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Gold. Mit dieser Auszeichnung können sich in diesem Jahr die Favoriten der Tagesspiegel-Jury schmücken.

© Tsp

Comic-Bestenliste: Die besten Comics 2018 – Barbara Buchholz' Favoriten

Welches sind die besten Comics des Jahres? Das haben wir unsere Leser und eine Fachjury gefragt. Heute: Die Top-5 von Tagesspiegel-Autorin Barbara Buchholz.

Auch in diesem Jahr haben wir unsere Leserinnen und Leser wieder gefragt, welches für sie die besten Comics der vergangenen zwölf Monate waren - hier eine Auswahl der Ergebnisse. Parallel dazu war wie bereits in den vergangenen Jahren wieder eine Fachjury gefragt. Die bestand in diesem Jahr aus acht Autorinnen und Autoren der Tagesspiegel-Comicseiten: Barbara Buchholz, Ute Friederich, Moritz Honert, Oliver Ristau, Sabine Scholz, Marie Schröer, Ralph Trommer und Lars von Törne.

Die Mitglieder der Jury haben in einem ersten Durchgang ihre fünf persönlichen Top-Comics des Jahres gekürt, die in den vergangenen zwölf Monaten auf Deutsch erschienen sind. Die Ergebnisse finden sich unter den obigen Namens-Links. Jeder individuelle Favorit wurde von den Jurymitgliedern mit Punkten von 5 (Favorit) bis 1 (fünftbester Comic) beurteilt. Daraus ergab sich dann die Shortlist, auf der alle Titel mit mindestens fünf Punkten oder mindestens zwei Nennungen landeten. Diese Shortlist wurde abschließend von allen acht Jurymitgliedern erneut mit Punkten bewertet - daraus ergab sich die Rangfolge der besten Comics des Jahres, die sich unter diesem Link findet.

Barbara Buchholz.
Barbara Buchholz.

© Privat

Hier dokumentieren wir die Favoriten von Tagesspiegel-Autorin Barbara Buchholz.

Platz 5: Olivia Vieweg: Endzeit (Carlsen)
Olivia Vieweg hat ihren Comic „Endzeit“ von 2011 komplett überarbeitet – mit beeindruckendem Ergebnis. Nicht nur der Umfang ist gewachsen, die Geschichte und die Charaktere sind jetzt komplexer und dramatischer angelegt. Die zaghafte Vivi hat in der abgebrühteren Eva einen moralisch weniger aufgeräumten Gegenpol, beide haben stärker mit den Gespenstern ihrer Vergangenheit zu kämpfen – und mehr blutrünstige Zombies treiben ihr Unwesen. Insgesamt ist „Endzeit“ ein Augenschmaus. Viewegs Strich setzt kindlich-niedliche Kulleraugen und flatternde Kleidchen mit halbverwesten Wesen in reizvollen Kontrast. Und mit Verstärkung der Koloristen Ines Korth und Adrian Vom Baur lässt Vieweg die Apokalypse leuchten: in flammend orangen, gelben und violetten Tönen, in Grün und Blau oder auch düsterem Grau und Braun.

Platz 4: Sarah Burrini: Die nebenberuflichen Abenteuer von Nerd Girl #1 (Edition Kwimbi)
Im Januar 2013 plumpste Nerd Girl erstmals mit wehendem Umhang und Augenmaske vom Dach in eine dunkle Kölner Gasse. Nach diesem ersten Auftritt in Sarah Burrinis semiautobiografischem Webcomic „Das Leben ist kein Ponyhof“ und einigen Eskapaden wurde es ruhig um die angehende Superheldin, aber drei Jahre später kam sie zurück. In loser Folge stürzte sich Burrinis Comic-Alter Ego Sarah aus der „Ponyhof“-WG online in „Die nebenberuflichen Abenteuer von Nerd Girl“. Und jetzt gibt es das erste Kölner Superheldinnen-Heft! Darin mischt ein Lebensmittelskandal um eine vegane Imbissbude die selbsternannte Domstadt auf. Das ist nicht nur lustig – auch dank Figuren wie dem dickhalsigen kölschen Betreiber von „Udo‘s Pomme‘s Paradies“ oder Nerd Girls Sidekick, der Taube Deathwing, sowie jeder Menge liebevoller Details –, sondern auch handwerklich sehr gut gemacht. Die ausgebildete Trickfilmzeichnerin Burrini arbeitete unter anderem in einem großen Comicstudio in Portland/USA, wo sie viel für ihren Zeichenstil gelernt haben dürfte. Ihre digital getuschten Zeichnungen wirken sehr dynamisch, wozu Soundwörter und Bewegungslinien beitragen; zackige Schnitte und schräge Perspektiven beflügeln das Tempo. All das macht Lust auf #2!

