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Musikfest Philharmonie: Michelangelo und Blaubart

Nichts weniger als der Kampf der Extreme im 20. Jahrhundert, zu Klang geronnen, steht auf dem Programm des diesjährigen Musikfests.

Nichts weniger als der Kampf der Extreme im 20. Jahrhundert, zu Klang geronnen, steht auf dem Programm des diesjährigen Musikfests. Und keiner hat die Versehrung des Individuums unter der Diktatur eindrücklicher in Töne gesetzt als Schostakowitsch in seinen 15 Symphonien. Der Schostakowitsch, den die Besucher am Montag in der Philharmonie zu hören bekommen, ist allerdings ein anderer, stillerer. 1974, gegen Ende seines Lebens, hat er in der „Suite nach Gedichten von Michelangelo Buonarroti op. 145“ zu einem reduzierten, manchmal nur aus fahlen tiefen Streicherakkorden bestehenden Klangbild gefunden, das Marek Janowski mit dem Rundfunk-Sinfonieorchesters in einen entsprechend zurückgenommenen Sound übersetzt. Damit bereitet Janowski die Bühne für den weichen gereiften Bass von Johan Reuter, der Michelangelos Gedichte mit geschmeidigem Registerwechseln singt, am Ende aber Ermüdungserscheinungen zeigt und an Strahlkraft verliert.

Zweifellos war auch Michelangelo ein Mann der künstlerischen Extreme, herausragend in Architektur, Malerei und Bildhauerei zugleich. Seine elf lyrischen Texte erzählen von emotionalen Extremzuständen eines Mannes, von Zorn, Liebe und Tod. Damit wirken sie wie eine Hinleitung zu dem zweiten Werk des Abends, Béla Bartóks einaktiger Oper „Herzog Blaubarts Burg“. In der hat der junge Bartók 1911 nämlich mit schillernden Klangfarben die Abgründe einer männlichen Psyche ausgemalt. Otto Sander spricht die Einleitung zu der konzertanten Aufführung leise, fast traurig. Damit kontrastiert der schöne, durchdringenden-tiefe Bariton von Albert Dohmen als Blaubart. Dass Dohmen dennoch nicht die gleiche unmittelbare Wirkung entfaltet wie der Mezzo von Petra Lang als Judith liegt auch daran, dass er abliest und sich immer wieder hinsetzt, während sie stehen bleibt und frei singt. Das Orchester reißt Blaubarts Seelenklüfte mit monumentalen, doch nie plärrenden Tutti-Ausbrüchen auf. Auch so können sich Extreme anhören. Udo Badelt

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