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Windhorst, Christo und Lammert (v.l.) mit einem Model des "Wrapped Reichstag".

© dpa

Christo-Ausstellung im Reichstag: Die Beharrlichen

Christo erklimmt die Präsidialebene: Ab September sind 380 Ausstellungsstücke des Künstlers im Reichstag zu sehen. Damit kehrt der "Wrapped Reichstag" an seine Geburtsstätte zurück.

Das Jahr 1995, als Christo nach 24 Jahren Anlauf endlich den Reichstag verhüllen durfte, war auch für Lars Windhorst ein gutes Jahr. Er war 18 Jahre alt, Kanzler Helmut Kohl hatte ihn ein unternehmerisches „Wunderkind“ genannt. Windhorst war noch nie in Berlin gewesen, er hatte gerade in Hongkong ein Büro bezogen. Zur Eröffnung schenkte ihm ein Geschäftspartner eine Christo-Zeichnung mit originalem Stoffstück.

Das ist einer der Gründe, weshalb Windhorst nun mit Christo und dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert in den zweiten Stock des Reichstags eingeladen hat, wenige Tage, bevor der „Wrapped Reichstag“ am 24. Juni sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Der Künstler ist auf der Präsidialebene angekommen: Eine Auswahl aus 380 Ausstellungsstücken zur Verhüllung wird ab September hier ausgestellt sein: Seile, Briefe, Stoffstücke, Zeichnungen. Die Sammlung, die bei Kunstführungen voraussichtlich öffentlich zugänglich sein wird, ist eine Dauerleihgabe von – Lars Windhorst. Kaufpreis geheim.

Katharsis durch Kunst

„Ich gehörte damals zum kleinen Kreis der scheinbar Verrückten“, sagt Lammert, der das Projekt von Anfang an unterstützte. Zwei Wochen war Berlin im „ästhetischen Ausnahmezustand“, im Mittelpunkt ein Gebäude, „das historisch kontaminiert war“. Am Ende der künstlerischen Entseuchung war die Republik bekanntlich nicht mehr dieselbe. Das Geschenk des Künstlers wirkte als Katharsis für eine verkaterte Nation.

Für 20 Jahre will Lars Windhorst dem Bundestag die Dokumentation überlassen. „Fünf Legislaturperioden!“, ruft Lammert. „Eine authentische Ergänzung der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages.“ Dann reitet ihn etwas: „Haben Sie jemals einen Apfel eingewickelt?“ fragt er Christo. Windhorst sieht heute Gemeinsamkeiten zwischen sich und dem Künstler, vor allem Beharrlichkeit. Auch Nehmerqualitäten haben beide, mit denen sie Rückschläge meisterten. Das verbinde.

Deutschland schenkt einen grauen Schal

Nicht zuletzt bewegen beide große Summen. Die Verhüllung des Reichstags kostete Christo und Jeanne-Claude 15 Millionen Dollar. Der 18-jährige Windhorst soll im selben Jahr 150 Millionen Mark Umsatz gemacht haben. Windhorst musste später Konkurs anmelden, er wurde verurteilt, ging in die Privatinsolvenz. Bei Christo ist nie eine Rechnung offen geblieben.

Inzwischen soll Windhorst finanziell wieder auf dem Damm sein. Zuletzt hat er sich in der Kultur engagiert: Bei der Serpentine Gallery in London, bei C/O Berlin, nun mit Christos Dokumentation im Reichstag. Es handele sich ganz und gar nicht um eine Strategie, sagt er. Auch mit Helmut Kohl habe das gar nichts zu tun, der ja ein erbitterter Gegner des „Wrapped Reichstag“ gewesen war: Keine Geste der Abnabelung, nein, es freut ihn einfach, dass „ich in der Lage bin, mir die Sammlung zu kaufen“.

Schließlich fingert Lammert noch ein Geschenk für Christo aus einer Bundestags-Papiertüte: Einen grauen Schal mit eingesticktem Bundesadler. Die Männer umarmen sich. Geschenk vom Deutschen Volke.

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