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Nachklang. DJ Jace Clayton eröffnete das Festival im HAU 1.

©  Rocio Rodriguez Salceda

Club Transmediale 2018 eröffnet: Grenzen sprengen

Party gegen das Gepolter von rechts: Das Festival Club Transmediale feiert Vielfalt und Offenheit in unruhigen Zeiten. Und das an mehr Berliner Orten denn je.

„Julius Eastman Memorial Dinner“ lautet der Titel des Stücks, mit dem das Musikfestival Club Transmediale am Wochenende im HAU 1 eröffnet worden ist. Der New Yorker DJ und Poptheoretiker Jace Clayton präsentierte seine Hommage an den New Yorker Komponisten Julius Eastman, der 1990 mit nur 49 Jahren gestorben ist. Eastman, ein schwarzer Schwuler mit Drogenproblemen, brachte nicht die besten Voraussetzungen für die akademische Musikszene mit. Er starb arm und vergessen, viele seiner Werke galten lange als verschollen. Inzwischen ist jedoch eine regelrechte Eastman-Renaissance zu beobachten.

Dass Eastman sich seines Außenseiterstatus in der Neue-Musik-Szene bewusst war, zeigen schon die provokanten Titel der beiden von Clayton und den Pianisten Emily Manzo und David Friend in Berlin aufgeführten Werke, „Evil Nigger“ und „Gay Guerilla“. Die meist hektisch perlenden Piano-Cluster der Stücke verfremdet und verwebt der DJ mit Hilfe einer Software im Laptop zu hypnotischer Klaviermusik. Auf der Leinwand taucht die Performerin und Sängerin Arooj Aftab auf, die über sexuelle Orientierung spricht und singt – das Konzert wird zur Multimedia-Show. Auch wird am Beispiel von Eastman der komplizierte Verlauf von Erinnerung thematisiert. Auf diese Weise eröffnet die Musik für das Festival einen gewaltigen Diskursraum.

Das Motte lautet Aufruhr

Seit bald 20 Jahren bietet das CTM-Festival einen Rahmen für experimentelle Gegenwartsmusik und untersucht deren politisch-emanzipatorisches Potential. „Turmoil“ lautet das Festivalmotto in diesem Jahr. Will heißen: Der aktuellen Aufregung um Trump und Co. lässt sich nicht mit gepflegter Kuschelmusik begegnen. Eher sind erregte und erregende Werke vonnöten, so die Festivalmacher, Musik, die sich als selbstbewusste Antwort auf das Gepolter des Rechtspopulismus versteht.

Der bei Rechtspopulisten verbreiteten Vorstellung von Homogenität wie der Forderung nach geschlossenen Grenzen setzt der Club Transmediale Vielfalt und Offenheit entgegen. Zudem bespielt das Festival bis zum kommenden Sonntag mehr Berliner Veranstaltungsorte denn je, vom Kraftwerk Berlin bis zu den Red Bull Music Studios. Und wenn selbst der Club Ost mitmachen darf, ein von der Szene misstrauisch beäugter Club, weil er von den Machern der Berliner Proll-Diskothek Matrix betrieben wird, ist das als Zeichen dafür zu sehen, dass man wirklich niemanden ausschließen möchte.

Tanztheater und polnischer Gabber

Es gibt Footwork-Acts wie Jana Rush mit ihren grandios verknoteten Beats auf dem CTM, den Londoner Gaika mit seinen ungemütlichen Beatbasteleien, die er selbst als „Ghetto Futurismus“ bezeichnet, dazu elektronische Musik aller Schattierungen. Weg mit den Genre-Barrieren: Auch die beiden großen Free Jazzer George Lewis und Roscoe Mitchell treten auf, gemeinsam. Als Mitglieder der Chicagoer Musikervereinigung AACM tragen sie den Black-Power-Gedanken in den Jazz.

Der Berliner Regisseur Christoph Winkler präsentiert mit der japanischen Band Group A ein Tanztheaterstück, der Elektroniker Rashid Becker aus Berlin probiert etwas gemeinsam mit der Chinesin Pan Dajing aus. Am Freitag steht eine Clubnacht mit polnischen Gabber auf dem Programm, die extremste und mitunter eine militant-linksradikale Attitüde pflegende Spielart von Techno. Was sich wiederum leicht als musikalischer Stinkefinger in Richtung der polnischen Regierung deuten lässt.

Es gibt auch Vorträge und Diskussionen

In Anbetracht einer Welt im Aufruhr will das Festival aber auch Gelegenheit bieten, um einen Moment lang innezuhalten, um nachzudenken. Auf dem Programm stehen deshalb Vorträge und Diskussionen zu Themen wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Vernetzung, Austausch, wechselseitige Anregung, künstlerisch wie politisch – schon die Eröffnung wurde dem Ansinnen des CTM-Festivals so verblüffend wie vorbildlich gerecht. Der Klang- und Diskursraum kann noch bis Sonntag mit Inhalt gefüllt werden, am Abschlussabend mit DAF, der Elektronik-Kultband Band namens Deutsch-Amerikanische Freundschaft.

Infos und Tickets: www.ctm-festival.de

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