Platz 3: Asja Wiegand: Sterne sehen 2 (Zwerchfell)
Nina und Ela Era Ean, die angeblich von einem anderen Stern stammt, blicken frühmorgens Hand in Hand von einem Hügel auf riesige Teleskope mitten in einem reifen Kornfeld. Eine schöne Doppelseite ist das, ein strahlender Sonnenaufgang, weiß gestrichelt auf hellgrauem Grund. Die Seite nimmt das rosa-hellblaue Titelbild auf, das den ersten Band von „Sterne sehen“ zierte. Teil zwei kommt schattiger daher: auf dem Cover violett-melancholische Abendstimmung statt Hochsommer mit reifem Kornfeld. Die dunkleren Töne spiegeln sich auch in der Geschichte wider. Asja Wiegand schildert die dramatischen Entwicklungen mit schnellen Perspektivwechseln, schrägen Panels, Speedlines und Großaufnahmen von Gesichtern mit funkelnden Tränen, zusammengekniffenen Augen, aufgerissenen Mündern. Elas Streben nach den Sternen steht ihr in die großen Augen geschrieben, wenn helle Lichtreflexe darin leuchten. Der zweite Band bringt diese schöne Science-Fiction-Geschichte mit romantischem Touch zu einem überraschenden Ende.

Das hier sind die beiden Top-Titel von Barbara Buchholz

Platz 2: Tillie Walden: Pirouetten (Reprodukt)
Hinter Pirouetten und Sprüngen auf dem Eis stecken viel Arbeit und Konzentration, doch sie sehen elegant und leicht aus. Das gilt auch für Tillie Waldens Zeichnungen in ihrem Comic „Pirouetten“: Ihr sparsamer, lockerer Strich wirkt skizzenhaft und fängt Bewegungen und Stimmungen perfekt ein, zartes Aquarell-Violett kontrastiert mit dunkellila Flächen, gelben Akzenten und luftigem Weißraum. Auf den Seiten wechseln sich Splashpanels, Waffelgitter oder Szenen ohne jeden Rahmen ab und bringen – zusammen mit dem Erzählrhythmus – Dynamik und Spannung in die eher introspektive Geschichte. In „Pirouetten“ erzählt die 1996 geborene texanische Künstlerin von ihrer Kindheit und Jugend als Eiskunstläuferin, von ihrer Hassliebe zu diesem Sport, ihrem Coming-Out und ihrer Emanzipation. Weil so viel anderes in der Geschichte steckt, braucht es für den Genuss der Lektüre kein besonderes Interesse am Eiskunstlauf. Was für ein Glück, dass Tillie Walden die Schlittschuhe an den Nagel gehängt hat, um Comics zu machen.

Platz 1: Maximilian Hillerzeder: Maertens (Jaja-Verlag)
„Maertens“ von Maximilian Hillerzeder besticht durch Einfallsreichtum in Figurengestaltung und grafischem Erzählen. Da gibt es anthropomorphes Gemüse, Gesichter aus verschiebbaren Einzelteilen oder Polizisten mit zangenartigen Köpfen. Für die Monotonie der Arbeit in der Imbissbude, wo Maertens mit dem Verkauf unappetitlich wirkenden Fleisches seine Brötchen verdient, findet Hillerzeder feine Bilder; etwa eine Seite mit Panels, die alle das gleiche Motiv zeigen: Maertens‘ Mütze und Shirt ohne Inhalt, dazu Sprechblasen: „Was darf‘s bei Ihnen sein?“, „Mit allem?“ Die Geschichte, in der der Hobbykriminalist Maertens an einen rätselhaften Entführungsfall gerät, ist auf eine unaufdringliche Art skurril. Die Experimentierfreude und den Spaß am Surrealen merkt man auch Hillerzeders Abenteuercomics „Als ich mal auf hoher See verschollen war“ und „Als ich mal plötzlich in der Wüste gewesen bin“ an – aber in „Maertens“ treibt er es formal wie inhaltlich auf die Spitze.

Barbara Buchholz

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