zum Hauptinhalt
Eine Szene aus "Utille".

© Illustration: Hannes Stummvoll

Ausgezeichnete Comics: Science-Fiction-Comics siegen bei ICOM-Preisverleihung

Der Interessenverband Comic kürt drei Comics mit dem ICOM-Preis. Der war im Sommer nach dem Streit um die Jury neu ausgerichtet worden.

Der Science-Fiction-Fantasy-Comic „Utille“ von Hannes Stummvoll ist vom Interessenverband Comic mit dem ICOM-Preis 2020 als bester Independent-Comic im Bereich Eigenveröffentlichungen ausgezeichnet worden. Als bester Independent-Comic mit Verlagsveröffentlichung wurde die postapokalyptische Science-Fiction-Erzählung „Prinz Gigahertz“ von Lukas Kummer prämiert.

Sie ist in Buchform im Zwerchfell-Verlag veröffentlicht worden. Ebenso das dritte geehrte Werk: Der Edutainment-Rätsel-Comic „Björn Eichenwicht und der immergrüne Wald“ von Korinna Seidel und Adrian Richter, der mit einem Sonderpreis bedacht wurde.

Das gab der Interessenverband Comic am Montag auf seiner Website bekannt. Dort finden sich auch ausführlichere Begründungen zum Jury-Votum sowie eine Liste von zuvor von der Jury nominierten Titeln.

Jede der drei Auszeichnungen ist mit 1000 Euro dotiert. Die Jury bestand in diesem Jahr wie berichtet aus den beiden Comic-Fachjournalisten Sabine Scholz (die neben dem Fachmagazin „Animania“ auch für den Tagesspiegel schreibt) und Martin Jurgeit (er veröffentlicht neben dem „Buchreport“ und der Website „die neunte“ ebenfalls auch Artikel im Tagesspiegel) sowie dem Autor, Zeichner und Independent-Verleger David Füleki und der langjährigen Leiterin des Fumetto-Festivals und heutigen Carlsen-Redakteurin Sabine Witkowski.

Die Begründungen der Jury

„Hannes Stummvoll, für den Utille das erste Comic-Projekt ist, geleitet den Leser mit lockerem, durchaus noch ein wenig unstetem, sanftem Strich durch das spannende, runde Abenteuer“, schreibt Jurorin Sabine Scholz in ihrer Laudatio über den zuerst online und inzwischen auch im Selbstverlag gedruckt veröffentlichten Comic. „Die zarte, harmonische und doch kraftvolle Farbgebung, die fremdartigen Lebewesen auf dem unbekannten Planeten und die unwirklichen, organischen Environment-Designs atmen den Geist von Genregrößen wie Moebius und der japanischen Anime-Hits aus dem Hause Ghibli, allerdings arbeitet der Utille-Zeichner sehr viel reduzierter.“ Mit einer starken, kritischen Heldin, der später die zweite weibliche Hauptfigur zur Seite gestellt werde, sowie vielen anderen glaubwürdigen Charakteren und einer „ruhigen, eindringlichen Bildsprache“ habe er die Jury von sich überzeugen können.

Die ICOM-Urkunde 2020.
Die ICOM-Urkunde 2020.

© ICOM

Bei „Prinz Gigahertz“ (hier gibt es die Tagesspiegel-Rezension des Buches) lobt Juror David Füleki die Mischung aus Elementen ritterlicher Helden-Sagen und postapokalyptischem Wasteland-Szenario, kombiniert mit „einem ordentlichen Batzen cyberpunkiges Retro-Trash-Flair“. Vor allem aber sei Lukas Kummers Werk „ein runder, unterhaltsamer Comicband, der einfach hervorragend funktioniert. Pulpig, aber nicht blöd. Reduziert, aber künstlerisch stark. Ein Remix zahlreicher bekannter Versatzstücke, aber mit kreativen Einzelszenen", kurzum: „Ein Comic-Highlight des Jahres“.

