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«Hans Fallada - Der Trinker»: Auszüge aus Jakob Hinrichs Literaturadaption im Horst-Janssen-Museum.

© Carmen Jaspersen/dpa

„Die Neunte Kunst“ in Oldenburg: Nahaufnahmen aus der Nische

In Oldenburg haben sich drei Museen zusammengetan, um unterschiedliche Facetten der Kunstform Comic in einer Kooperationsausstellung zu präsentieren.

Kindheitserinnerungen im Altenheim, Sexarbeiterinnen in Russland, ein intensives Künstlerleben - Comics bieten ein Spiegelbild der Gesellschaft. Jetzt wird die Kunstform in Oldenburg mit einer Kooperationsausstellung in drei Museen unter dem Titel „Die Neunte Kunst“ gewürdigt. Zu sehen ist zum Beispiel die Comic-Reportage „Dem Krieg entronnen“ von Olivier Kugler. Er hat in fünf Ländern syrische Flüchtlinge interviewt, fotografiert und gezeichnet. „Die doppelte Autorenschaft von Wort und Bild: Das ist schwere Arbeit“, sagt Anke Feuchtenberger. Die 55 Jahre alte Professorin für Zeichnen und Illustration unterrichtet Comics an der Hamburger Hochschule HAW.

Autor, Regisseur, Ausleuchter und Kameramann in einer Person

Auf Graphic Novels - also längere, in sich abgeschlossene Comic-Erzählungen- spezialisierte Verlage müssen einen langen Atem haben. Johann Ulrich, Chef des kleinen Avant-Verlags in Berlin, sieht aktuell journalistische Arbeiten etwa zum Syrien-Konflikt und feministische Graphic Novels im Aufwind. Die Szene sei selbstbewusst, weil Comic-Zeichner - anders als beim Film - Allroundtalente sind: „Sie sind Autor, Regisseur, Ausleuchter und Kameramann in einer Person.“

Das Oldenburger Edith-Russ-Haus für Medienkunst richtet von diesem Donnerstag (1.2.) an bis zum 2. April den Fokus auf „Unwanted Stories“ von fünf internationalen Künstlern. Die russische Bilder-Reporterin Viktoria Lomasko führt hier unter anderem die Ausbeutung kasachischer Frauen vor Augen. Im Kinoraum geht es um den Nervenkitzel von Ego-Shooter-Spielen. Der ägyptische Künstler Ganzeer, bekannt für seine Graffiti während der Unruhen des Arabischen Frühlings, hat im Edith-Russ-Haus die Hölle auf Erden inszeniert. In seiner Lichtinstallation wird unser Planet Tag und Nacht von künstlichen Satelliten beleuchtet - ein Szenario, das im Kopf der Betrachter lange nachwirkt.

«Ein deutsches Tier im deutschen Wald»: Eine Arbeit von Anke Feuchtenberger im Horst-Janssen-Museum.
«Ein deutsches Tier im deutschen Wald»: Eine Arbeit von Anke Feuchtenberger im Horst-Janssen-Museum.

© Carmen Jaspersen/dpa

Parallel dazu ist „Die Geschichte des Comics“ ab Samstag (3.2.) bis zum 2. April Thema im Stadtmuseum Oldenburg. Museumsdirektor Andreas von Seggern schickt die Besucher mit Meisterdetektiv „Nick Knatterton“ und „Fix und Foxi“ auf eine Zeitreise. In einer bunten Comicwand sind Kultgegenstände wie ein Micky-Mouse-Telefon installiert. Mit dabei ist der mit einem Oscar ausgezeichnete Anti-Hitler-Zeichentrickfilm „Fuehrer's Face“ mit Donald Duck in Nazi-Deutschland.

Bestseller aus der Nische

Nebenan wehen vor dem Horst-Janssen-Museum Flaggen mit der markanten Gestalt des australischen Musikers Nick Cave. Die von dem Berliner Comicautor Reinhard Kleist mit Tusche gezeichnete Biografie des vielseitigen Künstlers ist von Samstag (3.) bis 6. Mai an in der Austellung „Aktuelle deutsche Graphic Novels“ zu sehen. Originale von 13 zeitgenössischen Comiczeichnern zeigen den langen Weg von den ersten Zeichnung bis zum fertigen Buch.

Oft dauere die Arbeit mehr als drei Jahre, sagt Jutta Moster-Hoos, Leiterin des Horst-Janssen-Museums: „Das ist eine sehr anspruchsvolle, super lebendige Szene mit den Epizentren in Berlin, Hamburg und Leipzig.“ Zu den hier ausgestellten Künstlerinnen und Künstlern zählt auch Ulli Lust. In ihrem aktuellen autobiografischen Comic dreht sich alles um die Dreiecksbeziehung mit zwei Männern.

Trotz Comic-Ausstellungen wie jetzt in Oldenburg und 2017 in der Bundeskunsthalle Bonn spricht Claudia Jerusalem-Groenewald von einem Nischendasein der Kunstform. „Bei Comics denken viele noch immer an die sogenannten Funnys wie Asterix, Micky Mouse und Tim und Struppi“, sagt die Sprecherin von Carlsen Comics. Dabei seien gezeichnete Bücher wie der Krimi „Der nasse Fisch“ und die in Oldenburg ausgestellte Biografie von Nick Cave längst Bestseller. (dpa)

Hinweis: Einen umfangreichen Bericht unseres Autors Oliver Ristau über die drei Ausstellungen lesen Sie in Kürze auf den Tagesspiegel-Comicseiten.

Sabine Komm

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