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Maren Ade, Sandra Hüller une Peter Simonischek bei der Pressekonferenz in Cannes.

© dpa

Cannes Journal (3): Manchmal muss man nerven

Maren Ade hat mit "Toni Erdmann" im Cannes-Wettbewerb begeistert. Da will man ihre Pressekonferenz nicht verpassen - und muss leider die Spielberg-Premiere vorzeitig verlassen.

Darf man die Weltpremiere des Kinderfilms „BFG“ des schon ewig weltberühmten Steven Spielberg schnöde nach einer halben Stunde verlassen, bloß um die Pressekonferenz zum erst dritten Film einer nachweislich noch nicht weltberühmten deutschen Regisseurin zu besuchen? Klar doch, wir sind so frei, wir sind so grausam, wir sind in Cannes.

Nicht, dass „BFG“, der Ende Juli unsere Kinos fluten wird, nichts taugt. Treu nach Roald Dahls Kinderbuch „Sophiechen und der Riese“ von 1982 landet ein Waisenkind, eines Nachts von einem guten Riesen entführt, in dessen Riesenheimat und erlebt dort allerlei Abenteuer. Ganz allerliebst parliert das altkluge Mädchen mit dem weitgehend am Computer generierten Riesen in seiner computergenerierten Riesenwelt, und die Filmmusik gibt zu jedem Szenenbeginn die Stimmung vor. Wenn sie lieb ist: zartes Blubbern. Ist sie gefährlich: Tremolo und Täterätä. Kurzum: „BFG“ ist ein neues Märchen des Altmeisters, eins für Kinder jeden Alters.

Zu der Pressekonferenz zu Maren Ades „Toni Erdmann“ verlaufen sich im sonst mit hunderten Journalisten vollgestopften Saal kaum vier Dutzend Leute. So kommt’s halt, wenn nebenan gerade der neue Spielberg vor 2000 Zuschauern läuft und der Rest der Medien sich weitgehend ins Mittagessen verabschiedet. Nicht das feinste Timing im Detail für den ersten deutschen Wettbewerbsbeitrag seit acht Jahren, aber das macht alles nichts. „Toni Erdmann“ ist ein Top-Thema hier seit den umjubelten Pressevorführungen am Freitag.

Maren Ades Filme sind exakt inszenierte Einsamkeitsstücke

Die auf der Handlungsoberfläche absurd komische, immer wieder überraschende und im Kern todtraurige Geschichte um einen spleenigen Altpapa, der sich mit den unpassendsten Mitteln seiner längst Richtung Globalzuhause entschwundenen Business-Tochter nähern will, hat eingeschlagen in Cannes – und alles reibt sich die Augen: Wie bitte, das, bei einem deutschen Film?

Dabei war das absehbar. Maren Ades selbsterfundenen und unbarmherzig exakt inszenierten Einsamkeitsstücke haben schon in Sundance („Der Wald vor lauter Bäumen“) und auf der Berlinale („Alle anderen“) Preise geholt. Immer wieder fühlt sich der Zuschauer darin erwischt und doch nie denunziert – in betont realistischem Setting, das einen bei extremer psychologischer Glaubwürdigkeit ins situativ Ungewöhnliche, ja Unwahrscheinliche zieht. In „Toni Erdmann“ geht es im Wesentlichen um die „seltsamen Menschen, die unsere Kinder sind“, wie es in einer Zeile des unvergessenen Texters und Sängers Gerhard Gundermann heißt. Man könnte ergänzen: die erwachsenen Kinder. Oder auch: die älter werdenden Eltern, je nach heran- und davonwachsender Entfremdungsperspektive.

„Ich versuche, zu jedem Zeitpunkt so genau wie möglich zu sein“

Inhaltlich Neues auf der Pressekonferenz? Eher Atmosphärisches. Manche Journalisten nutzen ihre Frage eher für heftige Fan-Bekenntnisse, die Podiumsteilnehmer ihrerseits schauen lieber zueinander hin als hinunter in den schütter besetzten Saal und übersetzen zudem brav ihre Statements vom Deutschen selber ins Englische. Und einmal sagt der kommende Autorenfilmemacherinnenstar Maren Ade, am Rand neben dem Moderator sitzend: „Ich versuche, zu jedem Zeitpunkt so genau wie möglich zu sein“, und ihre beiden Hauptdarsteller Sandra Hüller und Peter Simonischek geben unverblümt zu verstehen, dass so was schon mal heftig nervt. So kann’s gehen. So muss es gehen. Wenn es denn gut gehen soll.

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