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McDonald als Schutzraum: „McDonald’s Radio University“ des Japaners Akira Takayama

© HAU

„Claiming Common Spaces“ am HAU: Wem gehört der öffentliche Raum?     

Kunst, Panels, Performance: Das Berliner HAU präsentiert mit „Claiming Common Spaces“ ein Projekt des Bündnisses internationaler Produktionshäuser.

Manchmal werden in der Kulturpolitik, nicht nur der Berliner, ja tatsächlich auch sinnvolle Entscheidungen getroffen. Erstmals zum Beispiel ist jetzt im Koalitionsvertrag der Bundesregierung  die „substanzielle“ Stärkung der freien Produktionshäuser als Ziel verankert. Und damit es bei der löblichen Absicht allein nicht bleibt, fließt dafür tatsächlich auch Geld. Das „Bündnis internationaler Produktionshäuser“, in dem sich neben dem Berliner HAU Hebbel am Ufer das FFT Düsseldorf, das tanzhaus nrw, der Essener PACT Zollverein, das Dresdner Kunstzentrum Hellerau, Kampnagel Hamburg sowie der Frankfurter Mousonturm zusammengeschlossen haben, bekommt im Rahmen eines Modellprojekts 12 Millionen Euro für drei Jahre. Kein gigantischer Etat, aber ein gutes Zeichen.

Sie sei überrascht gewesen, bekennt Annemie Vanackere, die Leiterin des HAU, dass es so etwas wie einen Zusammenschluss der Produktionshäuser in Deutschland bis dato nicht gab. Wo doch die Institutionen auf ähnliche Gründungsgeschichten zurückblicken, oft an gleichen Themen und nicht selten mit denselben Künstlern und Gruppen arbeiten. In Belgien und den Niederlanden seien die kooperativen Verzahnungen eine Selbstverständlichkeit, so Vanackere, die hiesige Theaterszene hingegen sei „doch sehr auf Konkurrenz gepolt“. Vor vier Jahren schon, berichtet Kathrin Tiedemann, die Leiterin des FFT Düsseldorf, beim gemeinsamen Gespräch im HAU, hätten die Spielstätten begonnen, den inhaltlichen Austausch zu intensivieren, auch konkrete Vergleiche ihrer Arbeitsweisen anzustellen (beispielsweise: welche Koproduktionsbeiträge werden gezahlt? Wie ist das Verhältnis zu den Stadttheatern?). Aus diesen informellen Treffen erwuchs das Bündnis.

Dessen 12-Millionen-Euro-Unterstützung geht noch entscheidend zurück auf den Haushaltspolitiker Rüdiger Kruse (CDU), dem ja zusammen mit seinem „k. u.k.“-Kollegen Johannes Kahrs (SPD) gern mal  vorgeworfen wurde, an Kulturstaatsministerin Monika Grütters vorbei eine sehr eigenwillige Förderpolitik zu betreiben. Aber das muss ja das „Bündnis internationaler Produktionshäuser“ nicht bekümmern. Tiedemann betont dabei, dass ihnen auch „kein Blankoscheck ausgestellt“ werde, sondern die Mittel konkreten, von den sieben Theatern definierten Zielen und Vorhaben zugute kämen. Finanziert werden sollen Projekte, die die Spielstätten ohne den Bundes-Segen nicht hätten realisieren können.

Die amerikanische Anthropologin und Aktivistin Erin McElroy spricht

Das müssen nicht zwingend gemeinsame Unternehmungen sein. Das HAU etwa hat aus dem Etat schon seine Außer-der-Reihe-Forschung „Unacknowledged Loss“ über Tod und Trauer gestemmt, aus der zwar kein konkretes Stück hervorging, die aber unter anderem die Künstlerinnen Mieko Suzuki und Maria Sacaroni zu Thomas Oberenders „Immersion“ geführt hat. Auch solche Verzweigungen sind ja nicht zu verachten.

Was hingegen die sieben Produktionshäuser als Allianz auf die Beine zu stellen vermögen, wird jetzt anlässlich des Wochenendes „Claiming Common Spaces. Kunst und urbane Praxis“ im HAU zu besichtigen sein. Dabei ginge es eben nicht darum, so Annemie Vanackere, „ein Potpourri oder Best-of“ der Bündnispartner ins Schaufenster zu stellen. Sondern eine Frage zu vertiefen, die in allen Heimat-Städten der Häuser von Dringlichkeit ist: Wem gehört der öffentliche Raum?     

Das Programm ist vielversprechend. Es gibt eine Reihe von klangvollen Panels, wo unter anderem die amerikanische Anthropologin und Aktivistin Erin McElroy spricht („Stadt als Byte“). In deren Heimatstadt San Francisco hat Google ein eigenes Beförderungssystem für seine Mitarbeiter errichtet – mit Bus-Stops an öffentlichen Straßen, um die herum die sowieso schon horrenden Mieten derzeit explodieren. Nicht ganz so krass gentrifiziert, aber auf keinem guten Weg ist auch die Umgebung des HAU. Beispiel: das vormalige Hochhaus der Postbank, das gerade hochpreisigen Eigentumswohnungen weicht. Auf diesem Gelände wird das originäre Kampnagel-Projekt „Bubble Palace“ seine aufblasbaren Zelte errichten, die explizit den Randständigen der Gesellschaft ein Forum bieten.

„Gemeinsame Kraft“ der Produktionshäuser

Die Kehrseite der Kapitalismuskritik hingegen begegnet einem in der „McDonald’s Radio University“ des Japaners Akira Takayama. Der befragt die Fast-Food-Kette nicht etwa als kulinarisch-ethisch fragwürdigen Komplex. Sondern als Ort, wo auch Gestrandete, Geflüchtete und andere Transitmenschen in einer Art Schutzraum andocken und sich austauschen können. Leider hat der Konzern dafür nicht seine Kreuzberger Filiale zur Verfügung gestellt, weswegen die Unternehmung nun als Bootstour stattfindet.

Die Produktionshäuser, sagen Annemie Vanackere und Kathrin Tiedemann, wollen als „gemeinsame Kraft“ gesehen werden. „Claiming Common Spaces“ ist erst der Anfang.

„Claiming Common Spaces. Kunst und urbane Praxis“: vom 21. bis 23.6. im HAU 1,2,3 sowie an verschiedenen öffentlichen Plätzen

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