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In Gefahr und größter Not. Captain Richard Phillips (Tom Hanks).

©  Sony Pictures

"Captain Phillips": Überlebenskampf auf hoher See

Paul Greengrass' Top-Thriller nach einem realen Fall von 2009: "Captain Phillips" mit Tom Hanks - ein amerikanischer Frachterkapitän wird von somalischen Piraten gekidnappt.

Alle reden sie vom Schluss. Von den letzten zwei, drei Minuten. Nach all dem Schwund der letzten Jahre („Cloud Atlas“, „Illuminati“), so die Beobachter des längst eröffneten Oscar-Rennens, zeige Tom Hanks endlich wieder, was er kann. Er könnte dafür seine dritte Trophäe bekommen.

Und es stimmt: Die letzten Augenblicke in Paul Greengrass’ exzellentem Thrillerdrama „Captain Phillips“ sind noch aufwühlender als die aufregenden zwei Stunden davor. Was Terror mit Menschen macht, das hat man wohl noch nie so eindringlich gesehen.

In einem Survival Movie wie diesem steht das Ende ja eigentlich fest. Links und rechts mag es schwere Verluste geben, sogar unvorhersehbare, der Held aber wird fürs Leiden stets belohnt. Das Schicksal von Richard Phillips (Tom Hanks) kann sogar als bekannt vorausgesetzt werden: 2009 zitterte die amerikanische Öffentlichkeit mit, als somalische Piraten den Kapitän eines US-Frachters entführten; ein Buch, auf dem auch dieser Film beruht, gibt es längst („A Captain’s Duty“). Auch deshalb ist diese Coda, so wichtig: Nicht mit dem Ende der Entführung löst sich die Spannung. Sondern erst danach.

Nervenkitzel gewinnen aus einer Geschichte, die man schon kennt – niemand dürfte dafür besser geeignet sein als der Brite Paul Greengrass („Die Bourne-Verschwörung“). Dieser Regisseur braucht kaum Action, er schafft Spannung mit filmischen Mitteln (Schnitt, Kamera, Rhythmus). Auch für ihn muss der Film, der nicht in Wassertanks oder im Studio, sondern auf dem Meer gedreht wurde, eine immense Herausforderung gewesen sein. Das Ergebnis ist ein geradezu beängstigend perfekter Thriller.

Greengrass griff dabei auch zu altmodischen Tricks. Schauspiel-Debütant Barkhad Abdi etwa, geboren in Mogadischu und aufgewachsen in Minneapolis, konnte es gar nicht erwarten, Tom Hanks zu treffen. Er durfte aber nicht, selbst als ihm die Rolle des Piratenanführers Abduwali Muse sicher war. Erst als jene Szene gedreht wurde, da Kapitän und Pirat sich erstmals gegenüberstehen, trafen auch Abdi und Hanks aufeinander. Wahrscheinlich ist die Spannung zwischen den beiden deshalb so zwingend. Sie ist das Rückgrat des Films.

Ein gutes Stück davon verbringt Phillips allein mit seinen vier Peinigern, eingezwängt in ein geschlossenes Rettungsboot. Aus der Ferne sieht es aus wie ein trauriger, winziger Schuh, der übers Meer tuckert, von den Schlachtschiffen der US-Navy drohend eskortiert – auf Kollisionskurs mit einer grotesken Übermacht. Im Innern der Kapsel: eine Handvoll Verängstigte, die selbst kaum begreifen, wie sie dort hineingeraten sind.

Die Piraten haben Waffen, aber Phillips (und seine Mannschaft) einen Wissensvorsprung. Es ist ein zähes Ringen mit wechselnden Vorteilen: Mal handelt der Captain kurzentschlossen, und die Entführer müssen reagieren. Dann wieder nehmen die Piraten das Heft in die Hand – und Phillips liefert sich aus, mit wachsender Angst. Er zeigt Mitgefühl für seine jungen Entführer, versorgt ihre Wunden, agiert aber auch ziemlich gerissen, wenn die Gelegenheit günstig ist. Tom Hanks hält das perfekt in Schwebe – und wirkt doch stets wie einer, der nicht weiß, was als Nächstes geschieht. Eine Lehrstunde effektiver Schauspielkunst.

In „Cast Away“ hat Tom Hanks schon einmal auf hoher See überlebt, damals reichte es bei den Academy Awards nur für eine Nominierung – vielleicht, weil ihm nicht Barkhad Abdi kongenial gegenüberstand, sondern nur ein Ball namens Wilson. Ob diesmal mehr für ihn drin ist? Das Oscar-Rennen wird von Überlebenskünstlern dominiert – in „Gravity“ (Überleben im Weltraum), „All Is Lost“ (Überleben allein auf hoher See), „12 Years A Slave“ (Überleben als Sklave) und „Captain Phillips“ (Überleben unter Piraten). Allesamt sind sie im Herbst gestartet, um sich für die große Schlacht zu rüsten. Siegen aber kann nur einer.

In 17 Berliner Kinos; OV im Cinemaxx und Cinestar SonyCenter, OmU im Alhambra und Titania Palast

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