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Urplötzlich #MeToo-Ikone. Die amerikanische Schriftstellerin Kristen Roupenian, 36.

© Elisa Roupenian Toha/Verlag

"Cat Person" von Kristen Roupenian: Nur für uns

Was beziehungstechnisch sich digital als tragfähig erweist, sieht analog oft anders aus: Kristen Roupenians wunderbarer Erzählband „Cat Person“.

Es versteht sich von selbst, dass der zur Aufbaugruppe gehörende Blumenbar Verlag, nachdem er die deutschen Rechte an Kristen Roupenians Kurzgeschichten erworben hatte, diese nun mit dem Titel „Cat Person“ auf den Markt bringt – und nicht zum Beispiel mit dem des Originals, „You know you want this“. Denn mit der im „New Yorker“ zuerst veröffentlichten Kurzgeschichte „Cat Person“ über die Begegnung und verunglückte Liebesaffäre zwischen der 20-jährigen Margot und dem 34 Jahre alten Robert hatte Roupenian Ende 2017 einen spektakulären Erfolg: Veröffentlicht kurz nach den Weinstein-Enthüllungen, entwickelte sie sich in den sozialen Medien zum Millionenrenner, wurde geteilt, gelesen und heftig debattiert.

„Cat Person“ avancierte einerseits zur ultimativen #MeToo-Erzählung, weil Robert am Ende ohne Umschweife und recht rüde zur Sache geht. Und sie nicht mehr weiß, wie sie aus dieser rauskommt sich ihm entziehen kann. Am einfachsten empfindet sie, den Sex mit ihm schnell hinter sich zu bringen: „Das Problem bestand nicht darin, dass er sie zu etwas zwingen könnte, was sie nicht wollte. Eher darin, dass, wenn sie jetzt darauf bestand, aufzuhören, nach allem, was sie unternommen hatte, damit es so weit kam, es sie mies und launenhaft hätte aussehen lassen.“

Fast alle Geschichten in dem Band demonstrieren, was für ein Erzähltalent die 36-jährige Autorin ist.

Andererseits kommt in dieser Erzählung sehr gut zum Ausdruck, wie sich heutzutage Beziehungen anbahnen, gerade über soziale Medien. Und wie sie digital zunächst wunderbar tragfähig zu sein scheinen, um dann analog zu scheitern: „Sie wusste nicht viel über ihn, weil sie sich nie über persönliche Dinge austauschten, aber wenn sich zwei oder drei Witze hintereinander ergaben, war da eine Ausgelassenheit, als ob sie zusammen tanzten.“ Roupenian gelingt es in „Cat Person“ perfekt, die Ambivalenz gerade ihrer viel jüngeren Erzählerin darzustellen. Diese ist Robert in vielerlei Hinsicht, in Sachen Bildung, Geschmack, auch sexueller Erfahrung, doch überlegen. Trotzdem stemmt Margot sich nicht gegen übliche Beziehungsdynamiken („Wir sind verliebt und werden wahrscheinlich bald heiraten“, erzählt sie ihren Eltern) und ärgert sich am Ende, ihm nicht direkt den Laufpass geben zu können; das übernimmt eine Freundin.

Nun gab es einige Skepsis, ob die bis dato unbekannte Kristen Roupenian, die an der Harvard Universität afrikanische Literatur studiert hat, mit „Cat Person“ nicht nur einen – womöglich autobiografisch inspirierten – literarischen Glückstreffer gelandet hatte. Und es angezeigt war, ihr für einen ersten Erzählband und einen Roman gleich einen Millionenvorschuss vorzustrecken. Doch alle Geschichten in dem Band demonstrieren nun, was für ein Erzähltalent die 36-jährige Autorin ist. Mal die Zeit dehnend, dann wieder schnell große Zeiträume überbrückend, mal auch durch den Einbau von ein paar surrealen Momenten versteht sie es gut, unterschiedlichste Kräfte- und Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern zu pointieren, Fragen zu stellen nach Moral und dem oft durchscheinenden Bösen und eben Unmoralischen bei jedem, jeder einzelnen. Und das ist dann auch klug und unterhaltsam.

Die Figuren sind bei Tinder unterwegs oder psychisch angeschlagen, sie sind egozentrisch und narzisstisch

Zum Beispiel gibt es in „Böser Junge“ das Pärchen, das einen Freund zum Sex zu dritt verführt und von Tag zu Tag sadistischer behandelt; oder die „Beißerin“, die als Kind immer andere Kinder biss, davon auch als Erwachsene nicht lassen kann (aber muss, was sie einsieht) und schließlich einen attraktiv sexistischen Vorgesetzten bekommt: „Ellie allerdings wollte nicht mit ihm schlafen. Sie wollte ihn beißen, feste beißen.“ Oder die besten Freundinnen, die in „Der Junge am Pool“ einen Junggesellinnenabschied feiern. Dafür heuern sie einen abgehalfterten B-Movie-Darsteller an, den sie in ihrer Jugend wegen einer Pool-Sex-Szene in einem seiner Filme angehimmelt haben. Etwas Schäbiges hat diese Szenerie in dem Luxushotel sowieso, dieses Elend des ewig mickrigen Glücksverlangens. Aber wie Kristen Roupenian die Interaktionen zwischen einer der Frauen, die ihn engagiert hat, und dem Darsteller inszeniert, wie sie einerseits das schlechte Gewissen und die Erwartung an ihn bei ihr und das mutmaßliche Wissen darum bei ihm beschreibt, ist eine Klasse für sich: „Er macht genau das, was sie tunlichst vermeiden wollte: Er macht sich und Taylor zum Affen.“

Viele der Figuren in diesen Geschichten würden gern ein anderes Leben führen, wissen aber nicht, wie sie es anstellen sollen. Sie sind bei Tinder unterwegs oder psychisch angeschlagen, sie sind vermeintlich nette Männer, vermeintlich nette Frauen, im Sinn von „näätt“, sie sind egozentrisch und narzisstisch. Und selbst wenn Roupenian ein Märchen erzählt wie in „Der Spiegel, der Eimer und der alte Knochen“ über eine Prinzessin, die nur sich selbst und ihr Antlitz liebt, oder eine Stephen-King-hafte Mystery-Geschichte über einen von einer Frau herbeigezauberten und gefangengehaltenen Mann im Keller, hat man stets den Eindruck, sie berichtet direkt aus der Gegenwart, von den aktuellen Schwierigkeiten vieler Menschen, mit sich selbst und den anderen klarzukommen. Und diese Schwierigkeiten sind sicher nicht nur generations-, sondern zeittypische.

Wie war das mit der Liebe, wie es eine von Roupenians Figuren auf den Punkt bringt: Sie ist ein wundersames Chamäleon. Und: „Merkst du nicht, dass ich das nur für uns mache!“

Kristen Roupenian:  Cat Person. Storys. Aus dem Amerikanischen von Nella Beljan und Friederike Schilbach. Blumenbar Verlag, Berlin 2019. 284 Seiten, 20 €.

Juliane Oelsner

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