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Deutsch-amerikanischer Dialog: Eine Seite aus „Rude Girl“.

© avant

Comic-Biografie „Rude Girl“: Amerikanische Farbenlehre

Birgit Weyhe zeichnet in „Rude Girl“ eine ungewöhnliche Lebensgeschichte nach – im kritischen Dialog mit ihrer Hauptfigur Priscilla Layne.

Priscilla Layne gehört nirgendwo richtig dazu. Für ihre Familie ist sie mit ihrer Sportlichkeit und der Vorliebe für Hosen kein „richtiges“ Mädchen. Ihr soziales Umfeld in Chicago nimmt sie vor allem als arm wahr. Den schwarzen Mädchen in ihrer Schule ist sie als Tochter karibischer Eltern nicht amerikanisch genug.

Perspektivwechsel: Eine weitere Seite aus „Rude Girl“.
Perspektivwechsel: Eine weitere Seite aus „Rude Girl“.

© avant

Für sie bleibt sie ein „Oreo“ - außen schwarz, innen weiß, weil sie auch Freunde jenseits der afroamerikanischen Community hat und sich den Anforderungen der weißen Mehrheitsgesellschaft anpasst.

Hinzu kommt, dass in ihrer Familie das Geld knapp ist. Vieles, was für andere Kinder und Jugendliche selbstverständlich ist, kann sie sich nicht leisten. Und doch lässt sich Priscilla nicht beirren. Sie schafft es durch Intelligenz, Fleiß und eine unbändige Neugier auf Menschen und die Kultur an die Universität. Sie wird Professorin für Germanistik.

Gut 20 Jahre später begegnet sie der Zeichnerin Birgit Weyhe („Madgermanes“, „German Calendar, No December“) aus Deutschland. Noch jemand, der sein Leben zwischen allen möglichen Welten verbracht hat: Deutschland und Ostafrika, Kunst und Comic, Armut und Bildungsbürgertum.

Beide haben aus Priscillas Leben nun ein Comic-Porträt gemacht. In „Rude Girl“ (avant, 312 S., 26 €) zeichnet Weyhe, die einige Jahre auch für den Tagesspiegel gearbeitet hat, Priscilla Laynes Familiengeschichte ebenso nach wie ihre Mobbing-Erfahrungen an der Schule und ihre Jugend als Skinhead.

Richtig gelesen: denn Layne identifiziert sich ganz selbstverständlich mit der männlich geprägten, weißen Subkultur. Bei den linken Skins kämpft man für die Interessen der Arbeiterklasse, ihre Musik sind Ska und Punk – darin findet sich Priscilla Layne wieder. Genau wie in der Subkultur der „Rude Boys“ in den 1960ern, junger Jamaikaner aus der Arbeiterklasse.

Wieso sind alle Figuren weiß gezeichnet?

Das ehemalige „Rude Girl“ kommentiert jede von Weyhes Comic-Episoden in einem eigenen Kapitel. Alle Figuren sind rein weiß? Das hieße ja, Hautfarbe spiele keine Rolle mehr. Weyhes Vorliebe für reines Schwarz passt genauso wenig.

Das Titelbild des besprochenen Buches.
Das Titelbild des besprochenen Buches.

© avant

So bekommen die Figuren unterschiedliche Beige- und Braun-Nuancen. Zusammen mit Rostrot und Olivgrün geben sie den Bildern Tiefe und Wärme. Immer wieder nimmt Layne als Mit-Erzählerin und gezeichnete Figur Korrekturen vor. Hier hat Weyhe eine Information vergessen, hier Falsches erzählt.

Das wirkt als Erzählstruktur bisweilen bemüht. Denn es ist von Anfang an klar, dass die Zeichnerin sich intensiv mit Layne beschäftigt hat. Warum sie sie für den Comic in „Crystal“ umtauft, bleibt unklar. Auch die hinten angehängte Reflexion über eigene Privilegien hätte nicht sein müssen.

Denn angesichts dieses erstaunlichen Lebens bleibt es beeindruckend genug, wie Priscilla Layne ihren Weg geht. Und sich als Woman of Color trotz des ständigen Kampfes gegen Vorurteile ihre Offenheit und Empathie bewahrt.

Silke Merten

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