha einen Namen gemacht - hier geht es zu seiner Website mit Arbeitsproben. Er ist u. a. Herausgeber der Zeitschrift Epidermophytie. Und er ist im vergangenen Jahre mit dem Preis des Interessenverbands Comic (Icom) ausgezeichnete worden, mehr dazu hier.

Andreas Hartung

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