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Kieran Carrel präsentierte sich mit tenoraler Inbrunst.

© Matthias Heyde

Bundeswettbewerb Gesang 2020: Hört, hört!

Dass in der Deutschen Oper Berlin das Finale des Bundeswettbewerbs Gesang stattfinden kann, ist ein kleines Wunder. Zu erleben ist ein starker Jahrgang,

Um endlich mal wieder im Rampenlicht zu stehen, tun Bühnenkünstlerinnen und -künstler gerade fast alles. Annette Dasch beispielsweise, sonst als gefeierte Diva ununterbrochen zwischen den Kulturmetropolen unterwegs, hat sich einer zehntägigen Quarantäne unterzogen, um am Montag beim Abschlusskonzert des Bundeswettbewerbs Gesang dabei sein zu können. Und das, obwohl sie in der Deutschen Oper gar nicht als Sopranistin gebucht ist, sondern lediglich als Moderatorin, die die Preisträgerinnen und Preisträger des wichtigsten nationalen Wettsingens präsentiert.

Weil sie in Wien lebt, erzählt sie freimütig im Livestream, musste sie frühzeitig in Berlin anreisen und dann die vorgeschriebene Zeit untätig absitzen.

Der 1800-Plätze- Saal ist leer, die sonst übliche Orchesterbegleitung gestrichen, zwei hohe Scheinwerfer-Stative bilden die einzige Dekoration, doch die Final-Gala kann stattfinden. Allein das ist in diesen Zeiten schon ein Wunder. Möglich gemacht hat es Bettina Holl, die Geschäftsführerin des Bundeswettbewerbs Gesang, mit ihrem maßgeschneiderten Hygienekonzept.

Annette Dasch ist restlos begeistert

In den Wertungsrunden begegneten sich die 101 Kandidatinnen und Kandidaten, die sich qualifiziert hatten, nie. Freunde, Unterstützer und interessierte Klassikfans, sonst immer vor Ort zugelassen, konnten sich lediglich per Videoübertragung auf der Website des Wettbewerbs einen Eindruck verschaffen. Wobei schnell klar wurde, dass der Jahrgang 2020 ein starker ist. Die 15 Preise im Gesamtwert von über 50 000 Euro im Junior- (17 bis 23 Jahre) und Hauptwettbewerb (bis 30 Jahre) zu vergeben, war für die Jury also ein Vergnügen.

Beim Abschlusskonzert gerät Annette Dasch vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen, überschlägt sich in ihren Moderationen förmlich mit Superlativen, wenn es darum geht, ihre jungen Kolleginnen und Kollegen zu loben. Als strahlendste Erscheinung des Abends bleibt Solomia Lukyanets in Erinnerung, die nicht nur bewundernswert selbstsicher ihre Rossini-Koloraturen funkeln lässt, sondern das Kunststück fertig bringt, gleichzeitig mit einem imaginären Publikum zu flirten.

Erstmals wird ein Altist ausgezeichnet

Seinen Auftritt sichtlich genießen kann auch der Bass Frederic Jost, der – stattlich anzusehen im Frack – Loewes Ballade von „Odins Meeresritt“ wunderbar schauerromantisch ausgestaltet. Sonja Grevenbrock brilliert als Massenets „Manon“, Carl Rumstadt beeindruckt mit seiner Bühnenpräsenz, während der 1. Preisträger Artur Garbas am Montag lediglich eine solide Performance abliefert.

Erstmals in der Geschichte des Wettbewerbs wurde ein Altist ausgezeichnet, also ein Sänger, der die Technik beherrscht, auch nach dem Stimmbruch weiter in seiner Knabenstimmlage zu singen: Constantin Zimmermann zeigt sich vielseitig mit einem Song der Jazzpianistin Julia Hülsmann und einer Mozart- Arie. Charlotte Langner, mit 18 Jahren die jüngste Preisträgerin, meistert ebenfalls eine anspruchsvolle Mozart-Arie, Eva Zalenga setzt die Reize ihres sinnlichen Sopran effektvoll ein, Ann-Katrin Niemczyk zeigt interpretatorischer Frühreife, Freya Apffelstaedt feines Einfühlungsvermögen. Von den drei Tenören, die am Montag zu den Gewinnern gehören, wird wohl Kieran Carrel die steilste Karriere machen. Denn er ist mit einer dieser lyrischen Stimmen gesegnet, die nach Sommermorgen-Sonnenlicht klingen.

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