Der dritte Preisträger, „Björn Eichenwicht und der immergrüne Wald“, sei dank einer „klassischen Heldenfigur und den farbenfrohen, charmanten Zeichnungen ein märchenhafter Einstieg in die Welt der Comics für Groß und Klein“, heißt es in Sabine Scholz' Laudatio. Der Titel „überzeugte die Jury mit seiner altersgerechten Zugänglichkeit, seinem Einfallsreichtum und der Erzähl- und Zeichenfreude“.

Ein Streit um die Jury führt zu einem neuen Preis

Mit der neuen Jury und einem neuen Verfahren reagierte der Interessenverband Comic auf eine Auseinandersetzung, die vor gut zwei Jahren begonnen hatte.

Nachdem sich der ICOM-Preis seit Mitte der 90er Jahre als Auszeichnung für Independent-Comics etabliert hatte, war im Sommer 2018 eine Auseinandersetzung um die überwiegend männliche Besetzung der Jury eskaliert. Angestoßen hatte die Debatte die ehemalige ICOM-Jurorin und Comic-Aktivistin Eve Jay.

[Wenn Sie alle aktuellen Themen live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Der Konflikt, Sexismus-Vorwürfe gegen die Initiatoren des Preises vom Interessenverband Comic sowie die Reaktion des Vorsitzenden Burkhard Ihme und der Umgang mit Eve Jay unter anderem im von ihm herausgegebenen „COMIC!-Jahrbuch“ führten damals zu heftigen Debatten innerhalb der Szene, die über Social-Media-Kanäle teilweise öffentlich ausgetragen wurden.

In der Folge schlossen sich mehrere Akteur*innen der unabhängigen deutschen Comicszene zu einer „Comic- und Manga-Interessengemeinschaft“ zusammen, die im Frühjahr 2019 erstmals den neuen GINCO Award präsentierte. Der betont inklusive Preis wurde kürzlich erneut vergeben, hier finden sich die diesjährigen Gewinner*innen.

Der Interessenverband Comic war 1981 als Interessenvertretung von Zeichnern und Autoren gegründet worden. Initiiert hatte die aktuellen Veränderungen Martin Jurgeit, der seit vielen Jahren in unterschiedlichen Funktionen in der Comicszene aktiv ist. Gemeinsam mit einigen Mitstreiter*innen innerhalb des Interessenverbandes Comic hat Jurgeit im Sommer den ICOM-Preis neu ausgerichtet.

Geld vom Internationalen Comic-Salon Erlangen

Dafür wurde der Internationale Comic-Salon Erlangen als Partner gewonnen. Das Festival, das alle zwei Jahre von der Stadt Erlangen veranstaltet wird, war 1984 vom Interessenverband Comic initiiert und bis 1990 auch mitveranstaltet worden.

In diesem Jahr wurde der Comic-Salon allerdings wegen der Corona-Pandemie abgesagt – was dazu führte, dass das Organisationsteam im Erlangener Kulturamt zahlreiche Comic-Zeichner*innen auf andere Weise förderte. Auch beim ICOM-Preis brachte sich der Comic-Salon vor dem Hintergrund der aktuell schwierigen Zeiten für die Comicszene finanziell stärker ein.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellen Themen des Tages. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de]

Als Teil der Neuausrichtung sollte der ICOM-Preis, den zwischendurch auch mal so etablierte Autor*innen wie Ulli Lust bekamen, wieder stärker Selbstveröffentlichungen ansprechen. Die sollen nicht wie bisher auf Kosten der Einreichenden erfolgen, sondern die Veröffentlichungen werden von der ICOM-Jury angekauft. Dafür hatte der Comic-Salon das Geld zur Verfügung gestellt.

In der Comicszene sind die Veränderungen beim ICOM-Preis in den vergangenen Monaten kontrovers diskutiert und teilweise scharf kritisiert worden. Mehrere Kritiker*innen des Vereins ICOM und seines Vorsitzenden Burkhard Ihme bemängelten eine ausgebliebene Entschuldigung vor allem für das Verhalten gegenüber Eve Jay sowie die fehlende Distanzierung der neuen Jury vom ICOM-Vorstand und seinem Vorgehen vor zwei Jahren.

Zur Startseite