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Ein Porträt von blackness. In Collagen ordnet die Künstlerin Frida Orupabo ihr digitales Archiv neu an.

© Galerie Nordenhake/ Frida Orupabo

Collagen von Frida Orupabo: Eine einzigartige Ansammlung von kulturellem Erbe

Nach der Biennale und dem Portikus: Frida Orupabo stellt in der Berliner Galerie Nordenhake „A House is a House“ aus. Ein Versuch der Verarbeitung.

Den schwarz-weißen Collagen von Frida Orupabo ist man in diesem Kunstjahr oft begegnet. Sei es auf der Biennale in Venedig, im Portikus in Frankfurt am Main oder im Kunstnernes Hus in Oslo. Nun stellt die 1986 in Norwegen geborene Künstlerin neue Werke unter dem Titel „A House is a House“ in der Berliner Galerie Nordenhake aus.

Ihre Collagen und Werke entstehen aus historischem Material, das Kolonialgeschichte und Sklaverei dokumentiert. Viele der Bilder zeigen schwarze Protagonisten und Protagonistinnen, deren Namen in der Vergangenheit oder aufgrund ihrer digitalen Verbreitung auf Online-Bildseiten wie Tumblr nicht mehr bekannt sind.

Seit 2013 sammelt Orupabo, deren Vater aus Nigeria stammt, historische Fotografien, Videoclips und Texte und macht sie in ihrem Instagram-Feed @nemiepeba öffentlich zugänglich. Was damals das persönliche Projekt einer Sozialarbeiterin war, hat in der Kunstwelt inzwischen Wellen geschlagen. Künstlerkollegen wie Arthur Jafa sehen in Orupabos digitalem Archiv eine einzigartige Ansammlung von kulturellem Erbe, das blackness porträtiert.

Weil die Künstlerin das gesammelte Material in ihren Collagen (Preise von 13 000–32 500 Euro) neu anordnet, entstehen bislang unerzählte Geschichten. Ein mit weißen Flügeln bekränzter Kopf entfaltet in der Galerie zum Beispiel poetische Wirkung, während die schwarze Schlange, die einer Protagonistin gegenübergestellt ist, biblisch wirkt.

Collagen werden zum Flickenteppich geraubter Identitäten

Auffällig ist, dass Orupabo die einzelnen Teile ihrer Collagen wie Arme, Köpfe, Hosen oder Schuhe mit silbernen Reißzwecken zusammenpinnt. Das lose Zusammenfügen der Papierschnitte macht ihre Werke zerbrechlich und filigran. Weil sie an Schienen befestigt sind und nicht in Bilderrahmen hängen, hat man den Eindruck, als schwebten die Collagen wie Wolkenformationen an der Wand. Das historische Material verstärkt diesen Eindruck der fehlenden Bodenhaftung.

Denn die Kolonialisierung hat durch Sklaverei und Mord vor allem persönliche Wurzeln zerstört und Familiengeschichten ausgelöscht. Die Collagen werden zu einem Flickenteppich geraubter Identitäten und von Einzelschicksalen, die keine Basis mehr haben. Der Schmerz darüber zeigt sich in den Körpern. Sie haben oft unnatürliche Posen inne. Arme und Beine sind unmöglich verrenkt und geben der unbegreiflichen Vergangenheit eine Form.

Das erklärt auch, warum alle Werke der Ausstellung den Nicht-Titel „Untitled“ tragen. Eigentlich stehen die Bilder für tausend Titel, Namen und Bezeichnungen, die verloren gegangen sind. Das Zusammenfügen in Orupabos Collagen wird so zu ihrem persönlichen Versuch der Verarbeitung, des Verstehens und einer neuen Ordnung.
[Galerie Nordenhake, Lindenstr. 34; bis 18. 1., Di–Sa 11–18 Uhr]

Lorina Speder

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